piwik no script img

Wahlprogramm von CDU/CSUAlbtraum für die Umwelt

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Die Union will Fortschritte in der Agrarpolitik zurückdrehen. Die Natur würde leiden und langfristig auch die Bauern. Es gibt aber auch gute Ansätze.

Von weniger Schweinen ist im Wahlprogramm der CDU/CSU nicht die Rede Foto: Boris Roessler/dpa

D as Kapitel zur Landwirtschaft im Wahlprogramm der Union liest sich wie eine Wunschliste von Bauernverband und Industrie. Und es ist ein Albtraum für Umweltschützer. Langfristig wird das Programm von CDU und CSU für die Bundestagswahl auch den Bauern eher schaden als nützen. In diesem Kapitel steht viel auf dem Spiel: Die deutsche Landwirtschaft erzeugt die meisten Lebensmittel für den hiesigen Verbrauch.

Die Branche ist aber auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. Sie verursachte 2022 inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treib­hausgase in Deutschland. Viele Tiere werden unter Bedingungen gehalten, die die meisten Deutschen kritisieren. Und doch wollen CDU und CSU die Landwirtschaft möglichst so weitermachen lassen wie in ihrer letzten Regierungszeit.

Dafür würden sie auch den ein oder anderen ohnehin kleinen Fortschritt der Ampel-Jahre wieder zurückdrehen. „Wir führen die Agrardieselrückvergütung wieder vollständig ein“, heißt es im Programm. Das war die prominenteste Forderung der Bauernproteste im letzten Winter. Die Landwirte wollen auch weiterhin rund 450 Millionen Euro jährlich an Energiesteuer auf den Diesel für Traktoren und andere Landmaschinen erstattet bekommen.

Dabei erhält die Branche mit nur rund 1 Prozent der Erwerbstätigen ohnehin schon überproportional großzügige Subventionen. Einen fossilen Kraftstoff zu subventionieren, ist mit Blick auf den Klimaschutz völlig falsch. Der Anreiz, treibhausgasintensiven Sprit einzusparen, fiele weg. Für Klima und Natur wären aber zum Beispiel mehr Traktoren mit Anlagen sinnvoll, die den Reifendruck so regeln, dass der Verbrauch sinkt. Auch Elektromotoren für kleinere Maschinen würden ohne Dieselsubventionen deutlich wettbewerbsfähiger.

taz Themenwoche Klima

Im Wahlkampf spielt die Klimakrise keine große Rolle. Dabei schreitet die Erderhitzung weiter voran. Die taz schaut in dieser Woche dahin, wo es brennt. Alle Texte zum Thema finden Sie hier.

Viele Tiere erhitzen die Erde

Schlecht fürs Klima ist zudem, dass die Union „gegen eine Reduktion“ der Tierzahlen ist und sich nicht zum Ziel bekennt, den Fleischverzehr zu senken. Sie ignoriert, dass die Viehhaltung der größte Verursacher von Treibhausgasen und anderen Umweltbelastungen innerhalb der Landwirtschaft ist. Zu dieser Re­a­li­täts­ver­wei­ge­rung passt, dass CDU und CSU die Stoffstrombilanz im Düngerecht abschaffen wollen, mit der die Menge von Pflanzennährstoffen wie Stickstoff berechnet wird, die die Höfe in die Umwelt abgeben.

Zu hohe Mengen könnten nach entsprechenden Gesetzesänderungen sanktioniert werden. Es ist klar, dass zu viel Pflanzennährstoff schädlich für Klima, Grundwasser und Artenvielfalt ist. Der für Nitrat festgelegte Grenzwert im Grundwasser wurde in den vergangenen Jahren vielerorts überschritten. Der Bauernverband argumentiert, dass eine solche Bilanz zu aufwendig wäre. In Wirklichkeit kostet die Rechnung die Betriebe dem Nationalen Normenkontrollrat zufolge nur 4,8 bis 5,3 Stunden pro Jahr.

Die jährlich mehr als 6,3 Milliarden Euro Agrarsubventionen der EU für Deutschland sollen die Landwirte nach dem Willen der Union für noch weniger Gegenleistung als bisher einstreichen können. Sie gibt als Ziel vor, „die Gemeinsame Agrarpolitik für die Bäuerinnen und Bauern im Sinne von Bürokratieabbau, Transparenz und Effizienz massiv zu vereinfachen“. Unter „Bürokratie“ verstehen viele Bauernverbände zum Beispiel Vorschriften für größere Fruchtfolgen, also für mehr Artenvielfalt auf dem Acker.

Fatal ist, dass CDU und CSU kaum darüber nachdenken, wie sich die Landwirtschaft auf das neue Klima einstellen kann

Die Union will sich auch „neuen EU-Pflichten“ entgegenstellen. Das könnten beispielsweise Vorschriften für mehr Tier- und Umweltschutz sein. Stattdessen möchten die Christdemokraten die Zulassung von Pestiziden erleichtern, obwohl schon die jetzigen Zulassungsregeln so lax sind, dass immer wieder auch gesundheitsschädliche Mittel jahrelang erlaubt werden, bis sie unter der Last neuer Studien viel später dann doch verboten werden.

Mehr Vielfalt wäre zielführend

Die Landwirte werden unter diesen Prämissen zwar kurzfristig Produktionskosten einsparen. Langfristig wird die Erderwärmung aber gerade den Landwirten schaden, denn sie sind besonders abhängig vom Wetter. Fatal ist, dass die Union sich auch kaum Gedanken darüber macht, wie sich die Landwirtschaft auf das neue Klima einstellen kann. Dazu wäre zum Beispiel mehr Vielfalt auf dem Acker hilfreich, um das Risiko von Ernteausfällen weiter zu streuen.

Ohne die Stoffstrombilanz wird es schwer, die EU-Kommission davon zu überzeugen, dass Deutschland die sehr pauschalen Regeln gegen Überdüngung in besonders betroffenen Gebieten zugunsten von Höfen ändern darf, die nicht überdüngen. Allerdings enthält das Wahlprogramm auch positive Ansätze: Es spricht sich nicht gegen die von der Ampel beschlossene verpflichtende Kennzeichnung der Haltungsbedingungen für Schweinefleisch aus. Mit ihr sollen Verbraucher Produkte aus artgerechteren Ställen besser erkennen können.

Die Union unterstützt den Plan, die obligatorische Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln auszuweiten. „Wir sorgen für eine verlässliche Finanzierung tierwohlgerechter Ställe und schaffen genehmigungsrechtliche Hürden ab“, heißt es. CDU und CSU wollen „Moore schützen und wiedervernässen“, was große Mengen Treib­haus­gase einsparen könnte. Die Union fordert nicht klar, die Kennzeichnungspflicht und Sicherheitstests von gentechnisch veränderten Pflanzen zu kippen.

Diese Technik wird vor allem dazu genutzt, eine umweltschädliche Landwirtschaft mit wenig Vielfalt zu erleichtern. All das sind sinnvolle Punkte, bei denen sogar der mögliche Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen mitgehen könnte. Die Forderung der Union, Ernährungssicherung als Ziel ins Grundgesetz aufzunehmen, könnten die Grünen als Symbolpolitik tolerieren.

Insgesamt gilt aber: Wer CDU oder CSU wählt, entscheidet sich in Sachen Landwirtschaft vor allem für ein „Weiter so wie unter Bundeskanzlerin Angela Merkel“. Das ist angesichts von Klimakrise und Artensterben unverantwortlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Leider hat Özdemir beim Tierwohl in seiner Amtszeit nur sehr wenig erreicht. Dabei soll das Tierwohl noch viel besser werden, auch wenn dies auf Kosten des Preises geht. Auf Produkte wie Käse, Eier, Milch wollen wir nicht verzichten, und kaufen diese nur lokal vor Ort.



    Unser Fleischkonsum beträgt nur noch ca. 1/4 von früher, aber darauf verzichten, so weit sind wir noch nicht. Und wenn man den Konsum deutlich senkt, ist ein höherer Preis doch auch egal. Doch erwarte ich, dass diese Tiere unter würdigen Bedingungen leben.



    Özdemir hat es leider nicht geschafft, und unter Merz geht es leider sicher rückwärts.

  • Albtraum nicht nur für die Umwelt.

    Aber die Ampel war auch ein Albtraum

    Also was tun ?

  • Der Wettbewerb um möglichst billige Produkte der Landwirtschaft zu bekommen, damit die Löhne in der Industrie nicht zu hoch ausfallen müssen -schliesslich geht es um die Profite der Anleger-, zeigt doch die Falle bei der Technisierung und Umweltvergiftung auch im Agrarbereich. In allen Bereichen geht es darum, die -zu teure- menschliche durch Technik -Automatisierung, Roboterisierung- zu ersetzen, dabei ist Nachhaltigkeit, Tierwohl und Umweltschutz nur zweitrangig. Der Anteil des Einkommens, den wir für unsere Ernährung ausgeben, ist dabei immer weiter gesunken, weil uns ein vom Profit getriebener Markt immer neue -oft ungesunde- Produkte einer sich immer konzentrierenden Lebensmittel-INDUSTRIE im Zusammenspiel mit Supermarkt-Oligarchen unterjubelt. Es ist KEIN Fortschritt, wenn ausgebeutete Wanderarbeiter und CO² verbrauchende Maschinen naturzerstörend eine ökologische Landwirtschaft (z)ersetzen. Die Landflucht als Schutz vor Verarmung



    aufgrund schlechter Löhne und die Aufgabe von Höfen ist zwar kaum rückgängig zu machen, aber Arbeit im ländlichen Raum sollte wieder einen größeren Stellwert erhalten, insbesondere, wenn die Kapitalisten niemandem mehr Arbeit und Auskommen bieten..

  • "Viele Tiere werden unter Bedingungen gehalten, die die meisten Deutschen kritisieren."



    Kleiner Fehler - die sie in der ÖFFENTLICHKEIT kritisieren oder wenn sie danach gefragt werden.



    Ansonsten will man damit einfach nicht konfrontiert werden - das Steak soll ja schmecken😋



    Bei Umfragen erklärt sich auch eine Mehrheit regelmäßig bereit höhere Preise zum Wohl der Tiere akzeptieren zu wollen - öffentlich will halt ein jeder glänzen...🤷‍♂️



    Aber Fleisch ist wie Bananen immer noch DAS Lockmittel der Discounter, da genügt ein Blick in die Prospekte.



    Und die Menschen nehmen es gerne an - da genügt ein Blick in die Einkäufswägen an der Kasse...



    Sobald eben das Licht der Öffentlichkeit weg ist ist Stallhaltung wieder voll okay - bio ist nicht zuletzt auch durch Inflation und Reallohnverlust schlicht zu teuer.



    Das Kilo Hack kostet 3,69€, so steht es schon in der Bibel geschrieben.



    Wie die Bevölkerung wirklich zu dem Thema steht war sehr offensichtlich rund um die Diskussionen zu VeggieDay und dem Schnitzel in Kantinen zu sehen - selbst Özdemir hat sich letztes Jahr auf dem INSTAGRAM Account des BMEL mit Schnitzel in der öffentlich zur Schau gestellt...😂🤷‍♂️



    Mahlzeit🥩

  • Der erste Satz "Die Union will Fortschritte in der Agrarpolitik zurückdrehen" ist eigentlich schon falsch. Welche Fortschritte? Die von unserem aktuellen Minister? Ich such noch das Mikroskop mit dem ich die Fortschritte entdecken kann.



    Insofern bleibt alles beim alten. Die Wunschliste wird von einem CDU/CSU Minister genauso willfährig abgearbeitet wie von einem "Grünen"

  • „Weiter so wie unter Bundeskanzlerin Angela Merkel“.

    Das ist unter den Grünen in der Ampel gemauso. Die haben in den letzten 20 Jahren für Tier- und Naturschutz fast nichts erreicht. Özdemir war enttäuschend.

    Früher habe ich die Grünen gewählt. Längst vorbei. Und längst bin ich bei der ÖDP. Nachteil: eine kleine Partei. Vorteil: effizienter als die Grünen. Man achte auf deren Artenschutzvolksbegehren "Rettet die Bienen!" in Bayern vor zwei Jahren. Doppelt so viel Stimmen bekommen wie nötig. Mehr erreicht als die Grünen bundesweit seit Jahrzehnten.

    Herr Maurin, wie immer danke ich Ihnen für die gutrecherchierten und engagierten Artikel!

    • @shantivanille:

      Auch unter der Maßgabe, dass man in einer Koalition Kompromisse eingehen muss? Wenn man nicht allein regiert, ist es normal, dass man nicht alles umsetzen kann, was man möchte.

  • Mit Merz geht es zurück nach 1950, mit der AfD nach 1930.

  • Neben der wenig sozialen Einstellung der Union ein weiteres Beispiel, dass sie ihren Namen als "christliche" Parteien nicht verdient haben. Eigentlich müsste christliche Politik den besten Umweltschutz bieten - Gottes Schöpfung schützen!

    • @Ciro:

      Wo bitte war das Christentum jemals beschützend? Also außer die eigenen Pfründe natürlich.

      • @Minelle:

        Stimmt, die Union hat die Doppelmoral "wir bezeichnen uns als Christen, handeln aber so, dass Jesus verzweifeln würde" nicht für sich gepachtet.