Rechtspopulismus in Österreich: Traum vom Einmarsch in Afrika
Ein FPÖ-Abgeordneter halluziniert über die gewaltsame Einrichtung von Anlandeplattformen für Flüchtlinge in Libyen. Vizekanzler Strache wiegelt ab.
Der Vorarlberger Oberst der Reserve und Nationalratsabgeordnete hatte in einem Interview mit Vorarlberger Online-Zeitung Neue am Sonntag über die praktische Umsetzung der von mehreren Politikern angedachten „Anlandeplattformen“ auf afrikanischem Territorium geplaudert. Selbst in der ÖVP, die sonst die Worteskapaden des Koalitionspartners am liebsten unkommentiert lässt, zeigt man sich darüber beunruhigt.
Dem Sturm der Empörung von Seiten der Opposition begegnete Bösch zunächst mit der Erklärung, er sei falsch verstanden worden: eine legal eingerichtete Plattform sei auch militärisch abzusichern. Nichts anderes habe er gesagt. Die Redaktion legte daraufhin die Tonaufnahme des Interviews vor.
Auf die Schwierigkeiten, mit einer instabilen libyschen Regierung ins Geschäft zu kommen, hingewiesen, führte er wörtlich aus: „Und wenn das nicht funktioniert, dann ist das auch nach meiner Auffassung mit verschiedensten militärischen und polizeilichen (Mitteln) einfach durchzuführen. Also einen Raum in Besitz zu nehmen vonseiten der Europäischen Union, ihn zu sichern, dort auch Versorgungseinrichtungen für diese Menschen einzurichten und dann diese Menschen zurückzubringen in ihre Heimatländer.“ Im Klartext: EU-Truppen sollten in Libyen einmarschieren und ein solches Lager gewaltsam einrichten.
Ungeschickt formuliert
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache versuchte den martialischen Plan als „ungeschickt formulierten Diskussionsbeitrag“ schön zu reden und erhielt indirekt Rückendeckung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der jede Stellungnahme mit der Begründung ablehnte, dass Bösch weder seiner Partei noch seiner Regierung angehöre: „Insofern ist er auch nicht meine Angelegenheit“.
Anders Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, die diese Sprachregelung offenbar noch nicht übermittelt bekommen hatte, als sie am Mittwoch vor dem Ministerrat angesprochen wurde. „Er sollte dahingehend schleunigst Stellung nehmen“, ließ sie Reinhard Bösch ausrichten.
Beunruhigend sind Kommentare in den sozialen Medien, die am Einsatz kriegerischer Mittel nichts Schlechtes finden können, wenn es darum gehe, Flüchtlinge von Europa fernzuhalten. In jedem Fall gelingt es der FPÖ aber ständig, mit ihrem Leib- und Magenthema Migration/Asyl Stimmung zu machen, gerne auch mit falschen Fakten.
So hatte FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus jüngst „aufgedeckt“, dass der Verfassungsschutz gegen einen „Vorzeigeasylwerber“ wegen Terrorismusverdachts ermittle. Es stellte sich heraus, dass Gudenus den Afghanen selbst angezeigt hatte, weil der einen afghanischen Ableger der libanesischen Hezbollah auf Facebook „geliked“ haben soll.
Allerdings handelt es sich nicht um den bestens integrierten Lehrling, den Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Grüne Landesrat Rudi Anschober kürzlich besucht hatten. Verwechslung oder Absicht? Gudenus gibt Anschober die Schuld. Den falschen Namen habe er von dessen Website.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung