taz-Community über Grünen-Klimapolitik: „Die Grünen haben jetzt die Chance“
Zögerlich haben sich die Grünen zur +1,5-Grad-Marke bei der Erderhitzung bekannt. taz-NutzerInnen in sozialen Netzwerken sind weiter skeptisch.
Auf ihrem kürzlichen Parteitag haben die Grünen einen innerparteilichen Konflikt beilegen können: die Frage, ob die Ökopartei das +1,5-Grad-Ziel bei der Erderhitzung zur Grundlage ihrer Politik macht. In ihrem Grundsatzprogramm heißt es nun: „Es ist daher notwendig, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen.“ Doch überzeugt das die vielen Klimaaktivist:innen, die sich von den Grünen mehr wünschen?
Seit dem Sommer baut die taz einen Instagram-Kanal rund um die Klimakrise auf. Dort fragten wir unsere Community: „Nehmen die Grünen den Klimaschutz ernst genug?“ Innerhalb eines Tages machten 350 Menschen mit, und das Ergebnis fiel eindeutig aus: 75% hatten mit „Nein“ gestimmt. Einige unserer Leser:innen haben ihre Antwort für uns begründet, die wir hier veröffentlichen.
„Nehmen die Grünen den Klimaschutz ernst genug?“
NEIN. Wenn man sich als Klimaschutzpartei und neuerdings auch als 1,5-Grad-Partei wählen lässt, dann geht das nicht mit einer „Weiter so“-Politik. Die Grünen haben jetzt die Chance und die Verantwortung eine Debatte darüber zu beginnen, wie wir rechtliche, wirtschaftliche und soziale Fragen lösen, die das Pariser Abkommen aufwirft. Am Beispiel des Dannenröder Forstes hätten die Grünen in Hessen zum Beispiel die Möglichkeit gehabt, zu hinterfragen, wie wir mit alten Verträgen umgehen, die nicht paris-kompatibel sind. Stattdessen meiden sie die Konfrontation und verstecken sich hinter den Verträgen.
Svea, 21, Psychologie-Studentin und Fridays-for-Future-Aktivistin
JA. Die formulierten Ambitionen der Grünen sind gut und wichtig. Dennoch dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass die Umsetzung des 1,5-Grad-Ziels auch sehr wahrscheinlich nicht unbedenkliche Geoengineering Maßnahmen erfordert. Es braucht einen globalen gesellschaftspolitischen Diskurs im Einklang mit dem Paris Abkommen, bei dem aktiv Länder des globalen Südens einbezogen und entschädigt werden. Es braucht keine ausgedehnte Diskussion ob 1,5 oder 2 Grad. Wichtig ist, dass wir JETZT handeln.
Christan Belz, 26, Bonina Mußmann, 23, und Sebastian Lindlar, 27, drehen gemeinsam einen Film über den unberechenbaren Faktor beim Klimawandel – den Menschen
NEIN. Indem sich die hessischen Grünen nicht schon im Koalitionsvertrag eindeutig gegen die Rodung des Dannis positioniert haben, haben sie das Vertrauen ihrer Wähler*innen missbraucht. Einen Antrag der Linken, die Rodungen zu stoppen, lehnten die Grünen ab. Viel schlimmer noch ist ihre Heuchelei. Gerne betonen die Grünen, nicht mehr gegen die Rodung tun zu können, was jedoch durch ein Gutachten von Greenpeace widerlegt wurde: Juristisch hätte es die Möglichkeit gegeben, die Rodungen aufzuschieben und den Danni zu retten. Wenn das das neue Grün ist, dann doch lieber links oder die Klimaliste.
Helena Eckhoff, 19, Abiturientin und Klimaaktivistin bei Fridays for Future und Extinction Rebellion
NEIN. Von Fridays For Future zu fordern, dass sie weiter das 1,5 Grad Ziel hochhalten, aber gleichzeitig diejenigen in Ruhe lassen sollen, die jetzt schon das 2-Grad-Ziel festschreiben, ist lachhaft. Dadurch wird nur auf der einen Seite Tür und Tor geöffnet für weiteres verwischen der wissenschaftlichen Fakten und FfF wird langsam und leise von den grünen Opportunist*innen aus der Diskussion verdrängt. Political Business as usual.
Julian Gronostay, 31, Erzieher
JA. Keine Partei hat in den letzten Jahren dem Klima so geschadet, wie die CDU/CSU. Klar, Kritik an den Grünen ist berechtigt, aber ohne Mehrheiten jenseits der Union wird auch keine Klimaliste, kein Grünen-Boykott, zu mehr Klimaschutz führen. Wenn wir uns spalten lassen, werden wir versagen. Deshalb müssen wir im nächsten Jahr klare progressive Mehrheiten erkämpfen. Eine grün-rot-rote Regierung wird der Klimabewegung die Chance geben, wirksam außerparlamentarischen Druck aufzubauen.
Lukas Gress, 17, Schüler und Fridays-for-Future-Aktivist
NEIN. Die Danni-Rodung kann gestoppt werden, sollten die Grünen es tatsächlich wollen. Bei Jamaika war die Klimapolitik mit das erste, was die Grünen zugunsten einer Regierungsbeteiligung aufgegeben hätten – Treue zu eigenen Grundsätzen sieht anders aus. Klimagerechtigkeit kann nicht mit grünem Kapitalismus erreicht werden. Grüne Politik darf kein Privileg, sondern muss sozial gerecht sein. Doch Anspruch und Wirklichkeit klimagerechter Politik der Grünen stehen noch auf unterschiedlichen Blättern.
Corvin Drößler, 21, Geographie-Student, Fridays-for-Future-Aktivist und Politischer Geschäftsführer von Die PARTEI in Brandenburg
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