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Männerallein zu Haus

GLEICHBERECHTIGUNG Die Frau verdient das Geld, der Mann schmeißt den Haushalt. Zehn Prozent der Beziehungen in Deutschland sehen so aus. Aber macht sie das automatisch egalitär?

von Simone Schmollack

Nora und Frank, beide AkademikerInnen in Berlin, wollen ein Paar in einer gleichberechtigten Beziehung sein: Beide haben denselben Anspruch auf Job und Familie, Hausarbeit und Kinderbetreuung werden gerecht geteilt, keiner muss auf etwas verzichten.

Von Anfang an war klar, dass sich Nora und Frank die Elternzeit teilen. Beide nahmen jeweils sieben Monate. Jetzt ist die Tochter, deretwegen beide ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollen, ganztägig in der Kita. Das Mädchen trägt Kleidung in Blau, Grün und Rot, niemals in Rosa. Nora ist festangestellt, Frank selbstständig. Er arbeitet viel zu Hause, geht einkaufen, räumt den Frühstückstisch ab und bringt das Kind in die Kita. Alles prima bei Nora und Frank? Im Prinzip. Wenn da nicht die Sache mit dem Geld wäre. Und die mit dem Rest der Hausarbeit. Und die mit Franks Männlichkeit.

Nora verdient doppelt so viel wie Frank, etwa 2.500 Euro netto im Monat. „Macht mir nichts aus“, sagt Frank: „Warum sollen Frauen nicht mehr verdienen als Männer?“ Für egalitäre Paare wie sie ist das doch überhaupt kein Problem. Nora sieht das ähnlich. Aber sie fände es schön, wenn Frank mehr im Haushalt machen würde. Fensterputzen, Wäsche, Staubsaugen, kochen. „Du bist schließlich viel zu Hause und ich komme erst spät abends von der Arbeit.“ „Ich mach doch schon genug“, verteidigt sich Frank.

Sind Nora und Frank tatsächlich so gleichberechtigt, wie sie glauben? Die Geschlechterforscherinnen Cornelia Koppetsch und Sarah Speck bezweifeln das. Sie sehen Paare wie Nora und Frank eher in einer „Gleichheitsillusion“: Von dem fiktiven Modell, in dem alle Aufgaben gleichermaßen verteilt werden, ist das Paar real weit entfernt.

Koppetsch, Professorin an der Technischen Universität Darmstadt, und Speck, Soziologin an der Universität Tübingen, haben 29 Paare intensiv nach ihrer Vorstellung von einer egalitären Beziehung und der Realität dahinter befragt. Das Besondere daran: Die Frauen verdienen mehr als die Männer.

Nun ist jede Beziehung individuell und 29 Paare sind keine repräsentative Zahl. Koppetsch und Speck leiten dennoch Verallgemeinerungen ab. In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist“ (Suhrkamp) stellen sie eine weithin verbreitete These infrage: Wenn Frauen durch ihren Job finanziell unabhängig sind und Männer sich stärker auf die Familie einlassen, entstehen nicht – wie viele meinen – automatisch egalitäre Beziehungen.

Ewiges Hausfrauenmodell

„Die Beharrungskraft männlich dominierter Strukturen in Familie, Beruf und Öffentlichkeit spricht eindeutig gegen eine baldige Umkehrung bestehender Herrschaftsstrukturen“, schreiben Koppetsch und Speck. Oder einfach formuliert: Die Folgen des Hausfrauenmodells sind noch spürbar.

Dabei waren die Voraussetzungen für gleichberechtigte Partnerschaften noch nie so günstig wie heute. Mehr Frauen denn je sind hochgebildet und berufstätig, man findet sie mittlerweile auch zahlreich in technischen Berufen. Viele steigen nach der Elternzeit rasch wieder in den Beruf ein, Frauen werden Chefinnen, Männer sind aktive Väter. Was also ist das Problem?

Das Problem sind die Paare selbst. So sind Männer stärker mit der Rolle des Familienernährers verhaftet, als ihnen bewusst ist. Und Frauen setzen häufiger darauf, dass der Mann „gutes Geld“ nach Hause bringt, als sie vorgeben, haben Koppetsch und Speck herausgefunden. Klingt ein wenig wie die berühmte „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“ (Ulrich Beck).

Doch so einfach ist das nun auch wieder nicht. Bei den befragten Paaren sind die Frauen die Familienernährerinnen. Die Männer waren entweder freiberuflich, in prekären Jobs oder arbeitslos. Das klassische Rollenmodell in umgekehrter Form also. Immerhin betrifft das zehn Prozent aller Beziehungen in Deutschland, in allen sozialen Milieus: AkademikerInnen wie ArbeiterInnen. Die Zahl solcher Paare dürfte steigen, da Frauen bildungshungrig sind und Männer von beruflichen Krisen nicht mehr verschont bleiben.

Die beiden Genderforscherinnen machten bei ihren Gesprächen mit betroffenen Paaren eine interessante Entdeckung: Es sind nicht – wie angenommen – die aufgeklärten, gendergeschulten AkademikerInnen, die alles daransetzen, egalitär zu leben. Es sind vor allem die in der Geschlechterfrage eher traditionell orientierten ArbeiterInnen, die phasenweise ihre Rollenmuster durchbrechen. Allerdings eher unbewusst und zufällig.

Vor Freunden wird die finanzielle ­Übermacht der Frau ­verschwiegen

So behaupten AkademikerInnen nur, kein Problem mit dem Gehaltsgefälle zu haben. Im Grunde ist es ihnen peinlich. Vor Freunden und der Verwandtschaft wird die finanzielle Übermacht der Frau daher verschwiegen. Warum? Weil Geld noch immer mit Potenz und Wert gleichgesetzt wird, der Mann, seine Rolle in der Familie sowie seine Männlichkeit sollen nicht infrage gestellt werden.

ArbeiterInnen setzen von vornherein auf eine klassische Rollenverteilung, die Arbeitslosigkeit des Mannes wird als endliche Phase gesehen. Die überbrückt die Frau. „Daraus resultiert ein neuer Geschlechtervertrag: Die Frauen sichern vorübergehend den gemeinsamen Lebensstandard und gewährleisten damit den Erhalt des sozialen Status.“ Als Gegenleistung erwarten sie allerdings, dass der Mann intensiv nach einem Job sucht, der besser ist als der, den er verloren hat.

Übernehmen die Männer in ihrer „prekären Phase“ mehr Aufgaben im Haushalt? Nur marginal, stellten Koppetsch und Speck fest. Der Akademiker entzieht sich der Hausarbeit mit Argumenten wie „Ich brauche meine Freiräume, um mich zu verwirklichen“. Der Arbeiter wird von seiner Frau vor allem zu Tätigkeiten animiert, die männlich konnotiert sind, zum Beispiel Fleisch braten.

Den stärksten Rollenwandel betreiben Frauen und Männer, von denen es am allerwenigsten erwartet wird: sogenannte wertkonservative, familienorientierte Paare. Sie haben meist viele Kinder, die von einem Elternteil betreut werden. Übernimmt der Vater diese Aufgabe („Einer muss ja für die Kinder da sein“), tauschen die Partner komplett die Rollen: Die Frau wird zur Alleinverdienerin, der Mann zum Hausmann.

„Die Paare betreiben eine Umschrift traditioneller Rollenzuschreibungen“, sagen Koppetsch und Speck. Mit einer ekla­tanten Folge: Haushalt und Erziehung werden als Managementaufgabe betrachtet, Familienarbeit wird männlich aufgeladen.“ Die männliche Rolle ist also nur äußerlich infrage gestellt. Nach innen behält der Mann seine Macht. Und kann sie geschickt ausbauen.

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