taz-Themenwoche zu Kulturkampf: Im Zeichen des Regenbogens
Ein kleines Sternchen kann gestandenen Mannsbildern die Zornesröte ins Gesicht treiben. Die taz widmet dem Kulturkampf eine Themenwoche.
E s ist dies ein Sommer des Regenbogens in Deutschland. Veranstaltungen zum Christopher-Street-Day zeigen Botschafter einer offenen Gesellschaft. Und nicht wenige waren stolz auf ihr Land, als allüberall Regenbogenfarben zu sehen waren, nachdem die Europäische Fußball-Union es verboten hatte, die Münchner Arena in den Farben der LGBTIQ-Bewegung auszuleuchten. Die deutsche Toleranzgesellschaft zeigte dabei mit dem Finger auf Ungarn, das eine homophobe Gesetzgebung auf den Weg gebracht hat, wie man sie aus Putins Russland kennt.
Was hierzulande wie ein bunter Sommerspaß daherkommt, wird anderswo als existenzieller Kampf ausgetragen. Es ist der Kampf um die Zukunft der offenen Gesellschaft. Die ist auch in Deutschland noch immer eine Utopie. Eine Utopie, die starke Feinde hat. Ein kleines Sternchen kann gestandenen Mannsbildern die Zornesröte ins Gesicht treiben. Rechtspopulisten wissen, dass sie ein Publikum finden, wenn sie von Genderwahnsinn schwadronieren.
Ihr Gesellschaftsbild kennt nur die traditionelle Familie, ihr Nationalismus treibt Rassisten zur Waffe. Manchmal geht es unter dem Regenbogen um Leben und Tod. In Afghanistan ist der Kampf für gesellschaftliche Teilhabe, den Frauen führen, ohnehin existenziell. Währenddessen finden die Anliegen von Roma in Tschechien kaum Gehör. Doch auch hier verbietet sich der deutsche Fingerzeig aus der Haltung der moralisch Überlegenen.
Der Kampf für die Gleichstellung wird hierzulande an Begriffen wie Care-Arbeit und Vorstandsquote geführt. Religiöse Freiheit mag grundgesetzlich festgeschrieben sein. Die Hassprediger wider den Islam, mit denen die AfD in Wahlkämpfe zieht, scheren sich darum nicht. Auch die Rechte von Menschen mit Behinderung lesen sich besser, als ihre Umsetzung im Alltag ist. Und sozial Benachteiligte werden immer noch als schwach bezeichnet. Ist das schon die offene Gesellschaft?
Diversity ist ein gern verwendeter Begriff in diesem Zusammenhang. Konzerne benutzen ihn und machen ihre Belegschaften bunter. Und manchmal gelingt es sogar trans Menschen, eine erfolgreiche Karriere hinzulegen. Dann wird das Hohelied der Diversity angestimmt, währenddessen andere Menschen schon den kulturellen Untergang herbeireden, wenn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit dem nun immer häufiger zu hörenden Klacklaut gegendert wird.
Bei der Bundestagswahl im September, bei der die Themen Klimakatastrophe und soziale Gerechtigkeit gewiss die Hauptrollen einnehmen, steht auch die offene Gesellschaft zur Wahl. Für die taz ist dies Grund genug, sich eine Woche lang intensiv mit diesem Kulturkampf zu befassen. Im Zeichen des Regenbogens – versteht sich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“