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taz-Autorin Bettina Gaus gestorbenEine der wichtigsten Stimmen

Die taz trauert um Bettina Gaus. 30 Jahre lang hat sie für die Zeitung als politische Korrespondentin gearbeitet – bis zum vergangenen Frühjahr.

Bettina Gaus, Mai 1998 Foto: Wolfgang Borrs

Bettina ist vergangene Woche gestorben, und wir hörten die Nachricht mit Entsetzen. Sie hatte doch gerade noch eine Kolumne beim Spiegel veröffentlicht? Doch diejenigen in der taz, die Bettina nahestanden, wussten schon länger, dass sie schwer krank war.

30 Jahre hat Bettina für die taz gearbeitet. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sie eine der wichtigsten Stimmen in der taz-Geschichte war. Über viele Jahre – auch zu der Zeit, als politische Gesprächsrunden üblicherweise noch vor allem aus Männern bestanden – war Bettina das prominenteste Gesicht der taz im Fernsehen. Und auch nach innen hatte sie stets einen fulminanten Auftritt, ergriff Partei, überzeugte durch pointierte Argumentation.

Dominic Johnson hatte Bettina zur taz geholt, ihr erster Text erschien Anfang 1991 und handelte von Somalia. Fünf Jahre lang berichtete sie von den Kriegsschauplätzen Afrikas – teils unter beträchtlichen Risiken. Dass Bettina in Afrika natürlich viel mehr als nur einen Krisenherd sah, betonte sie stets, auch eines ihrer Bücher handelte davon, sein Untertitel lautete „Reise zur Mittelschicht Afrikas“.

Bettina wurde taz-Parlamentskorrespondentin – noch in Bonn, nach dem Hauptstadtumzug in Berlin. Sie war in der Analyse immer scharf, aber unverwüstlich freundlich auch zu Kolleginnen und Kollegen, deren Meinung sie oft so gar nicht teilte. Zehn Jahre lang schrieb sie dann ihre Kolumne „Macht“ für unsere Wochenendausgabe – die letzte im März. „Was ich gelernt habe: Je weniger Macht jemand hat, desto mehr weiß sie oder er über die Mächtigen“, erzählte sie darin – und wie falsch es sein kann, wenn die Mächtigen zu wenig über die Ohnmächtigen wissen. Nur müsse man eben in jeder Debatte sorgfältig sortieren, wer mächtig und wer ohnmächtig ist, und darauf achten, wie Machtverhältnisse sich auch verknäulen können.

Im Frühjahr, vor wenigen Monaten erst, ging Bettina mit 64 Jahren als Kolumnistin zum Spiegel. Ein Ex-taz-Kollege hatte sie dorthin gelockt – wir vermuteten frotzelnd: bestimmt mit dem Versprechen, dass sie dort im Gebäude auch rauchen dürfe.

Wir haben sie vermisst, jetzt vermissen wir sie gemeinsam mit den Spiegel-Kolleg:innen und sicherlich all den anderen, die ihre Stimme in der politischen Öffentlichkeit kannten und schätzten. Die taz-Redaktion sitzt zur Stunde an einem großen Nachruf, der bald auch an dieser Stelle erscheinen wird.

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15 Kommentare

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  • Bettina Gaus mit Alleinstellungsmerkmal, ihrem ungestümen Mädchenschopf Kopfnicken nicht zu Meinungen, zu Anlässen, sich zu beteiligen bei Meinungsbildung im gesprochenen wie geschriebenem Wort, Zeitzeugenschaft abzulegen, wenn möglich, den Ball bei allen Gegensätzlichkeiten diplomatisch flachzuhalten, mit Sinn Anhänglichkeit ihrer für mich erstaunlichen Fangemeinde zu pflegen, wird mir fehlen.

    Bettina Gaus war begnadete Interviewerin bei ihren Fragen mit klarsichtiger Verve wie im taz Interview mit Verteidigungsexperte (Grüne) Winfried Nachtwei 3. 2. 2001 nach Bundeswehr Kosovoeinsatz 1999 ohne Uno Mandat, der nach Bundestagswahlsieg RotGrün September 1998 bevor neue Bundesregierung vereidigt war, bevor neuer Bundetag zustande kam noch vom vorherigen Bundestag mit mehrheitlicher Zustimmung Bündnis90/Grüne, SPD verfassungwidrig 22.12.1998 beschlossen wurde

    Winfried Nachtwei:



    Beim Aufbau der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in ihrer militärischen Säule hat es die parlamentarische Mitwirkung nicht gegeben. Das waren Initiativen der Regierungen. Parlamentarische Kontrolle kann vor allem über die nationalen Militärhaushalte und Einsatzentscheidungen ausgeübt werden. Am Parlamentsvorbehalt ändert sich aber auch künftig nichts



    Bettina Gaus



    Woher nehmen Sie diesen Optimismus? Innerhalb des Bündnisses wird eine größere Arbeitsteilung angestrebt. Ist die Vorstellung nicht realitätsfern, dass sich ein einzelner Staat aus einem Einsatz heraushalten kann, der in einem gemeinsamen militärischen Verband ganz spezifische Aufgaben übernommen hat?

    Winfried Nachtwei:



    Darin besteht in der Tat das Problem einer weitgehenden Arbeitsteilung zwischen verschiedenen nationalen Streitkräften, der Druck auf das Parlament wächst, einem von den Bündnispartnern gewünschten Einsatz zuzustimmen.



    taz.de/Kosovokrieg...rdraengt/!1908962/

    oder taz 21.4.1999 "Kosovo-Krieg: Trittin bleibt auf Regierungskurs - leider"

    taz.de/Feigheit-vo...m-Freund/!1292170/

  • Was fuer eine traurige Nachricht! Bettina Gaus war eine Spitzenjournalistin und kam dazu immer ausserst menschlich und sympathisch rueber - R.I.P.

  • War Bettina Gaus nicht diejenige, die den Wahlerfolg von Trump treffsicher vorraussagte?

  • Wie traurig! Sie wird uns allen mit ihrer klugen, eigenständigen Stimme fehlen, ob in der taz, ob im Spiegel.

  • 3G
    34936 (Profil gelöscht)

    Ich war zuletzt bei SPON fast immer ihrer Meinung, bei der taz fast nie. Sie blieb aber mir immer eine der sympathischsten und ehrlichsten Journalistinnen, vielleicht die beste weibliche des Landes.

    RIP



    Bettina Gaus

  • Als ob es in diesen Tagen nicht schon genug traurige Nachrichten geben würde. Ja - der Tod gehört zum Leben, aber das Leben darf niemals dem Tod gehören.

  • only the good die young

  • Ein großer Verlust. Eine kluge Journalistin, analytisch, eigenständig, nie irgendeinem Mainstream folgend, immer fair, immer die Dinge von möglichst vielen Seiten beleuchtend. Ihre Analysen und Kommentare würden so dringend gebraucht in diesen Zeiten. Ich werde sie vermissen.

    • @Skolebuss:

      Schließe mich auch an. Wie traurig.

    • @Skolebuss:

      Ich schließe mich an.

      • @Jim Hawkins:

        anschließe mich ook.

        Bettina Gaus - war eine Gute - wie‘s im Ruhrgebiet so treffend heißt.



        Gute Reise - Bettina Gaus - 💐-

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Das ist traurig.

  • Der Spiegel war, scheint's, kein Gesundbrunnen.



    Gute Reise!!!

  • Diese Frau war unfähig, mit den Wölfen zu heulen oder die "allgemeine Meinung" einfach nachzubeten. Ich werde ihre eigenständigen und klugen Kommentare vermissen.

  • Ich werde Dich vermissen :-(