Die CSU und Flüchtlingszahlen: Unionsbruch für einen Klacks
Die CSU will Geflüchtete an der Grenze zurückweisen. Es geht um wenige Tausend Fälle im Jahr, für die sie Koalition und Union aufs Spiel setzt.
V or wenigen Jahren sprach nur die rechtsextreme NPD von „Asyltourismus“. Über die AfD ist der Begriff inzwischen auch im Tweet von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gelandet, dessen CSU bislang den rechten Rand des demokratischen Spektrums in der deutschen Parteienlandschaft bildete. Die CSU steigt mit einer heftigen Rhetorik in den Konflikt mit ihrer Schwesterpartei CDU und der Bundeskanzlerin ein. Dabei geht es ihr vor allem darum, dass Geflüchtete in Zukunft an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden sollen.
Um es kurz zu machen: Was die CSU macht, ist gefährlich. Für den symbolischen Kampf um eine winzige Fallzahl normalisiert sie rechtsextreme Rhetorik in Deutschland – eine Taktik, die bislang nur die AfD fuhr, deren vielfältige Kontakte in die rechtsextreme Szene inzwischen immer deutlicher herausgarbeitet werden.
Zu den Fakten: Es kommen monatlich nur rund 15.000 Menschen in Deutschland an – jährlich weniger als die 200.000, die die CSU im Wahlkampf als „Obergrenze“ gefordert hat. Und im gesamten Jahr 2017 wurden nur 15.000 Asylanträge direkt an den Grenzen Deutschlands gestellt. An denen hat sich die CSU festgebissen, diese Geflüchteten will sie zurückweisen.
Für solch einen Klacks riskiert sie offenbar einen Koalitionsbruch und vielleicht sogar einen historischen Bruch mit der CDU. Für ihn will sie rechtstaatliche und menschenrechtliche Prinzipien opfern. Und für ihn einer ihrer Spitzenpolitiker die Wortwahl von Rechtsextremisten.
Auch wenn AfD und CSU – und die rechtsextreme Meute, die wegen ihnen jetzt Morgenluft wittert – was anderes behaupten: Es kommen inzwischen weniger Flüchtlinge nach Deutschland, Tendenz sinkend. 2015 war ein deutlicher Ausreißer in der Zahl der nach Deutschland geflohenen Menschen, mit 890.000 Angekommenen – angesichts der Kriege im Nahen Osten ist das keine dramatische Zahl. Sowohl 2014 als auch 2016 war die Zahl deutlich geringer.
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Dabei bleiben viele Flüchtlinge gar nicht unbedingt in Deutschland. Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland steigt weit weniger als die Zahl der Ankünfte – aus vielen Gründen: Rück- und Weiterreisen, Abschiebungen, aber auch weil Menschen ein regulärer Aufenthalt in Deutschland gewährt wird. So kamen 2017 187.000 Asylsuchende in Deutschland an, die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland stieg dagegen nur um gut 80.000.
Von den 187.000 Einreisenden im Jahr 2017 stellten lediglich rund 15.000 ihren Antrag an einer deutschen Außengrenze, über die deutsch-österreichische Grenze kamen nur 1.740. Seit 2015 kontrolliert Deutschland an dieser Grenze die ankommenden Menschen und will das auch bis mindestens Ende diesen Jahres weiter tun.
Auch die immer wieder kursierende Behauptung, Merkel habe jahrelang nicht gehandelt und die implizite Annahme, nichts habe sich verändert, ist falsch. Seit dem umstrittenen Deal der EU mit der Türkei und spätestens seit 2017 ist die Zahl der monatlichen Asylanträge auf dem Niveau von vor 2015 angekommen. An dem Deal gibt es aus menschenrechtlicher Sicht viel zu kritisieren, doch die Kritik der CSU, für die Geflüchtete offenbar alleine als zu begrenzende Zahl existieren, hat weder Hand noch Fuß.
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Als Innenminister muss Horst Seehofer diese Zahlen kennen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist seinem Ministerium zugeordnet. Er muss wissen, dass die von ihm geforderte „Obergrenze“ für Flüchtlinge nicht überschritten wird – im vergangenen Jahr tatsächlich nicht, dieses Jahr voraussichtlich nicht. Er muss wissen, dass nur noch wenige Flüchtlinge nach Deutschland kommen und dass gerade Merkels Handeln diese Zahl reduziert hat. Und doch erweckt er öffentlich den falschen Eindruck. Wissentlich.
Das kann nur eines heißen: Erstens, um Fakten über Geflüchtete geht es nicht. Zweitens, Seehofer und die CSU nutzen eine bürokratische Lappalie als Anlass, um eine jahrzehntelange politische Kooperation und die Menschenrechte aufs Spiel zu setzen. Und drittens, sie betreiben dabei Hetze, die es früher nur von Rechtsextremen gab.
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