Berlinale „The Operative“: Der Mossad wars
Yuval Adlers Thriller über eine vom Mossad angeworbene Agentin erfüllt jedes antiisraelische Klischee. Bemerkenswerter Murks.
Dem israelischen Geheimdienst Mossad haftet ein gerade zu legendärer Ruf an. Von Freund und Feind verachtet wie bewundert, werden ihm geradezu übermenschliche Kräfte nachgesagt. Das ist nicht nur im Nahen Osten so, wo er wegen seiner Schlagkraft besonders gefürchtet ist.
Weltweit glauben Verschwörungstheoretiker aller Couleur daran, dass von der Botschaftsbesetzung in Iran 1979 bis zu den Terroranschlägen auf die USA im September 2001 nur eine Kraft dahinter stecken kann. Genau, Sie wissen's schon.
In Yuval Adlers Spielfim „The Operative“ (Die Agentin) geht die Story nun so: In Deutschland wird eine junge Frau, Rachel (Diane Kruger) vom Mossad angeworben. Sie wird als Englischlehrererin nach Teheran geschickt und auf einen iranischen Geschäftsmann angesetzt. Über ihre Verbindung will der Mossad dem iranischen Atomprogramm schaden.
So weit, so gut. Doch gleich zu Beginn dieses in glattester Mainstream-Ästhetik gedrehten Films passieren im biederen Anwerbeland Deutschland krasseste Handlungen. Damit Rachel – sie kann nur „einen Halbjuden“ als Vater im Stammbaum vorweisen – glaubhaft in der „Organisation“ (dem Mossad also) rüberkäme, muss sie laut den Versen im Drehbuch an einem satanischen Attentat in Deutschland teilhaben.
11. 2., 10.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele
11. 2., 12 Uhr Friedrichstadt-Palast
11. 2., 22.30 Uhr Kino International
Klar, der Mossad geht über Leichen
Wie das der Mossad nun so macht, liquidiert er hier in Gestalt von Rachel und einem israelischen Agenten in Köln einen deutschen Waffendealer und dessen Leibwächter. Eine zufällig hinzugekommene Passantin wird ebenfalls kaltblütig per Kopfschuss ermordet. Klar doch, der Mossad geht über Leichen und hinterlässt keine Zeugen.
Und weiter geht es mit dieser Räuberpistole. Rachel, mit einer Biografie von größerer Labilität ausgestattet als ihre israelische Agentenführer in Leipzig (Vorsicht liebe Sachsen, die Israelis sind unter Euch!) vermutet hatten, verliebt sich gleich ein klein wenig in den Iran, aber vor allen Dingen in Farhad (Cas Anvar), jenen Unternehmer, auf den sie in Teheran angesetzt ist.
Oder besser gesagt: Rachel soll Farhad verführen, aber tatsächlich verführt Farhad Rachel, oder die beiden sich gegenseitig. Jedenfalls kann die Agentin seinem Charme nicht widerstehen. Und logisch, gerät damit in Konflikt mir ihren israelischen Auftraggebern.
Man ahnt es, wir befinden uns ja im Genre des Agentenfilms. Rachel läuft aus dem Ruder, Gefühle machen bekanntlich blind. Die Frau bewegt sich mehr und mehr in Richtung einer Doppelagentin. Nicht ohne selber zuvor in Teheran kaltblütig zu morden. Ausgerechnet den zuvor so warmherzig dargestellten Portier aus der Unterschicht. Dem verpasst sie, ganz die weiße Herrenmenschin, heimtückisch einen Stich in den Nacken.
Regisseur Yuval Adler lässt in diesem B-Movie tatsächlich wenig aus. Seine Rachel wird auch noch Bomben ins Land schmuggeln, die die israelischen Agenten im Talibanstil an belebten Orten platzieren und hochgehen lassen. Und logo, ohne US-Sanktionen wäre das alles nicht passiert, so die stupenden Dialog-Botschaften dieses Meisterwerks.
Dann wäre Rachel auch nicht von mit Israelis zusammenarbeitenden kurdischen Schmugglern vergewaltigt worden. Und so weiter und so fort. Alles klar, alles wahr. Bemerkenswert ist weniger, dass Adler einen in jeder Hinsicht schlechten Film gedreht hat. Bemerkenswert ist, dass man es mit so einem Murks 2019 auf ein renommiertes Festival schafft.
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