Studie über Muslime und Ostdeutsche: Wer gehört zu Deutschland?
Ostdeutsche und Muslime teilen nicht nur Ausgrenzungserfahrungen – sondern auch Klischees, die Westdeutsche von ihnen haben.
Die Ergebnisse zeigen, welche Bilder Westdeutsche mit Ostdeutschen und Muslimen verbinden – und welche Ängste Muslime mobilisieren. Aufschlussreich ist der Blick der Westdeutschen auf Ostdeutsche und Muslime als mögliche Konkurrenz: Nur gut 10 Prozent der Westdeutschen finden es bedenklich, wenn immer mehr Ostdeutsche Führungsjobs in der Wirtschaft übernehmen. Die Angst vor Muslimen ist stärker: Ein Drittel der Westdeutschen sieht den Aufstieg von MuslimInnen in Führungspositionen skeptisch. Im Osten ist die Furcht von Muslimen auf dem Arbeitsmarkt überholt zu werden noch weit ausgeprägter: Fast jeder zweite in Ostdeutschland findet die Vorstellung, dass es wesentlich mehr muslimischer Chefs und Chefinnen geben kann, negativ.
Doch das Bild ist nicht monochrom. So sehen viele Deutsche, dass Muslime hierzulande nicht gleich behandelt werden. Mehr als die Hälfte der Deutschen in Ost und West (54,1 und 52,3 Prozent) glauben, dass MuslimInnen nicht den gleichen Zugang zu gesellschaftlichen Positionen haben. Das Bewusstsein, dass krasse Benachteiligungen existieren, ist erstaunlich verbreitet. „Großteile der ostdeutschen Bevölkerung“ so ein Fazit der Studie, „haben ein Gespür für die benachteiligte Lage der MuslimInnen, Bedrohungsängste gegenüber deren Verbesserung sind ebenso sehr verbreitet.“ Die Deutschen halten Muslime für benachteiligt, fürchten aber deren sozialen Aufstieg – im Osten mehr als im Westen.
Der ewige Jammerossi
Wie steht es mit dem Blick der Westdeutschen auf Ostdeutsche? Das in den 90er Jahren verfestigte Bild des Jammerossis scheint äußerst zäh zu sein. So sind 41,2 Prozent im Westen der Ansicht, dass Ostdeutsche sich ständig als Opfer sehen. (Bei Muslimen glauben dies 36,5 Prozent der Westdeutschen.) Auch in Sachen Diskriminierung ist das Selbstbild der Ostdeutschen und das Bild, das Westdeutsche von ihnen haben, auffällig verschieden. 35 Prozent der Ostler meinen, dass sie noch immer Bürger zweiter Klasse sind. Im Westen glauben dies nur 18 Prozent. „Westdeutsche“, so die Schlussfolgerung der Studie, „ignorieren die Wunden der Wiedervereinigung.“
Wer gehört dazu?
Interessant ist, wen die Westdeutschen als dazu gehörig empfinde: Ein gutes Drittel (36,4 Prozent) glaubt, dass Ostdeutsche noch nicht in der Gesamtgesellschaft angekommen sind. Weit mehr, 58,6 Prozent, bescheinigen dies Muslimen. Das Bild ist facettenreich, allerdings nicht vollständig. Man erfährt wie West- über Ostdeutsche und Muslime denken und wie sich Ostdeutsche sehen. Ausgespart ist wie Muslime Ost- und Westdeutsche wahrnehmen. Aus methodischen Gründen: Die Zahl der befragten MuslimInnen war zu gering, für repräsentative Schlussfolgerungen. Das DeZim plant dies in einer anderen Studie zu recherchieren.
Quote für Muslime und Ostdeutsche
Das ForscherInnen betonen die Ähnlichkeit des westdeutschen Blicks auf Ostdeutsche und Muslime: „Ostdeutsche sind mit ähnlichen Abwertungen konfrontiert wie MuslimInnen. Westdeutsche werfen beiden Gruppen vor sich zum Opfer zu stilisieren und noch nicht im heutigen Deutschland angekommen zu sein.“ Das ist, so pauschal formuliert, eine allzu forsche These. Denn laut der Studie meinen ja knapp Zweidrittel der Westdeutschen nicht, dass Muslime sich ständig zu Opfern stilisieren – und knapp zwei Drittel glauben nicht, dass die Ostdeutschen noch nicht im vereinigten Deutschland angekommen müssen.
Erstaunlich groß ist Sympathie für Quoten – sowohl für Ostdeutsche als auch für Migranten. Die Studie zeigt, dass sich im Osten jeder zweite für eine Ost-Quote erwärmt. Im Westen ist knapp ein Viertel dafür zu haben.
Das überraschendste Ergebnis der Studie ist: Ein Drittel hält eine Quote für MigrantInnen für eine gute Idee. In Ost- und in Westdeutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung