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Kommentar Demos vor FlüchtlingsheimenGegendemos statt Verbote

Das deutsche Recht bietet genügend Möglichkeiten, Sicherheit und Ordnung durchzusetzen. Es braucht keine Bannmeilen um Flüchtlingsheime.

Ohne Abstand, ohne Anstand: Im sächsischen Freital belagerten fremdenfeindliche Demonstranten über Wochen eine Flüchtlingsunterkunft. Foto: dpa

Immer wieder kommt es in den vergangenen Tagen zu fremdenfeindlichen Kundgebungen vor Flüchtlingsheimen. Viele frage sich: Muss man den teilweise traumatisierten Flüchtlingen und Migranten das wirklich zumuten? Wären nicht generelle Verbote und Bannmeilen eine konsequente Lösung zum Schutz vor Hass und Rassismus?

Bundesjustizminister Heiko Maas hat jetzt Gesetzesänderungen abgelehnt und für Lösungen im Einzelfall plädiert. Tatsächlich ist auch mit der geltenden Rechtslage einiges möglich. Demonstrationen, die zur Gewalt aufrufen, können im Vorfeld verboten oder nach Beginn aufgelöst werden.

Zum Schutz vor Gewalt kann als Auflage auch ein deutlicher Abstand zum Heim verlangt werden. Sichere Zugänge für die Flüchtlinge können sicherstellen, dass diese nicht persönlich angepöbelt werden. Wer Steine wirft und volksverhetzende Parolen brüllt, muss mit Strafverfolgung rechnen. Das deutsche Recht bietet genügend Möglichkeiten, Sicherheit und Ordnung durchzusetzen. Dazu braucht es wirklich keine Verschärfungen.

Andererseits gilt es an liberalen Errungenschaften festzuhalten. Auch Demonstrationen mit Parolen, die die Behörden für schockierend und widerlich halten, müssen erlaubt bleiben. Und grundsätzlich müssen Demonstranten den Ort ihrer Kundgebung selbst wählen können, auch vor Kasernen und Flüchtlingsheimen. Hier wird kein politischer Konflikt in ein privates Wohnumfeld getragen, sondern der Ort ist selbst Gegenstand des politischen Konflikts.

Die richtige Antwort auf widerliche Rassistenaufläufe vor den Flüchtlingsheimen sind vielmehr friedliche Gegendemos, die den Flüchtlingen zeigen, dass ihnen in Deutschland auch viele Menschen (vielleicht sogar die Mehrheit) offen und freundlich begegnen.

Der demokratische Pluralismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung.

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11 Kommentare

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  • Leider in allen Punkten "Nein". Es geht nicht um Orte oder Pluralismus, sondern um Menschen! Die Rechten und ihre Steigbügelhalter wollen nicht gegen Orte oder Politik demonstrieren, sondern Menschen bedrohen und beleidigen. Um deren Schutz geht es und das ist nicht Aufgabe von Gegendemonstranten.

    Auch Justizminister Maas hat hier Unrecht: Er lebt bereits in dem Land in dem er nicht leben möchte.

    Es ist Zeit zu handeln und rechtem Pöbel deutliche Grenzen zu setzen.

    Unterstützt diese Petition! https://weact.campact.de/p/schutzmeile

  • Insofern die NPD-Kader in Heidenau maßgeblich zur Mobilisierung und Entfesselung des Gewaltpotentials beitragen, also eine Art Initiatorenrolle nachgewiesen werden kann, gäbe es zur Zeit juristische neue Mittel, die NPD zu verbieten.

    (Sie müssen gerade zeigen, dass sie gegenüber der AfD "die echten" sind).

    Politisch strategisch bleibt ein NPD-Verbot weiterhin umstritten.

  • Höchste Zeit, die NPD zu verbieten. Bei KPD und PKK hat man nicht so krampfhaft nach Argumenten gesucht, sie zu erhalten.

  • Es scheint wie Fremdenfeindlichkeit, vermutlich aber geht es aber noch um etwas ganz anderes. Die Debatten dazu, wie sie bis jetzt laufen, kratzen an den äußeren Umständen und berühren nicht den Kern, meines Erachtens. Wenn es zu solchen Eskalationen kommt, dann stimmt insgesamt etwas nicht dort, auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen.

     

    Folgender Artikel liefert noch ganz andere Ansätze, die ich für sehr wichtig halte. Meines Erachtens wird dieses Thema viel zu lange schon viel zu eingeschränkt und engstirnig betrachtet und diskutiert. Fremdenfeindlichkeit ist ein Name von vielen oder besser gesagt eine Form von etwas, das immer noch nicht Beachtung findet in den Debatten. Viele verharren in ihren Positionen, rücken nicht einen Millimeter davon ab.

     

    Der eingefügte Link gleich, geht da schon anders ran, deshalb empfehle ich ihn als wirklich lesenswert, denn er liefert mal ganz andere Antworten und neue Ansätze.

    http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-08/rechte-gewalt-fluechtling-sachsen-pegida

  • Die meisten Ihrer Kommentare, lieber Christian Rath, schätze ich sehr - heute mache ich mal eine Ausnahme: Dieser hier ist an Blauäugigkeit nicht zu überbieten.

     

    Nicht falsch verstehen - auch ich bin nicht für eine allgemeingültige Bannmeilen-Festlegung vor allen möglichen Einrichtungen; ich sehe genug Antidemokraten in dieser wie auch nahezu jeder Regierung, die dieses Instrument, wenn einmal eröfnet, alsbald ad infinitum ausweiten würden. Aber die Möglichkeiten, IM KONKRETEN EINZELFALL eine Verbotszone zu definieren, sind offenbar ausgesprochen wacklig und wurden in allen mir bekanntgewordenen Fällen von einer - oft entsetzlich realitätsfernen - Justiz abgebügelt. Hier gilt es, eine Rechtsgrundlage zu konkretisieren; Art. 8(2) des Grundgesetzes bietet eine Handhabe.

     

    Ihre Vorstellung, widerlichen Rassistenaufläufen mit friedlichen Gegendemos zu begegnen, hat sich in der Vergangenheit als unwirksam erwiesen; das Nazipack lässt sich so nicht beeindrucken. Nötig wäre es, dass die Polizei sich wieder Respekt verschafft und gegen Gewaltexzesse wirklich mit "Härte" vorgeht. Dass sie das kann, hat sie oft genug bewiesen - nach meiner Erinnerung allerdings nur gegen als "links" verortete Täter. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, will heißen: Eine radikale Säuberung der Polizei und Justiz von Sympathisanten täte not. Wie leicht war es doch in den Sechzigern und Siebzigern, eine Einstellung in den öffentlichen Dienst von einem Plazet des Verfassungsschutzes abhängig zu machen...

     

    (Problem leider damals wie heute: Auch der Verfassungsschutz ist per se einäugig.)

  • Gegendemos, klar, bedeutet in Sachsen aber nicht nur von Neonazigesindel, sondern auch von den Cops gejagt und durch Heidenau geprügelt zu werden!

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Nein, Herr Rath, so wirklich nicht, wie Sie schreiben. Zitat: 'Die richtige Antwort auf widerliche Rassistenaufläufe vor den Flüchtlingsheimen sind vielmehr friedliche Gegendemos, die den Flüchtlingen zeigen, dass ihnen in Deutschland auch viele Menschen (vielleicht sogar die Mehrheit) offen und freundlich begegnen'.

    Wer in Deutschland geplante oder schon bewohnte Asylunterkünfte attakiert oder sogar anzündet, gehört hinter Gittern. Und zwar sofort. Wenn Sie solche Straftaten durch 'friedliche Gegendemos' verhindern möchten, dann können Sie auch gleich die Polizei und die Justiz abschaffen und das Volk zur Selbstjustiz auffordern. Dann werden aber bald Tausende Villen abbrennen. Denken Sie nochmal über Ihren Satz und seine Konsequenz nach!

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Mit Verlaub - was Sie beschreiben & zu recht anprangern - sind grad nicht das -

      was Herr Rath beschreibt - "Rassistenaufläufe" - !

      So widerlich sie - er läßt da ja keinen Zweifel - auch sind, sind sie von der

      verfassungsgarantierten

      Meinungs- & Demonstrationsfreiheit gedeckt - wie die von ihm angemahnten

      Gegendemonstrationen auch.

      • @Lowandorder:

        Wenn Pogrome Demonstrationsfreiheit genießen, dann gut Nacht!

         

        Vielleicht sollte man nachträglich die Reichskristallnacht als grundsätzlich von der Demonstrationsfreiheit gedeckt einstufen, ist halt nur etwas aus dem Ruder gelaufen, zuviel Bier und so, Sie wissen ja....?

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Verehrte BlogkollegIn

        Ich habe nur die Konklusion von Herrn Rath zitiert und wollte meiner Meinung Ausdruck geben, daß ich die geschehenen Ausschreitungen für eindeutige Straftaten halte, für die Polizei und Justiz zuständig sind und die Ermahnung der Andersdenkenden, bitteschön nur mit 'friedlichen Gegendemos' (man beachte das Attribut 'friedlich') zu antworten, hoffnungslos daneben fand. So sehr ich die taz mag und auch einige Kommentare von Herrn Rath.

        • @4932 (Profil gelöscht):

          Irgendetwas ist da falsch verstanden worden. Wer Gewalt ausübt oder dazu aufruft, macht sich strafbar - egal wo. Dazu bedarf es keine Gesetzesänderung. Solche Demos können auch heute verboten werden. Wandelt sich eine rechtmässige Demo in eine Demo bei der solche Straftaten propagiert werden, so kann diese Demo - egal wo - aufgelöst werden. Dazu bedarf es keiner Gegendemonstrat_innen.

          Der einzige Fall, der durch eine Bannmeile verboten würde, wäre eine friedliche Demonstration z.B. die Flüchtlinge wo anders unterzubringen. Hiergegen kann es friedliche Gegendemos geben.

          Herr Rath hat nirgendwo geschrieben, dass er Gewalt mit friedlichen Gegendemos entgegentreten wolle.