Porträts von Spitzeln übermalt: Polizei beschmiert Rote Flora

Die Hamburger Polizei hat Gesichter von enttarnten ErmittlerInnen an der Roten Flora übermalt. Zu Recht? Ein Pro und Contra.

Auf einem Wandgemälde an der Roten Flora in Hamburg sind vier Köpfe schwarz übermalt.

Fand die Hamburger Polizei gar nicht lustig: Flora-Parodie auf ihre Anwerbekampagne Foto: Joto

Am Dienstag rückten um 5 Uhr morgens rund 50 Bereitschaftspolizisten vor der besetzten Roten Flora im Hamburger Schanzenviertel an, um ein Plakat zu übermalen. Auf dem Poster prangten seit Samstag die Namen und Konterfeis der vier zuletzt enttarnten verdeckten ErmittlerInnen des Staatsschutzes – verziert mit Polizei-Emblemen in Anspielung auf Ihre Personal-Werbekampagne „Gesucht“.

„Die Aktion kommt aus dem Kreis der Betroffenen“, sagte Rote-Flora-Aktivist Andreas Blechschmidt. Die Undercovereinsätze, die bei den Betroffenen wegen des Eingriffs in die Intimsphäre Traumata ausgelöst hätten, seien allesamt politisch nicht aufgearbeitet. Dabei waren längst nicht alle UndercoveragentInnen abgebildet, die im Umfeld der RotfloristInnen spioniert haben.

Die Polizei begründet die Mal­aktion damit, dass zwei der betroffenen BeamtInnen Strafanzeige wegen der Verletzung des „Rechts am eigenen Bild“ gestellt hätten. Obwohl dies ein Antragsdelikt ist, wurden alle vier Konterfeis übermalt.

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Pro: Die Polizei hat die Bilder zu Recht übermalt, dennEinzelpersonen gehören nicht an den Pranger

Man sollte die Konterfeis der Spitzel nicht zeigen. Es war richtig, sie zu überpinseln. Denn es ist zwar das gute Recht der Rotfloristinnen, Unrecht zu benennen und auf psychische Folgeschäden durch den erlittenen Verrat hinzuweisen. Auch sollten sie darauf dringen, dass die Vorfälle aufgearbeitet werden.

Aber diese Vorwürfe richten sich an den Apparat: Senat und Polizei. Das öffentliche Bloßstellen derer, die als HandlangerInnen des Staats „ihren Job machten“, geht also an der Zielgruppe vorbei und riecht nach Rache und mittelalterlichem Pranger.

Hinzu kommt, dass durch die Preisgabe persönlicher Daten – Silhouette oder Gesicht – das „Recht am eigenen Bild“ verletzt wird. Denn die Gemälde treffen ja nicht nur den Funktionsträger „Polizist“, sondern auch die Privatperson. Im schlimmsten Fall können diese Leute nicht mehr zum Bäcker, ihre Kinder nicht zur Schule gehen, ohne dass man mit dem Finger auf sie zeigt.

Auch die Freiheit der Kunst greift hier nicht, weil diese Bilder so offensichtlich weder um der Kunst noch um eines hehren politischen Ziels willen entstanden, sondern klein-klein vor der eigenen Tür kehren.

Aus urheberrechtlicher Sicht hätte man allerdings entweder alles übermalen müssen – oder gar nichts. Das kann der Eigentümer der Wand – hier die Stadt Hamburg – anordnen. Veränderungen am Kunstwerk sind dagegen nicht erlaubt – es sei denn, es missachtet Persönlichkeitsrechte.

Bizarr wird es übrigens, wenn man mit dem Wert der Kunst argumentiert: Sollte das Rote-Flora-Bild durch die schwarz-abstrakte Teilübermalung an Wert gewinnen und verkauft werden, müssten sich Maler und Polizist den Gewinn teilen. Bringt andererseits der Polizist das Bild unter den Hammer, kann der Künstler seinen Anteil einklagen. Petra Schellen

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Contra: Wer seine Persönlichkeit in den Dienst derÜberwachung stellt, hat die Rechte daran zum Teil verwirkt

Wenn die Polizei sich jetzt plötzlich daran erinnert, dass es so was wie Persönlichkeitsrechte gibt, ist das an sich zu begrüßen. Dass diese aber nur gelten sollen, wenn es sie selbst betrifft, ist lächerlich.

Wenn der Staat verdeckte ErmittlerInnen in das soziale Umfeld von PolitaktivistInnen einschleust, tritt er das Persönlichkeitsrecht mit Füßen. Da werden Menschen über Jahre hinweg im staatlichen Auftrag belogen, ausgenutzt und ihr Vertrauen missbraucht. Die davon Geschädigten werden nach Ende ihrer Überwachung nicht einmal darüber benachrichtigt, dass sie überwacht wurden, obwohl das Gesetz das vorsieht. Die Betroffenen bleiben in Unkenntnis darüber, was der Staat über ihr Privatleben weiß und mit welchem Recht er meint, über diese Informationen verfügen zu dürfen.

Wer jetzt rumheult, dass das öffentliche Anprangern derjenigen, die den Vertrauensmissbrauch auf dem Kerbholz haben, deren Persönlichkeitsrechte verletzt, misst mit zweierlei Maß. Hätten die ErmittlerInnen nicht systematisch das Privatleben von PolitaktivistInnen ausgeleuchtet, würden ihre Konterfeis nicht an der Flora hängen.

Sie haben sich jedoch entschieden, sich für eine polizeiliche Überwachungsmaßnahme herzugeben – nicht nur ihre Gesichter, sondern auch Teile ihrer Persönlichkeit. Sie haben gezielt Sympathie und Charme eingesetzt, um Freundschaften vorzutäuschen und darüber an Informationen heranzukommen. Die Trennung zwischen Privatperson und FunktionsträgerIn haben sie dabei selbst aufgelöst. Wie es den Überwachten nach den massiven Übergriffen des Staats auf ihr Privatleben geht, interessiert auf Seiten der Verantwortlichen niemanden. Ihnen bleibt einzig, das Problem als politischen Skandal in die Öffentlichkeit zu ziehen. Und das tun sie halt. Katharina Schipkowski

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