Eine Welle gegen den Wind

Prozess Energiewende-Gegner ziehen vors Verfassungsgericht. Sie argumentieren mit durch Windräder verursachtem Infraschall – doch dessen Auswirkung ist umstritten

Stoßen wegen unhörbarer Frequenzen auf Protest: Windräder in Brandenburg Foto: Patrick Pleul/dpa

Aus Berlin Christian Latz

Es ist ein Gerücht, das die Bürger überall beschäftigt, wo neue Windräder gebaut werden sollen: Infraschall. Diese von den Rotoren hervorgerufenen tiefen Frequenzen schädigen die Gesundheit der Anwohner, meinen viele Windkraftgegner. Einige von ihnen ziehen daher nun vor das Bundesverfassungsgericht.

Unterstützt werden sie dabei von den Juraprofessoren Rudolf Wendt und Michael Elicker aus Saarbrücken. Ihr Kritikpunkt: Die derzeitigen Regelwerke seien veraltet und ungenau. „Die Windkraftanlagen werden nach Normen genehmigt, die technisch und wissenschaftlich nicht auf dem Stand der Dinge sind“, sagte Wendt am Donnerstag in Berlin. Die Kläger fordern daher neue Normen und umfangreiche Untersuchungen – und hoffen, dass das Gericht bis dahin ein Moratorium für den Bau von Windkraftanlagen verhängt. Das würde die Energiewende in Deutschland weitgehend zum Erliegen bringen.

Nicht zuletzt das ist das Ziel der Antiwindkraftbewegung, die hinter der Klage steht. Auf der Pressekonferenz, bei der die Klage vorgestellt wurde, ging es außer um Infraschall auch immer wieder um Zweifel am Klimawandel und die „große CO2-Lüge“. Der Infraschall wirkt da eher vorgeschoben. In welchem Ausmaß das Phänomen bei Windkraftanlagen auftritt und welche Folgen das hat, ist unklar. Bei Infraschall handelt es sich um Schallwellen mit einer so niedrigen Frequenz, dass Menschen sie nicht hören können. Bei manchen Menschen rufen sie aber offenbar körperliche Symptome hervor. So kann Infraschall erwiesenermaßen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Schwindel führen. Ob jedoch der von Windrädern verursachte Infraschall ausreicht, um diese Symptome hervorzurufen, ist umstritten.

Eine aktuelle Studie der Landesumweltanstalt Baden-Württemberg kommt zu dem Ergebnis, dass der Infraschallpegel der Anlagen bei einem Abstand von 150 bis 300 Metern deutlich unter der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liege. Bei 700 Meter Entfernung sei er gar nicht mehr messbar. Darauf beruft sich auch der Bundesverband Windenergie. „Wir nehmen das Phänomen Infraschall ernst“, sagte Präsident Hermann Albers der taz. „Die Studien zeigen jedoch eindeutig, dass der Infraschall bei Windenergieanlagen unbedenklich ist.“ Bisher scheiterten deshalb die Windkraftgegner vor Gerichten. Diese entschieden stets, dass bei den Anlagen die rechtlichen Regelungen eingehalten würden.

„CO2-Lüge“: Die Infraschall-Kläger zweifeln auch am ­Klimawandel

Eine Studie des Umweltbundesamtes kommt aber zu dem Schluss, dass die gegenwärtigen Normen Defizite aufweisen. Sehr niedrige Frequenzen werden demnach gar nicht erst gemessen. „Es gibt sehr viele Unwägbarkeiten, daher muss man die Messmethoden noch verbessern“, sagt Detlef Krahé, Professor an der Universität Wuppertal und Herausgeber der Studie.

Genau darauf berufen sich die Gegner und hoffen, den Windkraftausbau so zu stoppen. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg aus dem Jahr 2011 könnte die Hoffnung jedoch dämpfen. Solange keine verlässlichen Erkenntnisse vorlägen, heißt es darin, sei der Staat nicht verpflichtet neue Grenzwerte zu erlassen.

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