NSU-Prozess, Folge 417: Schlussplädoyers verschoben

André Eminger hat einen neuen Anwalt und Richter Götzl soll mal wieder befangen sein. Letzterem fällt es sichtlich schwer, die Contenance zu bewahren.

Drei Bundesanwälte im Gerichtssaal

„Verwirrte Prozessdestruktion“: Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten (rechts) ist genervt Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Man muss es sich zur Sicherheit noch einmal in Erinnerung rufen: Es geht hier im Sitzungssaal A 101 des Landgerichts München um zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Denn was sich hier am Vormittag des 417. Verhandlungstages des NSU-Prozesses abspielt, vermittelt zunächst kaum das Bild einer ernsthaften Veranstaltung.

Nach rund fünf Jahren Prozessdauer soll an diesem Morgen die Verteidigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe beginnen. Eigentlich. Stattdessen dominiert zunächst ein gänzlich neuer Akteur das Prozessgeschehen: Daniel Sprafke. Der Anwalt soll künftig die Verteidigung von André Eminger übernehmen, nachdem der das Vertrauen in seinen früheren Wahlverteidiger und seine beiden Pflichtverteidiger verloren hat. Eminger gilt als enger Vertrauter des NSU-Trios und soll beispielsweise ein Wohnmobil für die Terroristen besorgt haben.

Sprafke fordert nun mehrfach eine Unterbrechung des Verfahrens, zunächst um zwei Stunden, dann bis zum Mittwoch um 12 Uhr. Er wolle mit seinem Mandanten über mindestens drei Befangenheitsanträge beraten.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten bezeichnet sein Vorgehen als „verwirrte Prozessdestruktion“. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl lehnt die Anträge des Anwalts gleich mehrfach, jedes Mal nach kürzeren Unterbrechungen ab.

Prozessuales Hin und Her

Als Richter Götzl schließlich Borchert bitten will, mit seinem Schlussvortrag zu beginnen, meldet sich Wolfgang Stahl, einer der Pflichtverteidiger Zschäpes, zu Wort und fordert nun seinerseits eine Unterbrechung. Angesichts der vorangeschrittenen Zeit und der drohenden Ablehnungsanträge Sprafkes würden die Schlussvorträge auseinandergerissen.

Ein Anwalt eines weiteren Angeklagten schlägt dann vor, das Verfahren gegen Eminger abzutrennen, dessen Pflichtverteidiger beschwert sich, dass er auf der Leinwand zu sehen ist, mittels derer die Zuschauer auf der Empore auch den hinteren Teil des Sitzungssaals einsehen können. Und Bundesanwalt Herbert Diemer wendet ein, die Anklage habe ihr Plädoyer auch unterbrechen müssen, worauf ihr von einem Verteidiger vorgehalten wird, sie habe ohnehin nur „ohne Plan und Abstimmung vor sich hin plädiert“. Richter Götzl hat sichtlich Mühe, seine Contenance zu bewahren.

Während der Mittagspause schließlich geht schon mal ein Befangenheitsantrag gegen ihn ein. Die Verhandlung wird noch mehrfach unterbrochen, zuletzt bis Mittwoch, 12 Uhr. Dann soll endlich das Plädoyer beginnen. Oder auch nicht.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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