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Neues Gesetz in UngarnHilfe für Flüchtlinge jetzt strafbar

„Beihilfe zur illegalen Migration“ ist nun in Ungarn ein Verbrechen. Was genau sich hinter dem Begriff verbirgt, ist nicht so klar. Wohl aber, was Orban erreichen will.

Nicht nur für Flüchtende, auch für Menschen, die ihnen helfen wollen, wird es finster in Ungarn Foto: dpa

Budapest dpa | In Ungarn steigt der Druck auf Zivilorganisationen, die Flüchtlingen helfen. Mit den Stimmen der rechtsnationalen Regierungsmehrheit und der rechtsradikalen Jobbik-Partei verabschiedete das Budapester Parlament am Mittwoch ein Gesetz, das strafrechtliche Konsequenzen für „Beihilfe zur illegalen Migration“ vorsieht. Die im Gesetz enthaltene Änderung des Strafgesetzbuchs sieht für Zuwiderhandelnde Arreststrafen sowie im Wiederholungsfall Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr vor.

Flüchtlingshelfern kann künftig auch der Zutritt zu einem acht Kilometer breiten Streifen entlang der Schengen-Außengrenze Ungarns untersagt werden. Das Gesetzespaket, das auch als „STOP-Soros-Paket“ bezeichnet wird, fügt sich in die Politik von Ministerpräsident Viktor Orban ein, Nichtregierungsorganisationen (NGO) die Arbeit zu erschweren.

Die Bezeichnung „STOP Soros“ spielt auf den liberalen US-Milliardär George Soros an, der weltweit NGO unterstützt, darunter auch solche, die Flüchtlingen mit Sachspenden, Informationen und Rechtsbeistand helfen. Bereits seit dem Vorjahr gilt ein Gesetz, das allen NGO, die jährlich mehr als 23 000 Euro Förderung aus dem Ausland erhalten, vorschreibt, sich in Publikationen und Internet-Auftritten als „vom Ausland unterstützte Organisation“ zu bezeichnen.

Das am Mittwoch beschlossene Gesetz kriminalisiert NGO-Mitarbeiter und Aktivisten, die solchen Menschen Zugang zu einem Asylverfahren verschaffen wollen, die in ihrem Herkunftsland oder irgendeinem Land auf ihrem Weg nach Ungarn keiner Verfolgung ausgesetzt sind. Insbesondere macht sich in diesem Zusammenhang strafbar, wer „Informationsmaterialien anfertigt, verbreitet oder in Auftrag gibt“ und wer diesbezüglich „ein Netzwerk aufbaut oder betreibt“.

Auch CDU protestierte gegen Strafsteuer

Bereits der Entwurf des Gesetzes war im In- und Ausland kritisiert worden. „Wie kann man von jemandem noch vor Durchführung eines Asylverfahrens wissen, dass er nicht schutzberechtigt ist?“, meinte der Budapester Völkerrechtler Boldizsar Nagy. Jemanden zu betrafen, weil er jemandem den Zugang zu einem Asylverfahren ermöglichen will, sei deshalb unsinnig.

Die Venedig-Kommission des Europarates hatte Ungarn noch am Montag dazu aufgefordert, das Gesetz noch nicht am Mittwoch zu beschließen. Das Gremium angesehener Rechtsexperten will am Freitag sein eigenes Gutachten zu dem Gesetz veröffentlichen.

In einer früheren Version des Gesetzesentwurfs war eine Strafsteuer für Flüchtlingshilfe-Organisationen in Höhe von 25 Prozent auf ihre aus dem Ausland erhaltenen Förderungen vorgesehen. Diese Bestimmung verschwand nach internationaler Kritik, darunter aus der deutschen CDU, aus dem Gesetzestext. Doch wie am Dienstag bekannt wurde, ist die NGO-Strafsteuer nun Bestandteil einer Steuergesetznovelle, die demnächst beschlossen wird.

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9 Kommentare

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  • Pabst Franziskus hat alle kath. Gemeinden aufgefordert, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Werden diese Gemeinden jetzt auch verfolgt? Wird die kath. Kirche in Ungarn bald verboten, weil sie sich um Flüchtlinge kümmert?

  • Wenn es noch irgendeines Beweises bedurfte, dass Orbans rechtsnationale Regierung längst im Fahrwasser von Antisemiten (Anti-Soros-Hetze!) und anderen Menschenfeinden agiert, dann ist es dieses Gesetz.

     

    Längst haben Rhetorik und Diktion die rechtsextremen Hassbilder der sog. Identitären übernommen mit denen NGOs und deren Mitarbeiter europaweit diffamiert & attackiert werden. Ich würde mich nicht wundern, wenn Sellners Nazihipster demnächst dem FPÖ-Innenminister oder einer ihrer AfD-Fraktionsmitarbeiter einen gleichlautenden AfD-Gesetzesantrag im Bundestag vorformulieren, stets durch Kubitscheks Rhetorikseminare ge-brieft, damit’s auch grammatikalisch nicht zu sehr dahingestammelt wirkt.

     

    „AfD wirkt!“ Putins Vorreitergesetz mit dem sich NGOs in Russland als „ausländische Agenten“ registrieren lassen müssen, ebenfalls.

     

    Man schaue sich mal die Reaktionen in deutschen Online-Foren an, wenn sich beispw. Pro-Asyl kritisch zur aktuellen Politik zu Wort meldet.

     

    Da ergießt sich der geballte Hass des braunen Dunkeldeutrschlands in Minutenschnelle. Die Möchtegern-Demokraten der AfD offenbaren da in Reinkultur, was sie von freier Meinungsäußerung halten und wie mit in ihren Augen „undeutschen“ Organisationen zu verfahren ist.

  • Für Deutschland wäre das Gesetz eine Katastrophe. Das würde zu Spitzeleien unter Nachbarn und zu massenhaften anonymen Anzeigen führen, Fräulein X. hätte einen verdächtigen Südländer bei sich wohnen. Auch wenn jemand nur nicht angemeldet ist, kann das in Deutschland schon heute 1000 Euro Strafe kosten.

     

    In Ungarn, das seine Grenzen geschlossen und seine Internierungslager nach dem Geflüchteten-Exodus gen Westen geschlossen hat, wird das Gesetz wohl nicht viel bewirken.

  • Warum schmeißt man die Ungarn nicht aus der EU?

    Ach ja, wirtschaftliche Interessen. Da ist Humanität sekundär!

    • @Jakob Cohen:

      Weil das nicht so einfach geht. Erstmal ist es richtig, nicht jedes Land sofort für jeden Ausrutscher zu Bestrafen, damit erschwert man sich nur eine gute Zusammenarbeit in einer Post Orban Zeit. Außerdem wäre das ein ewiges hin und her, wenn ein Land mal für 4 Jahre wegen eines Kritischen Präsidenten rausgeschmißen wird, dann aber wider nach 4 Jahren darf, ... .

      Die andere Sache ist, dass das EU Recht für Strafmaßnahmen leider noch nicht weit genug ausgebaut ist. Gegen Ungarn läuft der Zeit ein verfahren, was für Ungarn zu ernsten Problemen führen könnte, würde es nicht an Polens Veto scheitern.

      Wirtschaftliche Interessen kann ich aber an der beibehaltung Ungarns in der EU aber nicht sehen, ganz im Gegenteil, Ungarn kostet der EU, glaub ich, mehr als dass sie in die EU einzahlen, und Ungarn ist jetzt auch nicht so dass Spielfeld für europäische Unternehmen, so das hier eher Juristische Ursachen als Wirtschaftliche zu suchen sind.

    • @Jakob Cohen:

      Und weil alle anderen Mitgliedsstaaten bereits ähnlich verseucht von Faschismus sind.

      • @Hampelstielz:

        'Alle anderen ähnlich verseucht?'

        Seit dem Putin die rechten in europa unterstützt gibt es zwar schon ein massives erstarken, aber entweder haben sie keine vorstellung von den verhältnisen in ungarn oder von den in europa, aber wir können sehr froh sein, dass die mehrheit der europäischen regirungen und damit auch der komision das erstarken der Rechten besonders in Osteuropa, aber auch in zentraleuropa mit wachsender besorgnis sieht.

      • @Hampelstielz:

        So ist es. Humanität ist mittlerweile in Europa eine absolute Minderheitsposition. Tendenz weiter schrumpfend.

  • Ich gebe mich schon lange nicht mehr der Illusion hin, dass eine Wende vom europaweiten strammen Rechtskurs stattfinden wird.

    Niemand wird in Deutschland auf die Straße gehen und für Abhilfe sorgen, meine vielen Gesprächen mit Kollegen und Kunden zeigen mir, dass die Ahnungslosigkeit so dramatisch verwurzelt ist, dass die Leute zu spät aufwachen werden.