taz.berlin-Adventskalender (13): Falscher Ehrgeiz an der Kasse
Am Ende des Einkaufs im Supermarkt steht der Einpack-Wettbewerb. Eigentlich eine völlig unnötige Hektik, wenn man mal drüber nachdenkt.
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer, Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem Adventskalender 2021 von solchen Türchen, die die Anonymität einen Moment vergessen lassen.
Als ich in meine erste WG in Berlin zog, vor vielen Jahren, begleitete mich meine damalige Mitbewohnerin einmal zum Einkaufen bei Edeka an der Ecke. Zunehmend skeptisch beäugte sie, wie ich die Tomaten zuunterst packte in meinen Rucksack und die Milchtüten zuoberst. Und wie lange das dauerte, bis alles endlich verstaut war.
Ich vermute, die Leute hinter mir in der Schlange wurden auch schon ungeduldig, so genau weiß ich es nicht mehr; ich war, wie gesagt, mit Einpacken beschäftigt. Man sehe, sagte meine Mitbewohnerin, ich komme vom Dorf (was auch stimmt). Da sei das Tempo an der Supermarktkasse ja offenbar ein anderes. Jedenfalls müsse ich dringend an meiner Einpackgeschwindigkeit arbeiten
Seither ist einige Zeit vergangen. Inzwischen bin ich diejenige, die möglichst unauffällig die Augen zur Supermarktdecke richtet, wenn jemand vor mir unbedingt mit Bargeld und dann auch noch passend bezahlen will. Oder wenn engagierte Eltern ihrem Kind das Erlebnis nicht verwehren möchten, den PIN der EC-Karte einzutippen – auch wenn die Schlange hinter ihnen lang und länger wird.
Mein Ehrgeiz ist, Käse, Brot und Äpfel eingetütet zu haben, bevor die EC-Karte aufs Lesegerät muss. Meistens schaffe ich es.
An diesem Abend allerdings bin ich zerstreut, krame zu spät in meinem Rucksack nach dem Einkaufsbeutel und denke außerdem noch über eine Nachricht auf dem Handy nach, die ich gerade gelesen habe. Als ich wieder hochschaue, ist der Verkäufer an der Kasse gerade dabei, die letzte Packung Käse in meinen Einkaufsbeutel zu packen. „Hier, bitte“, sagt er. Ich gucke überrascht, offenbar hatte ich den Beutel, gedankenverloren, schon ausgepackt und ihn deshalb nicht mehr im Rucksack gefunden.
„Danke“, sage ich. „Das ist ja nett.“ Jetzt krame ich hektisch nach meinem Portemonnaie, damit er nicht vielleicht auch noch auf die Idee kommt, für mich zu bezahlen, um das Ganze ein bisschen zu beschleunigen. „Nur die Ruhe“, sagt er. Und recht hat er.
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