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Kein Zutritt für Netz-JournalistenBundestag sperrt Blogger aus

Die Pressestelle des Bundestags weist seit Wochen Blogger ab. Bald könnte es ein Gesetz geben, das nebenberuflichen Politikbeobachtern die Arbeit weiter erschwert.

Markus Beckedahl ist kein Journalist – jedenfalls nach Meinung der Pressestelle des Bundestages. Bild: dpa

BERLIN taz | Es ist nicht ganz einfach, Markus Beckedahls politische Berichterstattung zu ignorieren. Vor zwölf Jahren gründete er den Weblog netzpolitik.org und schreibt dort seitdem über die digitale Gesellschaft und Internetpolitik der Bundesregierung. Dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet, das Medium-Magazin kürte ihn zuletzt zu einem der Politikjournalisten des Jahres. Im Jahr 2010 beriefen ihn die Grünen als Sachverständigen in die Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“.

Die Pressestelle des Deutschen Bundestags kümmert dies alles nicht. Beckedahl sei Blogger und kein Journalist, sei ihm erklärt worden. Auf einen Jahresausweis für Pressevertreter im Bundestag müsse er deshalb verzichten.

Beckedahl kann diese Einschätzung nicht verstehen. „Wir gehen davon aus, dass wir hier journalistisch arbeiten“, antwortet er auf seinem Blog: „zudem mache ich das hauptberuflich.“

Allerdings ist er mit dieser Abfuhr nicht allein. In den vergangenen Wochen haben mehrere Netz-Journalisten über Probleme mit der Bundestagspressestelle geklagt. Der Chefredakteur von netzpiloten.de, Tobias Schwarz, sei etwa Ende Januar der Zutritt zum Medienausschuss verwehrt worden. Die Begründung hat er veröffentlicht: „Zu viele Blogger haben versucht sich zu akkreditieren.“ Auch Schwarz lebt vom Online-Journalismus.

Blogger wollen gemeinsam reagieren

Tilo Jung und sein Team, die mit ihrem Web-Videoformat „Jung und Naiv“ regelmäßig Politikerinterviews produzieren, bekamen vor zwei Wochen ebenfalls keine Jahresakkreditierung. „Eine Begegnung mit Abgeordneten“ sei „nach entsprechender Absprache“ schließlich „jederzeit möglich“, schrieb Pressestelle seinem Redaktionsleiter – auch in den Häusern des Bundestags und auch ohne Pressezugang.

Jung bemüht sich nun um Unterstützung aus der Politik. „Ein paar Abgeordnete haben sich gemeldet“, sagt er. Sie wollen ihm helfen, freien Zutritt zu bekommen. Zusammen mit den anderen abgewiesenen Bloggern hat Jung außerdem „eine gemeinsame Reaktion angedacht“.

Die Debatte, ob Publizisten, die ihre Texte ausschließlich für Weblogs schreiben, denn richtige Journalisten sind, ist nicht neu. Ganz im Gegenteil. Bereits im Jahr 2007 prophezeite die Frankfurter Allgemeine Zeitung anlässlich der ersten Bloggerkonferenz re:publica: „Ohne die Bezugsgröße Print würden die meisten meinungsführenden Blogs - und zwar nur diese - in sich zusammenfallen wie ein Heißluftballon ohne Flamme“. Bildblog-Gründer Stefan Niggemeier hielt dagegen. Im Jahr 2008 empfahl er schlecht recherchierenden Printjournalisten: „Geht sterben“.

Mittlerweile sitzen Schreiber wie er oder Sascha Lobo, die sich in der Blogosphäre einen Namen gemacht haben, in politischen Talkshows und publizieren auch in etablierten Medien. Und diese widmen sich ihrerseits intensiv dem eigenen Onlineauftritt.

Zugang bald nur noch für Hauptberufliche?

Umso irritierter ist die Netzpolitik-Szene nun von der Reaktion der Bundestagspressestelle. „Blogger vs. Journalist? Get over it!“ schreibt Tobias Schwarz. Bloggerin Vera Bunse hat sich mittlerweile schriftlich an die Pressestelle gewandt. Sie fragt, „ob es eine Kontingentierung für Blogger gibt“. In den Bundestag dürfe, wer seine „hauptberufliche journalistische Tätigkeit“ nachweisen könne, antwortet ihr der Sprecher – ähnlich wie beim Finanzamt oder dem Journalistenverein Bundespressekonferenz.

Gegenüber der taz verweist Bundestagssprecher Sven Göran Mey auf die Kriterien, mit denen der Deutsche Journalistenverband DJV und andere Medienverbände eine hauptberufliche Tätigkeit für die Ausstellung von Presseausweisen überprüft. Die Frage, ob ein solcher Presseausweis nun Voraussetzung ist, um aus Bundestagsgebäuden berichten zu dürfen, lässt Göran Mey dabei unbeantwortet.

Womöglich aus gutem Grund: Für die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU), Cornelia Haß, wäre eine solche Praxis rechtlich „gar nicht haltbar“. Sie sagt, das widerspräche derzeit der im Grundgesetz garantierten Gleichbehandlung der Presse. Von ihrer Gewerkschaft könnten die betroffenen Netz-Journalisten rechtlichen Beistand erwarten, sagt sie. Jedoch nur so lange, wie die Pressestelle im Unrecht ist. Das könnte sich bald ändern.

Denn DJV-Sprecher Hendrik Zörner erkennt in dem Verhalten des Bundestags die Vorboten einer angedachten Neuregelung, die bereits im Koalitionsvertrag steht: „die Wiedereinführung des ,amtlichen Presseausweises'“.

Gewerkschaften profitieren

„Blogger und Journalist sind keine geschützten Berufsbezeichnungen“, erklärt Zörner vom DJV. Wenn bald ein Gesetz verabschiedet würde, nach dem bundesweit nur noch Medienvertreter mit einem Gewerkschafts-Presseausweis in Behördengebäude dürften, werde „unseriösen Presseausweisen“ vorgebeugt, sagt er – solchen, die nicht von den Gewerkschaften stammen. Sie sind den etablierten Journalistenvertretern schon lange ein Dorn im Auge: „Das ist das, was wir wollen würden“, sagt Zörner.

Freischaffenden Bloggerinnen und Bloggern würde ein solches Gesetz die Arbeit dagegen erschweren. Haß vom DJU sieht das anders: Ein „amtlicher Presseausweis“ für hauptberufliche Journalisten verschaffe diesen „größere Klarheit“, sagt sie, und „gute Arbeitsbedingungen“. Er beuge Missbrauch vor. Sie würde dieses Gesetz „ausdrücklich begrüßen“.

Publizistin Vera Bunse schreibt auf ihrem eigenen Blog und auf carta.info über Politik – bis heute ohne Presseausweis. Sie ist wütend über das Verhalten des Bundestags. „Erst war es der fehlende Presseausweis, dann die Kriterien der parlamentarischen Berichterstattung, anschließend die Hauptberuflichkeit, und nun sind wir beim Steuerbescheid gelandet“, schreibt sie an dessen Sprecher. All diese Gründe seien vorgeschoben und nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar: „Die Bundestagsverwaltung hat sich an das Grundgesetz zu halten.“

Ähnlich sieht es Netzpolitik-Journalist Markus Beckedahl. Er hat bei der Pressestelle Einspruch eingelegt.

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12 Kommentare

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  • GM
    Gaius M.

    Man muss auch den "größeren Zusammenhang" sehen:

    http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/05/15/neue-gefahr-neonazis-als-journalisten_12860

     

    Da könnte eine (quasi-) amtliche Stelle evtl. helfen...

  • H
    honki

    Ein weiterer Weg den Informationsflut Journalismus des Internets zu Zensieren..

     

    Wenn es mit dem aushebeln der Netzneutralität nicht klappt wird eben schon der Input kontrolliert, anstatt den Fluss zu zensieren.. kann ja nicht sein das ohne Chefredakteur irgendetwas unangnehemes ins Netz gestellt wird. Die paar Medienhäuser und die 6 Mitglieder des DJV können ja noch gut konrolliert und zensiert werden, eine Masse an Bloggern eben nicht!

     

    Wer soetwas nicht zwischen den Zeilen sehen kann tut mir ja schon fast Leid

     

    PS:diese verf** ka* Marionetten sollten alle mal auf "Fädenlos" gestellt werden

  • E
    Eule

    Meinungsfreiheit und investigativer Journalismus stört halt die Hohepriester der neuen Weltordnung....., selbst die TAZ ist ja schon aussenpolitisch auf NATO/ CIA Linie.....dann mal die letzten Feinde besiegen....und ein totalitären US Superstaat genießen.....

     

    Meinung wird gemacht.......

  • H
    Hans

    Juhu, ein Hoch auf die Hofberichtserstatter.

     

    Was sollen auch "Nichtamtliche" Journalisten für Erkenntnisse bringen? Zumindest keine Genehmen. Und falls ein amtlicher Journalist mal aufmuckt, weg mit dem amtlichen Zertifikat.

     

    Bananenrepublik spricht von Transparenz und Demokratie, meint aber Autokratie.

  • G
    gast

    Nicht traurig sein. Die Blogger sind in guter Gesellschaft:

    http://www.textlog.de/tucholsky-ein-briefwechsel.html

     

    Nach eben jenem Paul Löbe heißt ja wohl eins dieser Parlamentsgebäude. Was für Parallelen.

    • J
      Jaheira
      @gast:

      Das ist verblüffend, diese Parallelen.

  • Leider bin ich nicht richtig zitiert worden. Im Gespräch mit der Autorin habe ich nicht vom "Gewerkschaftspresseausweis" gesprochen, denn den gibt es nicht. Die Rede war von dem Presseausweis, den sechs Medienorganisationen, darunter der DJV, die dju und Verlegerverbände, hauptberuflich tätigen Journalisten ausstellen. Als unseriös sind die Ausweise von kommerziellen Anbietern zu sehen. Außerdem ging es nicht um den Zutritt zu Bundesgebäuden, sondern um die Akkreditierung. Zutritt erhält man mit Besucherausweisen.

  • I
    Irgendwer

    Die Sache ist doch ganz einfach. Wir leben in einem Rechtsstaat, und da hat dann jeder das Recht, jahrelang zu prozessieren, entweder bis zu seinem Ableben oder bis zu dem Tag, wo eine etwas weniger politikgehorsame obere Instanz erklärt, daß der Klage stattgegeben wird, weil es anderenfalls rechtstaatswidrig wäre. Und dann? Dann wird ein Itüpfelchen an der Regelung geändert und die Prozedur beginnt von vorne.Viel einfacher ist es dagegen in einer Diktatur: Da ist man zumindest so ehrlich, den Rechtsweg von vornherein auszuschließen.

  • Ich fasse mal zusammen:

    Teilzeitjournalist (nebst Teil-/Vollzeit-Bloggern) => keine Presseausweis => kein Zutritt.

     

    Besonders absurd ist dies z.B. in der SPD-dominierten Hamburgischen Bürgerschaft. Offiziell sitzen dort bekanntlich "Feierabend"-Parlamentarier, also in Teilzeit. Und von deren Darbietungen dürfen (auch bei geringem Andrang, auch in weniger wichtigen Sitzungen) nur „Vollzeitjournalisten“ berichten? Totaler Unsinn! Rechtlich unhaltbar. Man maßt sich für „normale“ Besucher sogar ein Fotografierverbot an. Warum eigentlich?

     

    Laut EU-Richtlinie 97/81/EG ist die Diskriminierung von Teilzeitkräften übrigens verboten. Interessant, daß deutsche Volksvertreter in Berlin, Hamburg und anderswo da mit beschissenem Beispiel voran gehen. Offenbar hofft man, daß „richtige“, vulgo alteingessene Journalisten sie wohlfeiler behandeln, und weniger über den Rechtsstaatabbau schreiben, als beispielsweise eben ein Markus Beckedahl oder Udo Vetter.

     

    Eine besondere Posse kann ich da noch aus den Niederungen der Bezirksliga der SPD Hamburg Eimsbüttel berichten: Wo ein hochnotpeinlicher Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (wie ALLE Bezirksamtsleiter in Hamburg selbstverständlich mit einem SPD-Parteibuch ausgestattet) und ein SPD Eimsbüttel-Fraktionsvorsitzender Rüdiger Rust sowie weitere Genossen verhindern wollten, daß es von ihrer per Gesetz öffentlichen Sitzung Bildberichterstattung gibt...

     

    http://www.elbe-wochenblatt.de/eimsbuettel/lokales/eklat-in-der-bezirksversammlung-eimsbuettel-um-die-pressefreiheit-d13980.html

     

    Fachkundig auch von einer „normalen“ Besucherin dokumentiert:

    http://www.elbe-wochenblatt.de/eimsbuettel/lokales/eklat-in-der-bezirksversammlung-eimsbuettel-um-die-pressefreiheit-d13980.html#comment1418

  • Diese Blogs nerven doch nur. Sie berichten viel zu kritisch. Wie schön ist dagegen die Hofberichterstattung der Berliner Redaktion der Tagesschau!

     

    Also weg mit den Bloggern. Kritischen Journalismus braucht keiner!

  • B
    Blogger

    Was macht es denn für einen Unterschied, ob ein Beitrag online oder im Print erscheint? Die Tätigkeit bleibt doch immerhin identisch.

  • J
    Jay

    Es herrscht Pressefreiheit, sagt der Staat. Und was Presse ist, bestimme ich, sagt der Staat. Hauptsache, es steht nicht groß "Propaganda" drauf, dann merkt's keiner...