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taz-Recherche zu Reichsbürger-RazziaEine Liste mit 18 Namen

Bei einem Terrorverdächtigen wurde eine mutmaßliche Feindesliste gefunden. Darauf stehen Spit­zen­po­li­ti­ke­r:in­nen und Journalist:innen.

Gelistet: Mitglieder des Deutschen Bundestages Foto: Pierre Adenis

Berlin taz | Die mutmaßlichen Rechtsterrorist:innen, die einen Staatsstreich geplant haben sollen, haben offenbar mit Feindeslisten operiert. Bei einem der Beschuldigten wurde nach taz-Informationen eine Liste mit 18 Namen gefunden. Bei den verzeichneten Personen handelt es sich um Po­li­ti­ke­r:in­nen und Journalist:innen. Darunter sind sieben Mitglieder des Bundestags, die am Mittwochmorgen vom Bundeskriminalamt (BKA) über den Sachverhalt informiert wurden. Nach taz-Recherchen stehen unter anderem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sowie der CDU-Politiker Armin Laschet auf der Liste.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken äußerte sich gegenüber der taz zur Namensliste: „Die Gefahr, die von gewaltbereiten Reichsbürgern ausgeht, dürfen wir nicht unterschätzen. Diese Leute fantasieren nicht nur über Verschwörungstheorien. Sie hatten konkrete Pläne, die sie auch bereit waren umzusetzen“, sagte Esken.

Nach taz-Informationen aus Sicherheitskreisen ist auch CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz auf der Liste aufgeführt. Dieser wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern.

Den Ermittlungen des Generalbundesanwalts zufolge sollen einige der Terror-Verdächtigen geplant haben, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen, um dort anwesende Mitglieder der Bundesregierung und Abgeordnete festzunehmen. Laut einer internen Einschätzung der Bundestagspolizei waren die potentiellen Gefahren durch die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden „stets beherrschbar“.

Die Liste wurde den Er­mitt­le­r:in­nen zufolge nicht am jetzigen Mittwoch, sondern bereits vor Einleitung des aktuellen Verfahrens sichergestellt. Laut einer Gefährdungseinschätzung des BKA an das Parlament haben sich bislang keine Anhaltspunkte für eine Konkretisierung der Gefährdung ergeben.

Das Bundeskriminalamt wollte auf taz-Anfrage nicht sagen, ob auch die verzeichneten Jour­na­lis­t:in­nen über die Angelegenheit informiert wurden. Nach taz-Informationen stehen mindestens drei prominente Fern­seh­mo­de­ra­to­r:in­nen öffentlich-rechtlicher Sendungen auf der sichergestellten Liste. Diese wurden nach Angaben aus ihren Sendern aber bislang nicht von der Polizei darüber in Kenntnis gesetzt. Der Generalbundesanwalt wollte sich zu der Angelegenheit auf taz-Anfrage nicht äußern.

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4 Kommentare

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  • Auf der Feindesliste stehen vermutlich mehr Leute, als verhaftet worden sind. Unglaublich (im Wortsinne), dass der Verfassungsschutz nicht mehr von den Rechten hat ermitteln können. Ich bin sicher, ein mittelmäßiger Journalist würde schon doppelt so viele finden. Sie werden ja auch regelmäßig auf ihren Demos gefilmt. Und sind doch so merkwürdig schwer zu finden. Vermutlich weil es ja alles Einzeltäter sind?!

  • Wenn Politiker irgendetwas Heikles oder Unpopuläres durchdrücken möchten, brauchen sie vor der Öffentlichkeit einen großen Aufhänger. Meistens ist es der Schutz vor irgendeiner großen Bedrohung oder Gefahr, was verständlicherweise in der breiten Öffentlichkeit Anklang findet.

    Faeser möchte gerne eine Beweislastumkehr einführen, um vermeintlich verfassungsfeindliche, staatsfeindliche und extremistische Beamte oder Angestellte leichter aus dem öffentlichen Dienst entfernen zu können. Der Beschuldigte muss dann seine Unschuld beweisen, nicht wie bisher der Staat dem Beschuldigten die Schuld. Das sei häufig zu kompliziert, wie Faeser sagt. Diese große Razzia ist der willkommene Aufhänger dafür. Inwiefern der Staat dann die Macht hat, jeden Gegenbeweis vom Tisch zu wischen, kann sich jeder denken. Die Vorlage des Gegenbeweises wird ein erfolgloses und damit sinnloses Unterfangen bleiben. Im Prinzip wäre die Beweislastumkehr der Einstieg in die staatliche Willkür. Und staatliche Willkür ist ein Merkmal jener politischen Systeme, von denen sich Demokratien so gerne abheben. Zudem hängt es häufig von politischen Großwetterlagen und Interessen ab, wer gerade so als Staatsfeind und Extremist zu betrachten ist. Wer heute noch jubelnd zustimmt, kann in wenigen Jahren selber ins Visier geraten, wenn sich die politische Interessenlage geändert hat und er plötzlich zum Störfaktor wird. Dann steht jeder schutz- und hilflos da.

    Das Kennzeichen von Demokratien war immer auch der Schutz des Einzelnen vor einem übermächtigen Staat. Ich kann daher vor solchen Dingen wie Beweislastumkehr nur warnen. Wenn man bedenkt, dass vieles in der Politik nach der Salami-Taktik erfolgt, kann das der langsame Einstieg in einen neuen Totalitarismus werden.

    • @Jan:

      Bei der Umkehr der Beweispflicht stimme ich Ihnen zu. Allerdings handelt es sich hier um bewaffnete Rechtsterroristen mit der AfD als politischem Arm in den Parlamenten.

    • @Jan:

      Wunderbar teffend das Agieren und die Propaganda der extremen Rechten und Reichsbürger beschrieben. Nur der Staat steht zwischen uns und ihren totalitären und menschenverachtenden Vorstellungen!