Kommentar Türkei-Sanktionen: Nebenwirkungen inklusive
Außenminister Gabriel kündigt eine Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik an. Aber reicht das, um Erdoğan zur Mäßigung zu bewegen?
E s ist richtig, dass Außenminister Sigmar Gabriel eine „Neuausrichtung“ der deutschen Türkei-Politik angekündigt hat. Es war überfällig, dass er die Menschenrechtsverletzungen endlich klar benannt hat. Es war unausweichlich, darauf hinzuweisen, dass Reisen in die Türkei derzeit grundlos ins Gefängnis führen können. Auch Gabriels Warnung vor Investitionen in Erdoğans Willkürstaat dürfte zu Verlusten für die türkische Wirtschaft führen. Aber reicht das?
Das wichtigste Ziel muss jetzt die Verbesserung der Situation in der Türkei sein – für die akut bedrohten Oppositionellen und die politischen Gefangenen mit türkischen und deutschen Pässen. Im Vergleich dazu ist die Frage, ob Sanktionen auch der deutschen Wirtschaft schaden könnten, zweitrangig. Alles ist zu begrüßen, was Demokratie und Rechtsstaat in der Türkei stärkt.
Ganz offensichtlich ist es mit den bisherigen Ermahnungen nicht gelungen, Erdoğan zur Mäßigung zu bewegen. Was liegt da näher, als endlich auf den Tisch zu hauen, knallharte Maßnahmen zu ergreifen und den türkischen Präsidenten so zum Einlenken zu zwingen? Ach, wäre es doch nur so einfach. Zur Ehrlichkeit gehört leider: Niemand kann voraussagen, was Erdoğan wirklich schwächt. Wirtschaftlich lässt sich das vielleicht halbwegs berechnen, politisch aber nicht. Wer weiß, ob sich die meisten Türken nach schmerzhaften Sanktionen von Erdoğan abwenden – oder ob sie seiner Hetze gegen den Westen dann erst recht folgen?
Wer drastische Sanktionen fordert, darf die Risiken und Nebenwirkungen nicht verschweigen. So schlimm die Lage ist: Es kann auch noch schlimmer kommen. Stichwort Todesstrafe. Einfach mal ausprobieren, was nach einem kompletten Bruch mit Ankara passiert, wäre fahrlässig – mit Blick auf die Gefangenen, aber auch mit Blick auf die deutschtürkische Community.
Es ist ein schmaler Grat. Gabriel und Merkel müssen weiter Druck auf Erdoğan ausüben, aber aufpassen, dass die berechtigte Kritik nicht wie im Fall Böhmermann mit rassistischem Türken-Bashing vermischt wird. Sie müssen Erdoğan deutlich machen, dass seine Menschenrechtsverletzungen Konsequenzen für ihn haben – und gleichzeitig immer auch Rückwege zur Zusammenarbeit offen halten. Die Tür zuzuknallen wäre genauso verantwortungslos, wie tatenlos zuzuschauen.
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