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Showdown bei Mindestlohn und Krippen

Auf einem Koalitionsgipfel wollen Union und SPD heute Abend ihre großen Streitfragen klären. Eine Einigung wird aber nur bei der Kinderbetreuung erwartet. Die CDU-Forderung nach Abschaffung der Erbschaftsteuer ist seit dem Wochenende vom Tisch

AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN

Wenn sich die Spitzen von Union und SPD heute Abend zum Koalitionsgipfel treffen, stehen beide Seiten unter Druck. Es geht um Themen, die seit geraumer Zeit für Streit sorgen. Allen voran der Mindestlohn. Für Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) steht fest, dass es eine gesetzlich festgelegte Untergrenze für Löhne geben muss. Diese sieht er bei rund 6,50 Euro.

Die Union ist dagegen und fällt auch nicht auf Münteferings semantische Verschleierungen herein, das Wort „gesetzlicher Mindestlohn“ durch „Lohnuntergrenze“ oder „Auffanglohn“ zu ersetzen. Kanzlerin Angela Merkel bekräftigte vergangene Woche bei einem Treffen mit DGB-Chef Michael Sommer, ein allgemein gültiger gesetzlicher Mindestlohn gefährde Arbeitsplätze und sei daher mit ihrer Partei nicht zu machen. Die Union setzt nach wie vor auf die Tarifparteien und kann sich höchstens vorstellen, das Entsendegesetz auf einige weiteren Branchen auszudehnen. Damit werden Tariflöhne in einer Branche für allgemeinverbindlich erklärt. Diese Regelung gilt bereits für die Bau- und Reinigungsbranche.

Auch die SPD befürwortet eine möglichst weite Ausdehnung des Entsendegesetzes. Zusätzlich verlangt sie aber eine gesetzlich festgelegte Untergrenze. Sie soll Tarifabschlüsse von 3,18 Euro wie in der thüringischen Friseurbranche verhindern.

Eine Einigung auf echte Mindestlöhne wird es heute wohl nicht geben – und damit bis Ende der Wahlperiode 2009 nicht mehr. Der Koalitionsgipfel gilt als letzte Chance für einen Kompromiss. Beide Parteien haben aber klargemacht, dass sie lieber keine Einigung als zu viele Zugeständnisse möchten. Die SPD erwägt, den Mindestlohn zum Wahlkampfthema zu machen. Einigen könnten sich beide Seiten heute Abend aber auf eine Ausweitung des Entsendegesetzes. Zudem will die Union „sittenwidrige Löhne“ verbieten lassen, die mehr als 30 Prozent unter dem Tarif liegen. Das ist für Müntefering zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, trotzdem dürfte die SPD zustimmen.

Die Kanzlerin hat als Vorschlag zur Güte am Wochenende außerdem angekündigt, sie wolle den Arbeitsminister damit beauftragen, über die Entwicklung im Niedriglohnsektor regelmäßig Bericht zu erstatten. Dann werde sich zeigen, wo eine schützende Tarifbindung fehle und wo es daher gemeinsam mit den Tarifparteien Handlungsbedarf gebe, so Merkel.

Neben dem Mindestlohn stehen die Themen Krippenplätze, Haushalt und Sicherheit heute Abend auf der Tagesordnung. Bei den Krippenplätzen stehen die Chancen auf eine Einigung gut. Nach Vorverhandlungen zwischen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte auch Kanzlerin Merkel zu: Der Bund soll sich nicht nur an den Investitions-, sondern auch an den Betriebskosten der Krippen zu einem Drittel beteiligen. Teile der CDU sind zudem bereit, einem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz zuzustimmen. Dies fordert die SPD.

Strittig dürfte dagegen das Thema Sicherheit werden. Vor allem Innenminister Wolfgang Schäubles Wunsch nach Bundeswehreinsätzen im Inneren stößt in der SPD auf Ablehnung. Auch ein Flugsicherheitsgesetz, das den Abschuss eines von Terroristen entführten Flugzeugs erlaubt, will die SPD nicht.

Beim Haushalt wollen die Koalitionspartner festlegen, wofür die höheren Steuereinnahmen bis 2011 verwendet werden sollen. Pro Jahr gibt es noch rund zwei Milliarden Euro zu verteilen. Diese fließen wahrscheinlich in Familienförderung, Forschung, Krankenversicherung, Entwicklungshilfe, Klimaschutz sowie die innere und äußere Sicherheit.

Ein umstrittenes Thema immerhin konnten die Regierungsparteien am Wochenende schon zu den Akten legen: die Erbschaftsteuer. Die Union hatte die Abschaffung gefordert, die SPD daraufhin mit Koalitionsbruch gedroht. Nun steht fest, dass künftig aus der Erbschaftsteuer mindestens so viel Geld in die Staatskasse fließen soll wie bisher. Dafür sollen Firmen weiterhin keine Erbschaftsteuer zahlen müssen, wenn der Erbe die Firma zehn Jahre lange weiterführt. Details müssen noch ausgearbeitet werden. Allerdings wurde bereits vereinbart, dass die Vermögensübertragung auf Ehegatten und Kinder in „gewissem Umfang“ weitgehend steuerfrei bleiben soll.

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