Österreichs Grüne vor Koalitionsfrage: Soll man oder soll man nicht?

Nach dem fulminaten Erfolg bei der Wahl in Österreich könnte die Grünen mit Sebastian Kurzs ÖVP regieren. Einigen Grünen passt das gar nicht.

Grünen-Politiker Werner Kogler ist von Menschen umringt

Gefeierter Sieger: Der grüne Spitzenkandidat Werner Kogler (rechts) bei der Wahlfeier am Sonntag Foto: dpa

WIEN taz | Die Stimmung im Wiener Metropol war Sonntagnacht ausgelassen. Die Grünen feierten dort ihren souveränen Wiedereinzug in den Nationalrat mit lauter Musik, reichlich Alkohol und veganem Buffet. Wer sich nicht auf der Tanzfläche tummelte oder versuchte, zur Bar durchzudringen, flüchtete in den Hof oder vor die Tür, wo sich alles darum drehte: soll man oder soll man nicht? Nämlich sich auf eine Koalition mit der ÖVP einlassen.

Bundessprecher Werner Kogler, wie der Parteichef bei den Grünen heißt, gab darauf zunächst keine Antwort. Er ließ sich zwar bald nach den ersten Hochrechnungen blicken und hochleben, entschand dann aber schnell zu einem Marathon an Interviews und TV-Runden.

Bei der Wahl vor zwei Jahren war seine Partei noch an der 4-Prozent-Hürde gescheitert. Nun hat Kogler mit 14 Prozent das bundesweit beste Ergebnis aller Zeiten eingefahren und die Grünen als entscheidenden Player ins Spiel gebracht.

Die Klimadebatte hatte den Wahlkampf über weite Strecken bestimmt. Alles andere als eine konseqeunt ökologische Politik wäre nicht nur den Grün-Wählern schwer vermittelbar. Aber wäre die in einer Koalition mit dem Wahlsieger Sebastian Kurz auch durchsetzbar? Die Frage spaltet die Partei.

Schon Verhandlungen wären einigen zuviel

„Auf keinen Fall“, sagt die ehemalige Wiener Bezirksrätin Veronika Reininger auf die Frage, ob man es mit Kurz probieren solle. Nächstes Jahr stehen in Wien Wahlen an und es gilt, eine rot-grüne Mehrheit in der Stadtregierung zu verteidigen. Die Konzessionen, die man in einer Koalition mit dem rechts gepolten Sebastian Kurz unweigerlich machen müsste, „würden uns nur schaden“. Wenn es nach ihr geht, sollte man sich nicht einmal auf Verhandlungen einlassen.

Etwas entspannter sieht es der Wiener Stadtrat Nikolaus Kunrath: „Erst einmal abwarten, was man uns anbietet“. Er geht davon aus, dass Kurz ein attraktives Angebot machen wird, da seine Alternativen – die Wahlverlierer FPÖ und SPÖ – jedes Glamour-Faktors entbehren.

Werner Kogler ist nicht nur das Comeback des Jahrzehnts geglückt, er hat auch seiner Partei ein völlig anderes Image verpasst. Die Grünen hatten – zu unrecht, wie Kogler beteuert – das Image einer selbstgerechten Verbotspartei, die mit erhobenem Zeigefinger am liebsten alles verbieten wollte, was Spaß macht: vom Rauchen bis zum Autoverkehr. Viele Sympathisanten wandten ihnen den Rücken zu, weil ihnen das Binnen-I auch in der gesprochenen Sprache kein Anliegen war oder sie größeres Engagement gegen die Auswüchse der muslimischen Parallelgesellschaften vermissten.

Kompatibel im Landgasthaus

Kogler ist es gelungen, einen bodenständigeren Diskurs zu führen, der auch im Landgasthaus gehört wird. Er hat die Fridays-for-Future-Bewegung geschickt zur Mobilisierung genutzt und 100.000 Leihstimmen, die 2017 zur SPÖ gewandert waren, zurückgeholt.

Wen immer man in der grünen Basis und dem mittleren Parteiapparat befragt: die Skepsis gegenüber einem Experiment Türkis-Grün ist groß. Türkis, das ist die von Kurz geschaffene neue ÖVP, die den Sozialstaat in der bestehenden Form nicht mehr für zeitgemäß hält und ihre Aufgabe in der Förderung der Marktwirtschaft und Abwehr von Flüchtlingen sieht.

Zwar regieren die Grünen in den westlichen Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg bereits in erfolgreichen Koalitionen mit der ÖVP. Doch dort dominiert noch das Denken der christlichsozial orientierten „schwarzen“ ÖVP. Da ist die Schnittmenge mit den Grünen spürbar größer. Zwischen der katholischen Schöpfungsverantwortung und der grünen ökologischen Wende bestehen kaum Unterschiede.

Vor einem Vierteljahrhundert hatte der ÖVP-Landwirtschaftsminister Josef Riegler sogar eine „ökosoziale Marktwirtschaft“ als Zukunftsmodell propagiert, war damit allerdings am konservativen Bauernbund gescheitert. Sebastian Kurz, dem Inszenierung besonders wichtig ist, könnte eine Allianz mit den Grünen als „Zukunftskabinett“ verpacken und zumindest einem großen Teil seiner Anhänger verkaufen.

Linke Wiener als Risiko

Kommentatoren sehen vor allem bei den Wiener Grünen, die deutlicher links ticken, als die Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern, das größte Hindernis und Risiko für eine künftige Regierungsbeteiligung. Allerdings ist das Gewicht der Haupstatdt-Grünen etwas geschwunden, seit im Wahlkampf-Finale ein Korruptionsskandal hochgespielt wurde.

Der ehemalige Grüne Planungsstadtrat Christoph Chorherr, der unter anderem für Flächenwidmungen zuständig war, hat bei Immobilienunternehmen, die Projekte eingereicht hatten, Spenden für eine Schule in Südafrika gekeilt. Er beteuert, niemals eine Konzession von der Spende abhängig gemacht zu haben, doch gibt er die Unvereinbarkeit zu und hat seine Parteimitgliedschaft ruhend gestellt.

Anders als bei der FPÖ geht es nicht um persönliche Bereicherung, doch wird die Sache vom politischen Gegner hochgespielt. In jedem Fall wird Werner Kogler auf viele Befindlichkeiten Rücksicht nehmen müssen. Niemand erwartet einfache und kurze Verhandlungen.

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