Streit über italienischen Staatshaushalt: Italien kontert EU mit Häme
Drei Wochen hat Rom Zeit, beim Haushaltsentwurf nachzubessern. Doch die italienische Regierung setzt lieber auf Konfrontation.
„Voller Bedauern“ stelle sich die EU gegen Italien, doch „die italienische Regierung verletzt offen die gegenüber sich selbst und den anderen Ländern eingegangenen Verpflichtungen“, sagte Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis. Die Eurozone gründe auf Vertrauen, „mit Regeln, die für alle gleichermaßen gelten“, und alle Staaten nähmen Schaden, „wenn das Vertrauen ausgehöhlt wird.“
Hauptärgernis für die EU-Kommission ist das von Italien für 2019 angepeilte Defizit von 2,4 Prozent des BIP. Die Vorgängerregierung hatte noch 0,8 Prozent angesetzt. Die Kommission bot in den letzten Wochen als möglichen Kompromiss 1,6 Prozent an. Doch die Regierung der beiden Anti-Establishment-Parteien Movimento 5 Stelle und Lega braucht die 2,4 Prozent, um zentrale Wahlversprechen zu finanzieren. Dazu zählen etwa die Einführung einer Grundsicherung, die Kürzung des Renteneintrittsalters und mehr öffentliche Investitionen.
Auch jetzt, nach dem Brief aus Brüssel, bleibt die Fünf-Sterne-Lega-Koalition unbeirrt. Der parteilose Regierungschef Giuseppe Conte erklärte: „Wir schreiten voran in der Überzeugung, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.“ An den 2,4 Prozent werde „nicht gerührt“. Weit ruppiger reagierte Angelo Ciocca, Europaparlamentarier der Lega, der auf der Pressekonferenz der EU-Kommissare Dombrovskis und Pierre Moscovici die Notizen Moscovicis mit seinem Schuh traktierte und dann erklärte, er habe „den Lügen Moscovicis einen Tritt versetzt“.
Salvini will der EU nicht entgegenkommen
Der EU-Wirtschaftskommissar Moscovici bezeichnete Ciocca als Provokateur und Faschisten. Zwar ging der starke Mann der Lega, Rechtspopulist Matteo Salvini, zu dieser Aktion, auf Abstand. Doch auch er ist auf Konfrontationskurs. „Das Negativurteil der EU ändert nichts“, sagte Salvini, „die Herren der Spekulation“ hätten keine Chance, „kein Schritt zurück“ sei in Aussicht.
Auch von den Fünf Sternen waren gleiche Töne zu vernehmen. Es sei klar, dass der Haushaltsentwurf der EU-Kommission nicht gefalle, erklärte der Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio, der genauso wie Salvini dem Kabinett Conte als Vizepremier angehört. „Zum ersten Mal“ sei das Haushaltsgesetz „in Rom, nicht in Brüssel geschrieben“ worden. Gewiss, Italiens Regierung werde die Gespräche mit der Kommission „voller Respekt“ führen, verlange aber gleichen Respekt für das italienische Volk. Italiens Regierung werde jedenfalls „erhobenen Hauptes weiter zum Wohl der Bürger arbeiten“.
Bei dieser Arbeit könnte sich jedoch der Konflikt mit der EU störend auswirken, weniger wegen des möglichen Vertragsverletzungsverfahrens als wegen der Konsequenzen auf den Märkten. Italiens Finanzminister Giovanni Tria selbst hatte das Problem schon im September benannt: „Es ist unnütz, im Haushalt nach 2 oder 3 Milliarden zu suchen, um Reformen zu finanzieren, wenn wir wegen eines größeren Spread an den Finanzmärkten 3 oder 4 Milliarden verlieren.“
Bonität Italiens erneut herabgestuft
Eben dieses Schicksal droht Italien nun. Der Spread – der Zinsabstand zwischen italienischen und deutschen Staatsschuldverschreibungen mit zehnjähriger Laufzeit – liegt jetzt schon bei über 3 Prozent. Während Deutschland zu 0,4 Prozent Schulden machen kann, muss Italien 3,5 Prozent Zinsen anbieten. Höhere Zinsen müssen aber auch Unternehmer und Verbraucher für Kredite aufbringen. Hinzu kommt, dass Italiens Banken dank der niedrigeren Bewertung der italienischen Bonds, die sie halten, an Eigenkapital einbüßen – und deshalb weniger Kredite vergeben können.
Die Ratingagentur Moody’s hat auf diese Situation am Wochenende schon mit einer weiteren Herabstufung der Bonität Italiens reagiert und stufte zu Wochenanfang auch noch die Kreditwürdigkeit von zwölf Banken und mehreren Großkonzernen des Landes herunter; sie alle liegen jetzt nur noch eine Stufe über Ramschniveau.
Zunehmend unglaubwürdig wird damit auch die rosige Erwartung der italienischen Regierung, im nächsten Jahr werde es 1,5 Prozent Wachstum geben: Die Negativeffekte des Konflikts mit Brüssel drohen alle potenziellen Positiveffekte eines expansiven Haushalts zu neutralisieren.
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