Kolumne Geht's noch: Lunch mit Poroschenko

Einmischung in fremde Wahlkämpfe ist ein No-Go. Trotzdem trifft die Kanzlerin vor der ukrainischen Stichwahl den Amtsinhaber.

Petro Poroschenko und Angela Merkel stehen an Rednerpulten und gucken sich gerade an.

Merkel sei „partnerschaftlich, freundschaftlich“, schwärmt Poroschenko. Wie bitte? Foto: imago/Christian Spicker

Nicht immer das sagen oder tun, was man denkt – in ihren gut 13 Jahren im Kanzleramt hatte Angela Merkel häufig genug Gelegenheit, diese diplomatische Maxime zu ver­innerlichen. Beispiel US-Wahlkampf 2016: Es war ein offenes Geheimnis, dass sich die Kanzlerin nicht einen polternden Immobilienmogul mit Hang zur Xenophobie im Weißem Haus wünschte. Trotzdem hielt sie den Mund.

Schließlich weiß sie genau, dass das diplomatische Parkett bisweilen arg rutschig sein kann. Ein falsches Wort oder eine irritierende Geste kann da leicht zu politischen Verwerfungen führen. Folglich gilt es, in ausländischen Wahlkämpfen politische Neutralität zu wahren. Oder zumindest deren Schein.

Umso mehr stellt sich die Frage, was die Kanzlerin nun geritten hat, sich mit derlei Verve in den ukrainischen Wahlkampf zu stürzen. Am nächsten Wochenende findet dort die Stichwahl ums Präsidentenamt statt, Amtsinhaber Petro Poroschenko gegen den Komiker Wolodimir Selenski. In jüngsten Umfragen liegt der Herausforderer weit vorn.

Was also tut Merkel? Kurz vor dem entscheidenden Urnengang empfing sie Amtsinhaber Poroschenko am Freitag in Berlin zum Lunch. Als „partnerschaftlich, freundschaftlich“ lobte Poroschenko im Anschluss die „Frau Bundeskanzlerin“. Wie bitte?

Als hätte sie ihr diplomatisches Gespür verloren

An dem Stelldichein wäre nichts verwerflich, würde Merkel im Anschluss an Poroschenko auch noch mit Herausforderer Selenski speisen. Darauf verzichtet sie aber – anders übrigens als ihr französischer Kollege Macron, der wohlweislich beide Kandidaten empfangen hat.

Mischt sich die Kanzlerin hier also in den ukrainischen Wahlkampf ein? Es sieht jedenfalls so aus. Auch wenn sich ihr Sprecher bemühte, den Vorwurf abzuschmettern. Man stelle sich vor, Merkel würde Putin so kurz vor der Wahl bei sich empfangen; undenkbar. Es wirkt, als habe Merkel ihr diplomatisches Gespür verloren.

Und wozu das Ganze? Denn fraglich ist, ob Poroschenko die Stippvisite überhaupt nützt. Zurzeit sieht es für ihn düster aus. Ob ein paar Bilder mit der deutschen Regierungschefin den Wind derart drehen können, darf bezweifelt werden.

Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass Merkel sich beim Kandidaten-Speeddating vertut; 2012 traf sie den französischen Präsidenten Sarkozy – den sozialistischen Herausforderer Hollande nicht. Geholfen hat es Sarkozy wenig, in den Elyséepalast zog damals Hollande ein.

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