die dritte meinung: Peter Schäfers Rücktritt schadet dem Pluralismus in der jüdischen Gemeinschaft, sagt Micha Brumlik
Micha Brumlik
71, lehrte an der Universität in Frankfurt am Main und leitete u. a. das dortige Fritz-Bauer-Institut. Er ist Senior Advisor am Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg und taz-Kolumnist.
Der Rücktritt von Peter Schäfer mag den Zentralrat der Juden mit einem Zuwachs an Selbstbewusstsein erfüllt haben: Tatsächlich hat er einen Pyrrhussieg errungen. Denn es ist dies auch ein Sieg über den Pluralismus innerhalb der jüdischen Gemeinschaft – national wie weltweit. Der Anlass der Rücktrittsforderung – der von dem Museum geteilte Tweet der taz über die Erklärung von 240 jüdischen und israelischen Wissenschaftlern, dass BDS nicht antisemitisch sei, war nämlich alles andere als eine Solidaritätserklärung mit BDS, sondern allenfalls eine Richtigstellung.
Unbestreitbar haben sich die Gelehrten damit gegensätzlich zur Mehrheit der (nichtjüdischen) Bundestagsabgeordneten positioniert – aber warum soll diesen Abgeordneten eine Deutungshoheit darüber zukommen, was „antijüdisch“ und damit eben auch was „jüdisch“ ist?
Zu den Unterzeichnern jener Erklärung gehören keineswegs nur die „üblichen Verdächtigen“, sondern Koryphäen wie die Soziologin Eva Illouz, Amos Goldberg, dessen Werk über das Schreiben von Tagebüchern während des Holocaust zustimmendes Aufsehen erregt hat sowie der emeritierte Jurist Haim Gans, dem wir wesentliche Einsichten über die rechtlichen Bedingungen der zionistischen Staatsgründung verdanken. Drei von zweihundertundvierzig, die sich eben nicht mit BDS solidarisierten, sondern lediglich feststellten, zu BDS unterschiedliche Meinungen zu haben: „Einige mögen BDS unterstützen, andere lehnen es aus verschiedenen Gründen ab. Wir alle lehnen jedoch die trügerische Behauptung ab, dass die BDS-Bewegung als solche antisemitisch sei, und wir verteidigen das Recht jeder Person oder Organisation, sie zu unterstützen“
Dem Zentralrat der Juden scheint die Meinung mehr oder minder uninformierter Bundestagsabgeordneter also wichtiger als die Überzeugung gelehrter Frauen und Männer. Das widerspricht der Tradition der jüdischen Gelehrtenkultur ebenso, wie es doch dem nahekommt, was man früher als „Hofjudentum“ bezeichnet hat.
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