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Grüne Asylpolitik auf KompromisskursDie Stille nach dem Beschluss

Die Grünen haben den jüngsten Asylkompromiss geräuschlos durchgewinkt. Das ist ein Sieg für Realos wie Winfried Kretschmann.

Im November hatten die Grünen über Asylpolitik noch heftig diskutiert. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Gewinner jubeln lieber erst gar nicht vor Publikum. Bloß keine Wunden aufreißen bei diesem sensiblen Thema, das die Grünen im September in den Ausnahmezustand versetzt hatte. Vor einer Woche verhalfen grüne Ländervertreter einem weiteren umstrittenen Asylpaket aus dem Kanzleramt im Bundesrat zu den entscheidenden Stimmen. Doch das Echo unterscheidet sich eindrucksvoll von jenem nach dem ersten Asylkompromiss im September. Nicht einmal eine Brise der Entrüstung wehte diesmal noch durch die Partei.

Dabei rangen die grün mitregierten Länder erneut heftig um ihre Haltung. Wie schon beim ersten Asylkompromiss stand am Ende kein einheitliches Votum. Die meisten grün mitregierten Länder winkten zwar sowohl die Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes als auch die unter Grünen hochstrittige Verschärfung des EU-Freizügigkeitsgesetzes durch – um im Gegenzug zusätzliche Millionen und eine bessere Gesundheitsversorgung für Asylbewerber herauszuschlagen. Das rot-grün regierte Bremen jedoch wertete die Einschnitte in die Freizügigkeit samt Wiedereinreisesperren für Unionsbürger als untragbar – und enthielt sich.

Eigentlich genügend inhaltliche Differenzen, um sich wie im September öffentlich über den richtigen Kurs in der Asylpolitik zu zerlegen. Doch selbst scharfe Kritiker des Realokurses scheinen diesmal nicht mehr geneigt, die grünen Länderfürsten öffentlich als rückgratlos anzuprangern. Auch Matthias Güldner, Grünen-Fraktionschef in der bremischen Bürgerschaft, äußert sich wohlwollend über die Parteifreunde.

Zwar sei es Bremen „relativ schwach“ vorgekommen, die Kritik an dem Freizügigkeitsgesetz nur in einer Protokollerklärung anzubringen, sagt er. Schließlich sei doch der Bundesratsbeschluss entscheidend. Aber, versichert Güldner: „Man konnte beim EU-Freizügigkeitsgesetz zu unterschiedlichen Abwägungen kommen.“ Daher gebe es von seiner Seite „keinen Groll“.

„Ein kleiner Schritt nach Vorne"

Selbst die flüchtlingspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, verzichtet auf harsche Worte – obwohl ihre Fraktion noch im Sommer gewarnt hatte, die Regierung wolle „die europäische Idee endgültig in die Tonne“ treten. Nun sagt die Abgeordnete: Der Kompromiss sei „sicherlich nicht optimal und nicht die reine grüne Lehre“, aber immerhin „ein kleiner Schritt nach vorne“.

So ähnlich hatte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann beim Grünen-Parteitag in Hamburg sein heftig kritisiertes Votum für die Einstufung dreier Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer gerechtfertigt: „Nur wer Kompromisse macht, kann auch von anderen welche erwarten.“

Bei den Grünen zeichnet sich ein neuer Umgang mit dem Bund-Länder-Machtgefüge ab. Man will jetzt das Positive herausstellen; statt der eigenen Parteifreunde lieber die Große Koalition attackieren. So räumt auch Amtsberg ein: Sie hätte sich härtere Verhandlungen mit dem Bund gewünscht, aber: „Bei dieser Bundesregierung bleibt im Moment leider nur die Möglichkeit, über die grünen Ländervertreter an den wenigen Stellschrauben zu drehen.“

Hat sich Kretschmann mit seiner Rede beim Parteitag durchgesetzt? So sehen das einige Realos, auch wenn sie sich damit nicht zitieren lassen. Dieter Janecek, Realokoordinator im Bundestag, findet die neue Ernsthaftigkeit bei der Bewertung von Kompromissen im Bundesrat „wirklich gut“.

Das sieht die Sprecherin der Grünen Jugend, Theresa Kalmer, anders. Der Parteinachwuchs prangerte vergangene Woche den „perfiden“ Kompromiss an – und blieb damit allein. Dabei sei doch selbst die versprochene Gesundheitskarte für Asylbewerber nur als „Prüfauftrag“ in dem Bund-Länder-Beschluss festgehalten, kritisiert Kalmer: „Das finde ich schwach.“ Warum sage das niemand mehr? Kalmer wünscht sich „Diskussionen über rote Linien, die definitiv nicht zur Verhandlung stehen“.

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3 Kommentare

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  • www.gruene.de lügt:

    http://www.gruene.de/themen/buergerrechte-demokratie/asylgesetze-gruene-erstreiten-verbesserungen-fuer-fluechtlinge-und-kommunen-im-bundesrat.html

    ...... Bisher konnten die Menschen nur unzureichend medizinisch versorgt werden. Das soll sich nun ändern. ....

     

    ***

    Die Grüne haben - mit Erfolg -. die den Sachverhalt nicht überblickende Presse getäuscht, um ihr Einknicken beim AsylbLG zu rechtfertigen. Die Gesundheitsversorgung kann nach § 264 Abs 1 SGB V schon heute über eine Gesundheitskarte abgewickelt werden.

     

    Hamburg und Bremen machen das seit 2005 bzw 2012 nach geltendem Recht. Beide Länder gewähren per Gesundheitskarte in großzügiger Rechtsauslegung des § 4 AsylbLG den gleichen Leistungsumfang wie für gesetzlich Versicherte, siehe www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/asylblg/Bremer_Modell_Medizin_AsylbLG.pdf. Dazu braucht es kein neues Gesetz.

     

    Auch künftig bleibt es den Ländern überlassen, ob sie eine Gesundheitskarte ausgeben. Die Karte bleibt auf die lebensgefährliche Minimalmedizin beschränkt, am Umfang des Behandlungsanspruchs nach § 4 AsylbLG ändert sich nichts. Menschenrechtsverletzung durch Krankenkassen statt durch Sozialämter. Die üben üben für die Zweiklassenmedizin.

     

    Man hätte eine vollwertige Gesundheitskarte bundesweit einführen können. Dazu hätte § 264 Abs 2 SGB V, der nach 15 Monaten für einen Teil der AsylbLG-Leistungsberechtigten (§ 2 AsylbLG) eine vollwertige Gesundheitskarte vorsieht, auf alle Leistungsberechtigten ausgeweitet werden müssen. Der AS-Ausschuss des Bundesrates hatte da vorgeschlagen.

     

    Nun haben die Grünen für 2x500 Mio Euro Schmiergeld vom Bund die 1993 geschaffene lebensgefährliche Minimalmedizin des § 4 AsylbLG unverändert durchgewunken und mitsamt den zahlreichen weiteren Leistungskürzungen des AsylbLG unter das Existenzminimum des Alg II dauerhaft und nachhaltig festgeschrieben.

    Mehr dazu hier:

    http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen2.php?post_id=701

  • Grün lügt. Auch RotGrün Bremen hat für das AsylbLG gestimmt.

     

    Auf Bundesrat.de befindet sich ein Stream der kompletten Sitzung vom 28.11:

    http://www.bundesrat.de/DE/service/mediathek/mediathek-node.html?cms_id=4189511

     

    Bei Minute 39 ist die Abstimmung zum AsylbLG. Die Tische der Länder sind alphabetisch geordnet: Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen.

     

    BaWü, Bayern (ganz oben rechts) und Thüringen (ganz unten rechts) sind nicht im Bild sichtbar.

     

    Die 13 sichtbaren Länder haben mit Ausnahme von Brandenburg und Sachsen alle für die AsylbLG-Novelle gestimmt.

     

    Kretschmann hat in den HEUTE-Nachrichten die AsylbLG-Novelle hoch gelobt: "Des isch ein guter Kompromiss, der dient den Flüchtlingen, der dient den Kommunen, der dient den Kommune, der dient den Kommunen..."

  • Genau: ein Sieg für Winfried Kretschmann

    eine Niederlage für Geflüchtete.