orte des wissens: Zwischen Bienen, Bauern und Pestiziden
Seit ein paar Jahren leistet sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein „Fachinstitut für Bienenschutz“
Bienen haben es schwer, ob von Imkern gehegt, ob wild lebend. Da ist die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, ihren Herbiziden und Pestiziden, ihrer Zerstörung natürlicher Lebensräume. Da ist die Versiegeltheit der Städte. Da ist der Klimawandel. Ursachen, die Folgen haben, auch für die Nahrungsproduktion. Je weniger Bienen, desto weniger Bestäubung von Pflanzen. Je weniger Bestäubung, desto weniger Ernteertrag.
Das 50 Mitarbeitende starke „Fachinstitut für Bienenschutz“, 2016 als Teil des Julius-Kühn-Instituts gegründet, mit Sitzen in Braunschweig und Berlin, ist angetreten, „die Interaktionen zwischen Bienen und der Landwirtschaft zu erforschen“, sagt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dem es untersteht.
Es geht um Labor- und Freilandversuche, Bestands-Monitoring, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden: um Grundlagenforschung, gepaart mit Praxisanwendung. Die Nähe des Instituts zur Landwirtschaft wirft Fragen auf: Geht es nur um Bienen als Nutzbringer? „Wir befassen uns nicht mit wirtschaftlichen Fragen“, sagt Institutsleiter Jens Pistorius. „Uns geht es darum, Bienen so zu schützen, dass sie nicht geschädigt werden, ihre Bestäuberleistung erbringen können, auch die Wildbienen, auch bei Wildpflanzen. Da geht es also auch um den Erhalt der Artenvielfalt.“
Beim Pflanzenschutz sei es „wie mit Feuerwehr und Brandvorsorge“, sagt der Agrarbiologe. Das Ziel sei immer, dass die Feuerwehr möglichst selten gebraucht werde. „Unsere Vorlaufforschung ist wichtig“, sagt er, „um sicherzustellen, dass wichtige Fragen im Spannungsfeld zwischen Bienenschutz und Pflanzenschutz so gelöst sind, dass möglichst keine toten Bienen bei uns auf dem Untersuchungstisch landen.“
Pestizidexperte Lars Neumeister, Diplom-Ingenieur für Landschaftsnutzung und Naturschutz mit Auftraggebern von Greenpeace bis zum WWF, sieht das Institut kritisch. „Da mischt sich Wissenschaft mit Agrarlobbyismus“, sagt er der taz. „Klar, da arbeiten auch tolle Leute. Aber die müssen ja dem Sprech der Regierung folgen.“ Fortschritt im Pflanzenschutz sieht er nicht. „Oft steht die Zulassung einzelner Wirkstoffe im Fokus. Aber es kommt ja zu Anwendungen mehrerer Mittel auf den gleichen Flächen. Da gibt es dann Wechselwirkungen.“
In der Landwirtschaft „sollten und müssten sich Änderungen vollziehen“, sagt Pistorius. „Unsere Arbeit trägt dazu bei, dieses Ziel zu erreichen.“ Aber das dauert. Immer wieder kommt es zu Bienenvergiftungen. „Wir klären Schadensursachen auf, führen gerichtsfeste Analysen durch“, sagt Pistorius. „Wenn einem Landwirtschaftsbetrieb ein Fehlverhalten nachgewiesen wird, kann es empfindliche Strafen geben.“
Der Blick des Instituts gehe weit über den einzelnen Wirkstoff hinaus, „denn Wirkstoffe können sehr synergistisch wirken, im Sinne einer Mischtoxizität“. Jeder einzelne für sich mag in Ordnung sein, aber in ihrer Wechselwirkung ist das vielleicht anders. „Leider sind die Hersteller nicht verpflichtet, diese Interaktionen zu untersuchen.“
Die Verluste bei der Honigbiene lassen sich durch Imker ausgleichen. „Bei Wildbienen ist das anders“, sagt Pistorius. „Da sehen wir einen Rückgang der Artenvielfalt.“ Über 600 Wildbienenarten gibt es in Deutschland; viele sind gefährdet, vom Aussterben bedroht.
Institutsleiter Jens Pistorius
Pistorius ist selbst Imker, mit 15 bis 20 Völkern nächstes Jahr. Als Imker spüre man eine Faszination für das Bienenvolk, seine Funktionalität, sagt er. „Mir selbst geht es bei meinem Hobby nicht primär um den Ertrag. Der Honig ist mir ziemlich egal, den lasse ich meist den Bienen. Die Beschäftigung mit den Tieren selbst ist mir Antrieb genug.“
Harff-Peter Schönherr
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