Kolumne Right Trash: Ein Diskurs zum Würgen
Rechte Medien und Twitterer sind nicht an einem Diskurs interessiert. Sie in Massen zu blocken, wie es Jan Böhmermann empfiehlt, ist nicht totalitär.
I ch bin von der AfD auf Twitter geblockt worden. Wenn ich beispielsweise die Tweets von Alice Weidel, Beatrix von Storch oder Alexander Gauland lesen will, geht das nicht. Ebenso nicht, wenn ich dem Twitter-Account „AfD im Bundestag“ folgen möchte oder zahlreichen anderen, unwichtigeren AfD-Accounts. Zwar twittere ich öfter kritisch über die AfD, aber interagiert habe ich mit all diesen Konten noch nicht – wie kommt es, dass ich von so vielen geblockt wurde? Weil die AfD wahrscheinlich mit Blocklisten arbeitet.
Seit gut einer Woche sind rechte bis rechtsextreme InfluencerInnen auf Twitter in Aufruhr, weil seitdem eine andere Blockliste kursiert: Jan Böhmermanns Redaktion hat mehr als 1.000 Konten zusammengetragen, die entweder Bezüge zum rechten Netzwerk „Reconquista Germanica“ haben oder zumindest „rechte Trolle“ sein sollen – darunter auch AfD-Bundestagsabgeordnete und rechte PublizistInnen wie Roland Tichy. Die Listen werden unter einem Youtube-Video als in Twitter importierbare Blocklisten angeboten. Seitdem prahlen rechte TwittererInnen wahlweise damit, dass sie auf der Liste sind, oder beschweren sich über „Stasi 2.0“.
Eine ähnliche These vertritt auch der Zeit-Autor Jochen Bittner: Er vergleicht die Böhmermann-Aktion mit dem Orwell-Roman 1984, mit dem Vorgehen von Erdoğan-Freunden und US-Präsident Donald Trump, spricht von einem totalitären Trend und von totalitärem Denken und vom Abwürgen des Diskurses. Es ist eine steile These, die schlicht falsch ist, denn der Autor hat weder den Totalitarismus noch die Meinungsfreiheit verstanden – und auch nicht, dass es rechten Medien und InfluencerInnen nicht um einen Diskurs geht.
Oder um es anders zu sagen: Es ist das gute Recht der AfD, Blocklisten anzulegen. Es ist lächerlich und inkonsequent von einer Partei, die sonst von „Freiheit“ und „Mut zur Wahrheit“ spricht – aber wenn sie sich von mir genervt fühlt, kann sie mich gerne ignorieren. Dass die AfD Blocklisten anlegt, ist nicht der Grund, warum die AfD totalitär ist.
Dass Böhmermann es Menschen einfach ermöglicht, rechten Müll auf Twitter nicht sehen zu müssen, ist ebenfalls nicht totalitär – eher im Gegenteil: Es ist Abwehr gegen eine seit Monaten und Jahren andauernden rechten Propagandakampagne.
Die Freiheit einer Demokratie
Wenn die 1968er zum Boykott des Springer-Verlages aufriefen und anschließend ihr Leben lang keine Bild-Zeitung mehr kauften, war dies nicht totalitär, sondern Teil der Freiheit einer demokratischen Gesellschaft. Wenn heute „besorgte Bürger“ zu einem taz-Boykott aufrufen würden und anschließend kein Neonazi deutschlandweit eine taz kaufen würde, wäre dies auch kein totalitärer Trend. Es ist nicht mal besonders abwegiges Verhalten auf einem freien Markt. Meinungsfreiheit ist eben Äußerungsfreiheit, nicht das Recht, gehört zu werden. Und das gilt auch auf Twitter: Wenn Tausende Leute bestimmte Inhalte nicht rezipieren wollen und sich dabei gegenseitig unterstützen, ist das ihr Recht.
Als Grundrecht richtet sich die Meinungsfreiheit auch vor allem an den Staat. Der Staat darf nicht in die freien Meinungsäußerung der BürgerInnen eingreifen – weshalb es ein Problem ist, wenn der türkische Präsident Oppositionelle in den Knast steckt und es duldet, wenn seine Unterstützer eine passende Kampagne fahren. Ebenso problematisch ist es deshalb, wenn der US-Präsident seine Öffentlichkeit auf Twitter nutzt, um gegen die Medien zu hetzen. Diese Konstellation, dass Staatsoberhäupter sich einmischen, ist es, die Erdoğan und Trump autoritär macht.
Worum geht es aber bei den Listen, die Jan Böhmermann offenbar hat anfertigen lassen? Ich habe einen guten Teil des vergangenen Jahres damit verbracht, rechte Publizistik von Cicero über Compact bis „PI News“ auszuwerten und dabei den automatisierten Twitter-Account „DieRechteBlase“ angelegt, der mehrere hundert rechte Twitterkonten auswertet und jene Texte aus regulären Medien twittert, die dort besonders beliebt sind.
Viele der größeren Konten, die auf Böhmermanns Liste stehen, stehen auch auf der Liste von „DieRechteBlase“. Sie stehen ebenfalls auf der Liste von Netzpolitik und Tagesspiegel, die AfD-UnterstützerInnen auf Twitter identifizierten und auf der Liste des Journalisten Michael Kreil, der Twitterkonten identifiziert hat, die Falschmeldungen verbreiten. Es gibt also eine große Überschneidung zwischen den Twitterblasen, die Falschmeldungen verbreiten, sich zu Hassposts verabreden und die AfD unterstützen – auch wenn das nicht für jeden einzelnen Account gilt.
Es gibt von rechts keinen Diskurs
Bei rechten bis rechtsextremen Medien wie Compact, Junge Freiheit oder „PI News“ gilt: Sie sind keine Vollmedien, die ausführlich und ausgewogen über Nachrichten berichten. Im Gegenteil: sie haben eine deutliche Agenda. Kernthemen sind die Gegnerschaft zum „Establishment“, Opposition zu linken Parteien, insbesondere den Grünen, Ablehnung von Einwanderung, insbesondere Ablehnung von Flüchtlingen und „Kritik“ am Islam. Und wenn es so etwas wie ein Schwarzbrot dieses rechten Journalismus gibt, dann ist dieses Kriminalität von nicht-weißen Menschen.
Man kann das Prinzip auf den Punkt bringen: Seit Silvester 2015/2016 sind Angriffe auf Frauen ein wichtiges Thema am rechten Rand, seit der Debatte um Paragraf 219a ist auch der Schutz ungeborenen Lebens ein wichtiges Thema, Gewaltkriminalität ist sowieso ein Dauerbrenner. Und dennoch war der Angriff auf eine schwangere Frau in Wurzen keinem einzigen rechten Medium keine einzige Meldung wert. Warum? Sie stammt aus Eritrea und ihre Angreifer sind vermutlich Neonazis. In der rechten Agenda können Schwarze nur kriminell sein, nicht von Kriminalität betroffen. Und bei allen Bekenntnissen, dass man Linksextremismus genauso schlimm finde wie Rechtsextremismus, gilt auch: Für rechte Medien ist Rechtsextremismus selten eine Meldung wert.
Bei seiner Analyse von FalschmeldungsverbreiterInnen beobachtete Michael Kreil außerdem ein interessantes Phänomen: Die rechten TwittererInnen folgten alle Konten, die auch die Richtigstellungen der Falschmeldungen verbreitet hatten. Sie waren also in der Lage zu wissen, dass eine Meldung falsch gewesen war – aber sie verbreiteten die Richtigstellung nicht weiter. Offenbar gab es also ein Interesse daran, die Falschmeldung unkorrigiert zu lassen.
Auch das zeigt: Es gibt hier keinen Diskurs, der angestrebt wird, keine Position, die diskutiert oder gesucht wird, kein Abrücken von vorgefertigten Meinungen. Man kann ihn deshalb auch nicht – wie Jochen Bittner es postuliert – „abwürgen“.
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