Femizide als Straftat: Neue italienische Härte
Italien will Femizide mit einem neuen Gesetz zum eigenen Straftatbestand machen. Ist das Symbolpolitik oder Zeichen des kulturellen Wandels im Land?
„Wer den Tod einer Frau verursacht, wenn die Tat als Akt der Diskriminierung oder des Hasses gegen die geschädigte Person als Frau oder um ihr die Ausübung ihrer Rechte oder ihrer Freiheit zu verwehren, verübt, wird mit lebenslanger Haft bestraft“, heißt es in dem Entwurf.
Die Verabschiedung im Parlament gilt als sicher, denn nicht nur die Regierungs-, sondern auch die Oppositionsparteien unterstützen das Vorhaben. Aber ändert die neue Norm überhaupt etwas außer der Tatsache, dass in Zukunft die Verurteilung wegen „Femizid“, nicht wegen „Mord“ erfolgt? Spektakuläre Fälle der jüngeren Vergangenheit scheinen für das Gegenteil zu sprechen.
Im November 2023 erschütterte der Fall der Studentin Giulia Cecchettin Italien. Die 22-Jährige wurde von ihrem Ex-Freund und Kommilitonen Filippo Turetta ermordet, weil sie ihn verlassen hatte. Turetta hatte das Delikt akribisch geplant – ganz so wie sechs Monate zuvor Alessandro Impagnatiello. Der 31-jährige Barkeeper hatte seine schwangere Freundin mit zahlreichen Messerstichen getötet, sich aber schon in den Monaten zuvor im Internat ausführlich über Giftmorde informiert. Beide Täter erhielten auf der Grundlage der schon geltenden Normen lebenslänglich.
„Kollektive Bewusstwerdung“
Dennoch begrüßten die beiden Väter der ermordeten Frauen jetzt das neue Gesetz; Gino Cecchettin erklärte, der neue Tatbestand Femizid sei ein Akt „kollektiver Bewusstwerdung, eine Differenzierung, die nötig war“. Nötig zumindest in den Fällen, in denen Gerichte mildernde Umstände für den Frauenmörder fanden. So verurteilte im Jahr 2022 ein Gericht in Palermo einen Unternehmer zu 19 Jahren Haft, der seine schwangere Geliebte erstochen hatte.
Das Gericht machte sich die Einlassungen des Angeklagten zu eigen, er habe im „Raptus“ gehandelt, als Impulstäter. Allerdings hob das Kassationsgericht das Urteil als zu milde auf, und in der Neuverhandlung gab es doch lebenslang. Solche Neuverhandlungen würden mit dem neuen Gesetz eher unwahrscheinlich, da lebenslänglich zur Norm wird. Und auch wenn einige Oppositionspolitiker:innen beklagten, das neue Gesetz sei bloß ein „Werbespot“ für die Regierung, steht es doch für den radikalen kulturellen Wandel, den Italien in den letzten 40 Jahren erlebt hat.
Erst im Jahr 1981 wurden die Bestimmungen zum „Ehrendelikt“ aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Sie sahen vor, dass Ehemänner, Väter, Brüder mit Haft von bloß drei bis sieben Jahren bestraft wurden, wenn sie eine Frau aus ihrer Familie wegen „illegitimer fleischlicher Beziehungen“ umbrachten. Und meist gab es in den Urteilen eher drei als sieben Jahre. Früher höchst mild bestrafte „Ehrendelikte“, in Zukunft äußerst hart sanktionierte „Femizide“: Der Wind hat sich gedreht.
Keine Prävention
Doch die Regierung Meloni muss sich aus den Reihen der Opposition vorwerfen lassen, sie tue nicht genug, sie setze bloß auf Repression, nicht auf Prävention. Bis heute ist in Italiens Schulen die Sexual- und „Beziehungserziehung“, wie es im Land heißt, kein bindender Bestandteil der Lehrpläne, und wenn es nach der regierenden Rechten geht, soll das auch so bleiben. So erklärte ein Lega-Abgeordneter, über „heikle Themen“ solle gefälligst zu Hause, nicht in der Schule, geredet werden. Sonst, so fürchtet er, könnten „politisierte Lehrer“ ja dabei auch die „Gender-Ideologie“ in den Unterricht tragen.
Ganz anders sieht das Franco, der Vater der im Jahr 2023 ermordeten Giulia Tramontano. „Vorbeugen, nicht bloß verurteilen“ sei der Weg. Vorbeugen, auch in der Erziehung in den Schulen, vorbeugen, aber auch mit ökonomischer Hilfe für bedrohte Frauen. So sieht das auch der Gewerkschaftsbund CGIL: „Die Frauen wollen Rechte als lebende Personen“.
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