rechter mord: Versehen oder Vertuschung?
Hinschauen war eines der meistgenannten Wörter der vergangenen Wochen. Hinschauen, das heißt vor dem Hintergrund rechter Gewalttaten: Initiative ergreifen, Akzente setzen, sich einmischen. So weit zur Theorie.
Kommentar von UWE RADA
In der Praxis sieht es leider anders aus, auch bei den Berliner Strafverfolgungsbehörden. Wenn erst jetzt bekannt wird, dass rechte Jugendliche im Mai einen Sozialhilfeempfänger in seiner Pankower Wohnung verprügelt und kurz darauf erstochen haben, ist das das genaue Gegenteil von Hinschauen, Initiative-Ergreifen.
Die Stellungnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft jedenfalls sprechen für sich. Die Polizei, obwohl wegen „Heil Hitler“-Rufen angefordert, erwähnt diese in einer Presseerklärung mit keinem Wort und verweist auf die Staatsanwaltschaft. Diese wiederum stellt sich dumm und weiß nicht einmal, wie man Presseerklärung buchstabiert. Ein bloßes Versehen oder vorsätzliche Vertuschung?
Auf Fahrlässigkeit kann man sich heute jedenfalls nicht mehr berufen. Auch nicht bei Straftaten, die keine Ausländer zum Opfer haben, sondern andere: Sozialhilfeempfänger, Obdachlose, Schwache. Oder haben Polizei und Staatsanwaltschaft nichts von den beiden Morden an Obdachlosen in Mecklenburg-Vorpommern gehört, die die ganze Republik beschäftigt haben? Warum hat keiner der Beamten, die mit dem Pankower Fall beschäftigt waren, diese Morde zum Anlass genommen, Initiative zu ergreifen, mitzuteilen, dass solches nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern mitten in der Hauptstadt passiert?
Welche Gründe Polizei oder Staatsanwaltschaft im Einzelnen für ihr Nichthinsehen angeben mögen, einen Vorwurf müssen sie sich gefallen lassen: Berlin ist, was die Vertuschung rechter Gewalttaten betrifft, auf dem Niveau eines Provinznests angekommen, in dem die Behörden einen politischen Hintergrund so lange ausschließen, bis das Gegenteil bewiesen ist.
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