Kommentar Enttarnung in Roter Flora: Schlag ins Gesicht

Eine weitere Ermittlerin in der Roten Flora wurde enttarnt. Das dokumentiert die Hinterhältigkeit und Fehlerhaftigkeit des Systems.

ein Treppoenhaus mit mit Graffitis und Plakaten

Begehrt bei der Polizei: Blick ins Innenleben der Roten Flora Foto: dpa

HAMBURG taz | Mit der Polizeibeamtin Astrid O. ist nun die dritte verdeckte Ermittlerin innerhalb von anderthalb Jahren in der linken Szene Hamburgs aufgeflogen. Schon die früheren Enttarnungen zeigten die Fehlerhaftigkeit des Systems, das den Bruch mit seinen eigenen Regeln einplant. Verdeckte Polizeieinsätze können nicht im Rahmen des Gesetzes stattfinden – so sind sie nicht angelegt, so funktionieren sie auch nicht.

Iris P. hatte in ihrer Einsatzzeit Liebesbeziehungen mit Menschen aus ihrem Ermittlungsumfeld und infiltrierte einen Radiosender – ein Angriff auf Persönlichkeitsrechte und Pressefreiheit. Maria B. hatte sexuelle Beziehungen mit Menschen aus der Szene und beging vermutlich Straftaten unter ihrer Tarnidentität.

Über Astrid O. sind nun viele Details noch nicht bekannt. Aber vor dem Hintergrund der früheren Enttarnungen schließt die 7-jährige Dauer ihres Einsatzes nahezu aus, dass sie währenddessen keine Grenzverletzungen begangen hat. Schon jetzt ist klar: Ein Schlag ins Gesicht ist die Enttarnung für diejenigen, die mit der vermeintlichen Aktivistin „Astrid Schütt“ befreundet waren, Debatten geführt und Aktionen geplant haben. Auch war Astrid O. Namensgeberin für die Jugend-Antifa-Gruppe „Nella Faccia“, die sie mit aufgebaut hat. Vom Italienischen ins Deutsche übersetzt heißt das „ins Gesicht“.

Das LKA hat sich den Zugang zur linken Szene erschlichen, indem sich O. an Jugendliche hängte. Jugendliche sind unerfahren und schöpfen nicht so schnell Verdacht, sie sind politisch nicht so gefestigt, sondern leichter zu beeindrucken und zu manipulieren. Es ist höchst verwerflich, sie zu benutzen, weil es noch skrupelloser ist, als jahrelang Erwachsene zu betrügen oder sich ihnen auf der Straße entgegenzustellen.

Ein Schlag ins Gesicht ist es aber auch für die Gesellschaft, wenn zum wiederholten Mal bekannt wird, dass der Staat Politgruppen ausspioniert hat, in denen sich junge Menschen ehrenamtlich gegen Nazis, Armut, den Klimawandel oder globale Ungerechtigkeit engagieren. Was sagt uns das über das System, in dem wir leben, wenn linker Politik und gesellschaftlichem Engagement mit derartiger Repression begegnet wird?

Es ist ein Armutszeugnis für den Staat. Er wendet hinterhältige Methoden an, um soziale Bewegungen zu überwachen und im Zaum zu halten. Die Polizei kämpft dagegen, dass Leute in ihrer Freizeit versuchen zu verhindern, dass Nazis Flüchtlingsheime anzünden. Klar, das tut die Polizei immer, wenn sie Nazidemos beschützt oder linke Demos blockiert. Im Fall von Astrid O. war es nur hinterhältiger.

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Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

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