Kommentar Islamunterricht an Schulen: Für 2019 inakzeptabel
Bayern will Islamunterricht gar nicht mehr anbieten. Anderswo ist unklar, wie. Für die Gleichstellung der Religionen wäre er selbstverständlich.
Der Islamunterricht an deutschen Schulen steckt leider immer noch in den Kinderschuhen. Zwar ist in den vergangenen Jahren die Zahl der staatlich ausgebildeten islamischen ReligionslehrerInnen ebenso gestiegen wie die der beteiligten Schulen. Doch selbst im Pionierland Hessen, das als erstes Bundesland zwei islamische Verbände als Religionsvertreter anerkannt hat, kommen derzeit gerade mal 3.000 von 770.000 SchülerInnen in die Gunst eines islamischen Religionsunterrichts. Das sind 0,4 Prozent. Und selbst deren Unterricht ist gefährdet, weil das hessische Kultusministerium nun erkennen musste, dass einer seiner Partner – der vom türkischen Staat gelenkte Moscheenverband Ditib – weder hinreichend unabhängig noch zuverlässig ist.
Was das hessische Kultusministerium gerade an Enttäuschungen durchmacht, ist bezeichnend für die Bemühungen um einen – dringend nötigen – flächendeckenden und regulären Islamunterricht in Deutschland. Und das liegt keineswegs allein an den islamischen Verbänden.
In mehreren Bundesländern endet im Juli eine Modellphase zu islamischen Religionsunterricht. Und teilweise, wie in Nordrhein-Westfalen, weiß man immer noch nicht, wie es konkret weitergehen soll. In Bayern hat sich die CSU-geführte Landesregierung noch nicht einmal dazu durchgerungen, den Islamunterricht im Herbst an den Schulen überhaupt weiterzuführen. Und das, obwohl Schulen und WissenschaftlerInnen nur lobende Worte für den Islamunterricht nach bayerischem Lehrplan finden.
Da geistert womöglich immer noch der politische Irrglaube der letzte Landtagswahl herum, man dürfe beim Thema Islam der AfD keine Angriffsfläche bieten. Und selbst wenn Bayern grünes Licht für die Fortführung des Islamunterrichts gibt, dann nicht als eigenes Fach, sondern als eine bloße Variante zu Ethik.
Es geht um die Gleichstellung der Religionen
In anderen Bundesländern ist man da weiter. In Hessen und Niedersachsen ist islamischer Religionsunterricht bereits seit fünf Jahren ordentliches Schulfach. Und anders als in Bayern arbeiten die Kultusministerien in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland bei ihren Modellprojekten auch eng mit islamischen Verbänden zusammen. Das ist mühsam, wie man in Hessen sieht, aber ein wichtiger Schritt für einen Islamunterricht, der nicht nur unter staatlicher Aufsicht steht, sondern auch die Interessen der Muslime berücksichtigt.
Dabei geht es nicht allein um die Anerkennung muslimischer Kultur in Deutschland, sondern auch um eine Gleichstellung der Religionen: Bisher muss noch ein Großteil der muslimischen SchülerInnen auf Islamunterricht verzichten. Für das Jahr 2019 ist das aber inakzeptabel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland