Kommentar
: Feigheit vor dem Freund

■ Kosovo-Krieg: Trittin bleibt auf Regierungskurs - leider

Politiker haben's schwer. Dauernd werden sie falsch zitiert, so wie jetzt Umweltminister Jürgen Trittin. Agenturmeldungen zufolge soll er die Luftangriffe auf Jugoslawien als Fehler bezeichnet und die schnelle Korrektur dieser Fehlentscheidung gefordert haben. Gott bewahre, was für ein Mißverständnis! Flugs teilte sein Sprecher mit, die Auffassung des Ministers sei nicht korrekt wiedergegeben worden. Trittin stehe zum Kurs der Bundesregierung. Nach dem Scheitern von Rambouillet habe es keine Alternative zu einem militärischen Eingreifen gegeben. Schröder wird sich freuen, das zu hören.

Die WählerInnen haben hingegen wieder einmal Anlaß zur Verwunderung. Ansichten zu einzelnen Themen stehen gerade bei Berufspolitikern im allgemeinen nicht im luftleeren Raum, sondern fügen sich in ein Koordinatensystem von Überzeugungen und Grundsätzen, aus dem sich eine Weltsicht formt. Nun können sich Überzeugungen auch wandeln. Aber so schnell bei so vielen Leuten gleichzeitig? Wer Militärinterventionen schon seit längerer Zeit für ein geeignetes Mittel zur Lösung politischer Krisen hält, hat in diesen Wochen kein Glaubwürdigkeitsproblem. Im Gegensatz zu manchen, die jahrelang zungenfertig vor einer Militarisierung der Außenpolitik warnten.

Die Bevölkerung ist hinsichtlich der Nato-Angriffe auf Jugoslawien geteilter Meinung. Das spiegelt sich auch in den Medien und im öffentlichen Diskurs von Intellektuellen wider. Im Parlament aber sind die Gegner des Nato-Kurses unterrepräsentiert. Wer die Militäraktion für einen Fehler hält, sieht sich im Bundestag auf die PDS und eine winzige Minderheit von Abgeordneten der Regierungskoalition verwiesen. Die muß sich gelegentlich auch noch beleidigende Äußerungen von eigenen Parteifreunden gefallen lassen.

Kontroverse Anhörungen zum Thema im US-Kongreß zeigen, daß politische Leisetreterei keine zwangsläufige Folge des Krieges sein muß. Während in Washington engagierte Debatten geführt werden, wird in Bonn gelegentlich Feigheit mit Vorsicht verwechselt. Unter den deutschen Kritikern des Nato-Einsatzes finden sich sehr wenige, die den Zenit ihrer politischen Karriere noch vor sich zu haben glauben. Wer daran bastelt, hält sich zurück. Der Krieg hat auch hierzulande Kollateralschäden gefordert. Er hat die parlamentarische Demokratie beschädigt. Bettina Gaus