Neue alte Synagoge: Bewegung am Hamburger Bornplatz

Der Wiederaufbau von Hamburgs einst prächtigster Synagoge nimmt Formen an. Vor zu viel Rückwärtsgewandtheit warnt die Historikerin Miriam Rürup.

Ein Mann betrachtet eine beleuchtete Tafel. Diese erinnert an die zerstörte Synagoge im Hamburger Grindelviertel

Angezündet und abgerissen: Erinnerungstafel für die Synagoge im Hamburger Grindelviertel Foto: dpa

HAMBURG taz | Das Geld ist auf dem Weg. Noch nicht für die Synagoge selbst, über deren Errichtung auf dem Joseph-Carlebach-Platz im Grindelviertel seit Kurzem diskutiert wird. Aber gesichert ist die Finanzierung der Machbarkeitsstudie, die vor zwei Wochen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ankündigte: Am Freitag der vergangenen Woche sagte der Haushaltsausschuss des Bundes 600.000 Euro dafür zu – auf Betreiben der in solchen Dingen ziemlich gut eingespielten Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU).

„Die Politik redet nicht nur, sondern handelt“, freute sich Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky im Hamburger Abendblatt. Die SPD hatte sich das Thema erst mit einer gewissen Verzögerung zu eigen gemacht: Den Anstoß zur Debatte hatte im Oktober der Grünen-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende Anjes Tjarks gegeben, am schnellsten Zustimmung signalisierten damals FDP und CDU.

Bistritzkys Arbeitgeber Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, präzisierte am Freitag gegenüber „Zeit online“, wie das weitere Vorgehen aussehen könnte: „In einem Jahr wollen wir die Machbarkeitsstudie abschließen, binnen fünf Jahren sollte die Synagoge fertiggebaut sein. Das wäre unser Wunsch.“ Aber er wies in dem Interview auch hin auf viele Details, die es noch zu klären gelte. „Eine Planungsgruppe in der Gemeinde diskutiert gerade erste Ideen und Wünsche, demnächst werden auch Vertreter der Senatskanzlei dazustoßen. Schließlich ist der Wiederaufbau ein sehr großes Projekt.“

Entschieden scheint indes schon das Äußere eines etwaigen Neubaus: So hatte sich SPD-Mann Kahrs in der gemeinsamen Erfolgspressemeldung mit Kruse schon zur Gestaltung geäußert: „Mir ist wichtig, dass, wenn die Synagoge wiederaufgebaut wird, die Außenhülle originalgetreu rekonstruiert wird.“ Auch der Gemeindevorsitzende Stricharz wies hin auf die lange als verschollen geltenden Pläne der alten Synagoge im neoromanischen Stil.

Die war im Jahr 1906 fertiggestellt worden, entworfen hatten den selbstbewusst frei stehenden Bau der Architekt Semmy Engel und Regierungsbaumeister Ernst Friedheim. Die damals größte Synagoge in Nordeuropa überstand die Pogromnacht Anfang November 1938 – geschändet, beschädigt, aber nicht niedergebrannt. Einen ungeschützten Winter später dann musste die Jüdische Gemeinde sie auf eigene Kosten abreißen lassen und das Grundstück an die Stadt zurückverkaufen.

Die damaligen Baupläne hat Stricharz zufolge der Hamburger Historiker Jürgen Sielemann wieder ausfindig gemacht: „Grundrisse und einige wichtige Details liegen jetzt schwarz auf weiß vor uns. Daran können wir uns orientieren, das hilft uns sehr.“

Gegen ein bloßes Orientieren an dem, was einmal war, wendet sich Miriam Rürup, Historikerin und Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg: Im NDR sprach sie am Donnerstag vom Platz als einer „sichtbaren Lücke, die der Nationalsozialismus in unserer Stadt hinterlassen hat“. Wolle man einfach wieder aufbauen, was dort bis 1939 stand, „macht sich bei mir das Unbehagen breit, dass man genau diesen Verlust überdecken möchte“.

„Es geht mir nicht darum zu sagen: Auf dem Platz darf nichts passieren“, präzisiert Rürup gegenüber der taz. „Auch ein Mahnmal kann nach 30 Jahren neu überdacht werden.“ Den Grundriss der alten Synagoge macht seit 1988 das „Synagogenmonument“ der Künstlerin Margrit Kahl nachvollziehbar in Gestalt von polierten Granitsteinen, die in den Platz eingelassen sind. Sie frage sich aber, so Rürup zur taz: „Woher kommt diese Haltung der Rückwärtsgewandtheit?“

Neben diesem vielleicht geschichtspolitisch zu nennenden Argument hat Rürup aber noch ein weiteres: „Wenn man heute versucht, dort möglichst nahtlos anzuschließen, dann baut man ein Gebäude wieder auf, das historisch für orthodoxes Judentum steht. Damit wäre es aber ein einseitiges religiöses Symbol, das nur einen Teil des Judentums anspricht.“

In der Tat: Hamburg war auch einmal die Wiege des Reformjudentums, und Spuren davon finden sich heute noch in der Neustadt, in einem Hinterhof in der Poolstraße etwa. „Kaum eine andere Stadt würde doch so etwas derart verrotten lassen“, sagt Rürup. „Sondern es entdecken als historisch bedeutsam; sich auf den Weg machen und fragen: Wie können wir das darstellen als Teil unserer Geschichte – und vielleicht sogar wieder zu Glanz erwecken? Auch da wäre meine Fantasie nicht, einfach wieder aufzubauen. Aber man könnte an diesem Ort vielschichtig jüdische Geschichte in Hamburg zeigen.“

Sie plädiert dafür, die angekündigte Machbarkeitsstudie zu öffnen: „Ist es denkbar ein Haus für das Judentum zu bauen“, fragt die Historikerin, „in dem alle Strömungen sich zu Hause fühlen können?“

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