Projekt „Event Horizon Telescope“: Erstes Bild von Schwarzem Loch
Schwarze Löcher sind eines der größten Mysterien im Universum. Gesehen wurden sie noch nie – doch das hat sich jetzt geändert.
Nachgewiesen werden konnten diese Materie verschlingenden Schwerkraftgebilde nur auf indirektem Weg. Doch das hat sich an diesem Mittwoch geändert, als ein Forscherteam auf sechs zeitgleichen Pressekonferenzen rund um den Globus ein „bahnbrechendes Ergebnis“ präsentierte: das erste Bild eines Schwarzen Lochs.
Seit Jahren arbeitet das internationale Team daran, die erste Aufnahme zu machen. Dabei nutzt es nicht nur ein einziges Instrument, sondern eine Verknüpfung aus acht riesigen Radioteleskopen, die über den Globus verteilt sind. Sie stehen auf Hawaii, in Arizona, in Spanien, in Mexiko und Chile bis hin zum Südpol. „Event Horizon Telescope“ (EHT) nennen die Forscher*innen das Projekt. Auch das deutsche Max-Planck-Institut ist daran beteiligt.
Jason Dexter, Teil des Forschungsteams am Max-Planck-Institut für extraterrestische Physik in Garching bei München, zeigt sich begeistert: „Es ist eine gute Zeit, um an Schwarzen Löchern zu forschen“, sagt er der taz. Seit den 70er Jahren sei dies das große Ziel von Wissenschaftlern. Nun sei das durch einen großen Einsatz technologischer Instrumente möglich.
Hatte Albert Einstein Recht?
Das Max-Planck-Institut kümmert sich um die Auswertung der Daten. Die Datenmenge, die die Forscher*innen sammelten, war so groß, dass sie nicht über das Internet verschickt werden konnten. Stattdessen wurden sie auf Festplatten gespeichert und mit Flugzeugen zur Verarbeitung transportiert.
Mit dem Zusammenschluss von acht Teleskopen gelingt es, virtuell ein Observatorium von riesiger Größe zu bilden. Es hat einen effektiven Durchmesser von 12.000 Kilometern – also dem Durchmesser der Erde. Die Forscher*innengruppe hat damit zwei Schwarze Löcher beobachtet.
Empfohlener externer Inhalt
Das eine liegt von der Erde aus gesehen im Sternbild des Schützen. Daher hat das schwarze Loch seinen Namen Sagittarius A* – die lateinische Form von Schütze. Sagittarius A* liegt im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße. Es ist rund 26.000 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt und hat einen Durchmesser von etwa 44 Millionen Kilometern. Das hört sich riesig an, entspricht jedoch von der Erde aus gesehen lediglich der Größe eines Golfballs auf dem Mond.
Das zweite ist das weitaus größere Schwarze Loch in der elliptischen Riesengalaxie Messier 87. Es ist 1500 Mal so groß wie Sagittarius, und befindet sich in noch weiterer Ferne.
Das EHT-Projekt ist aber nicht nur eine Weltpremiere, es gilt auch als der bislang größte Testlauf für die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein. Einstein hatte die Theorie vor rund einem Jahrhundert aufgestellt und die Schwarzen Löcher darin dargestellt. Demnach sind sie Gebilde, in denen die Masse von bis zu mehreren Milliarden Sonnen auf einen Punkt komprimiert ist. Durch die riesige Gravitation kann aus der direkten Umgebung nicht einmal Licht entkommen. Der US-Physiker John Archibald Wheeler gab ihnen deswegen Mitte der 60er Jahre ihren Namen.
Der Trick: Radiowellen
Genau diese Eigenschaften machen die Abbildung des Schwarzen Loches so schwierig. Es ist auch für die besten Teleskope unsichtbar. Zeichnungen auf Grundlage der Allgemeinen Relativitätstheorie zeigen oft einen schwarzen Kreis mit einem strahlend hellen Ring. Die Innenseite dieses Rings markiert den sogenannten Ereignishorizont: bis hier hin kann noch Licht entkommen. Man fotografiert also nur den strahlend hellen Ring um das Schwarze Loch.
Noch ein Vorteil von EHT: Die Astronom*innen nutzen Radioteleskope. Im Gegensatz zu elektromagnetischen Wellen werden Radiowellen von Gas und Staub nicht so stark geschluckt und kommen besser durch die dichte Schicht rund um das schwarze Loch.
Mehr Wissen über das Universum
Bleibt abschließend noch die Frage zu klären: Was bringt den Astronom*innen ein Bild von einem Schwarzen Loch überhaupt? „Wir sind sehr nah dran, zu verstehen, wie diese Gebilde funktionieren und damit neue Erkenntnisse zu gewinnen, wie Gas und Materie sich unter dem Einfluss extremer Anziehung verhalten“, sagt Jason Dexter vom Max-Planck-Institut. Die Relativitätstheorie werde also unter den extremsten Gravitationsbedingungen, die es im Universum gibt, geprüft.
Darüber hinaus sind auch viele Fragen zu den Schwarzen Löchern noch nicht geklärt, etwa wie die Materie genau in den Schlund strudelt. Oder warum bei manchen Schwarzen Löchern ein Teil dieser Materie vor Erreichen des Ereignishorizonts in einem scharf gebündelten Strahl wieder hinausgeschleudert wird. Solche Erkenntnisse bestimmen das Bild, das Astrophysiker gegenwärtig von unserem Universum haben.
Übrigens gibt es auch einen Film, der sich an die Darstellung eines Schwarzen Loches gewagt hat: das 2014 erschienene Science-Fiction-Drama Interstellar. Von der Realität waren die Filmemacher*innen gar nicht mal so weit weg.
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