Zugriff auf Passfotos aller Bundesbürger: Fotoalben für Geheimdienste
Deutsche Geheimdienste sollen einen automatisierten Zugriff auf Passfotos bekommen. Sie könnten sich Fotos aller Bürger besorgen.
Im Personalausweis und im Reisepass ist schon lange ein Passbild enthalten. Ein Doppel des Passbildes lag immer bei der Kommune, die das Papier ausgestellt hat. Wenn jemand den Pass verloren hatte, konnte so überprüft werden, ob auch die richtige Person Ersatz verlangt. Und natürlich hatten auch die Sicherheitsbehörden schon immer ein Interesse an solchen Fotos, zum Beispiel um zu sehen, wie jemand aussieht, von dem sie bisher keine Bilder hatten.
Seit rund drei Jahrzehnten werden die Passfotos bei den Kommunen nicht mehr auf Papier, sondern in digitalisierter Form gespeichert. Das erleichterte auch die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden. Man konnte die Fotos jetzt als Anhang in einer Mail übersenden. Seit 2007 haben Polizei und Ordnungsbehörden zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sogar „automatisierten“ Zugriff auf die Passbildateien. So können sie auch am Wochenende oder nach Feierabend auf die Fotos zugreifen.
Nun will die Bundesregierung noch einen Schritt weitergehen. Die Polizei soll den automatisierten Zugriff auch zur Gefahrenabwehr erhalten. Zudem sollen alle Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, sowie der BND und der Militärische Abschirmdienst „automatisiert“ auf den Fotoschatz zugreifen können. Die Bundesregierung begründet das mit einem verbesserten Geheimschutz. Wenn in der Kommune niemand weiß, dass der Verfassungsschutz ein Foto für Observations- oder Anwerbebezwecke braucht, dann könne auch niemand gewarnt werden.
Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz befürchtet, dass die Geheimdienste auf diese Weise große Fotosammlungen von Teilen der Bevölkerung anlegen, ohne dass jemand davon erfährt.
Auch die immer besser werdenden Möglichkeiten der biometrischen Gesichtserkennung lassen die Passbilder der Bundesbürger interessant werden. Bald könnten die Sicherheitsbehörden so herausfinden, wie eine ihnen unbekannte Person heißt und wo sie wohnt. Oder sie können das (gut aufgelöste) Passbild einer bekannten gefährlichen Person nutzen, um sie aus der Menschenmenge etwa eines Bahnhofs herauszufiltern. Im Herbst startet Innenminister Thomas de Maizière am Bahnhof Berlin-Südkreuz einen solchen Modellversuch.
Die Zugriffsregelung hat die Bundesregierung in einem „Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises“ versteckt. Dort geht es vor allem um die automatische Aktivierung eines Chips zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr.
Der Zugriff auf die Lichtbilder hat damit nichts zu tun und sollte zunächst erst ab 2021 erlaubt werden. Auf Vorschlag des Bundesrats soll dieser Aufschub nun aber gestrichen werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss