Zum Tod von Kurator Kasper König: Eine großzügige Ausnahmeerscheinung

Ausstellungsmacher, Kunstprofessor, Museumsdirektor und ein weltweit Umtriebiger des Kunstbetriebs: Kasper König ist im Alter von 80 Jahren gestorben.

Beantwortete Mails stets mit Postkarten und trug mit Vorliebe Karo-Hemden: Kurator Kasper König in seinem Büro 2015 Foto: Fabian Zapatka/laif

Kasper König ist tot. Das ist eine traurige Nachricht. Nicht nur für Hunderte von internationalen Künst­le­r*in­nen und Kolleg*innen, die ihn geliebt, geschätzt und manchmal auch gefürchtet haben, sondern vermutlich auch für die Menschen, denen er zufällig im Alltag begegnet ist: in einer Bäckerei, im Zugrestaurant oder im Hotel. Wenn ein Gruppenfoto gemacht wurde, musste die Café-Bedienung auf jeden Fall mit drauf.

Kasper König war offen, geistreich und aufmerksam – eine großzügige und liebenswürdige Ausnahmeerscheinung. Gut gekleidet und knapp zwei Meter lang, große Augen, große Ohren. Nur wenn ihn etwas gelangweilt hat, vielleicht weil er es als zu konventionell und vorhersehbar empfand, drehte er sich abrupt um und ging. Keine Zeit verlieren mit so etwas.

Sein Tod ist schmerzhaft. Und Kasper kann uns nicht mehr aufmuntern, was er mit Sicherheit getan hätte. Wir können die Lage nicht mehr mit ihm besprechen, um dann wie so oft eine interessante Antwort auf eine ganz andere Frage zu bekommen. Wir können uns nur an ihn erinnern, an seine präzisen Beobachtungen, seine lustigen Kommentare und sein unstillbares Interesse an den Künstler*innen, Kol­le­g*in­nen und Kunstorten dieser Welt.

Kasper besaß ein Buch mit Tausenden aus der Presse – Tageszeitungen, Magazine, Klatschhefte – ausgeschnittenen Porträtfotos und Adressen, das er ständig aktualisierte, sein Facebook. Ich sehe ihn vor mir, wie er morgens in seinem Berliner Büro in Höchstgeschwindigkeit die Zeitungen fleddert und mit Schere und Tesafilm hantiert. Alles Unbrauchbare fliegt auf den Boden, der Rest landet auf Postkarten, wird überklebt, kommentiert und verschickt. Sticker jeder Art, Glücksklee, Einhörner und Glitzer, morgens beim Woolworth um die Ecke gekauft, stehen hoch im Kurs. Er freut sich über Material, das ihn an jemanden denken lässt. E-Mails werden per Postkarte beantwortet.

Geboren am 21. November 1943 in Mettingen, Westfalen als Rudolf Hans König, organisierte Kasper König bereits während seines Studiums international Ausstellungen und gab Kunstbücher heraus. Er initiierte die „Skulptur Projekte“ in Münster, die seit 1977 alle zehn Jahre zeitgleich zur documenta stattfinden. Zu seinen Großausstellungen gehören u.a. „Westkunst“ 1981 in Köln oder „In-Between Architecture“ zur EXPO 2000 in Hannover.

Obwohl ohne formellen Studienabschluss, war König zunächst Assistenzprofessor in Halifax, Kanada, und erhielt 1985 eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf und 1988 an der Städelschule in Frankfurt am Main, die er ein Jahr später als Rektor leitete. Er gründete auch die Ausstellungshalle Portikus in Frankfurt am Main mit. Ab 2000 war er Direktor des Museums Ludwig in Köln. Den Posten behielt er über die Pensionsgrenze hinaus bis Ende Oktober 2012

Kasper König verstarb 80-jährig nach schwerer Krankheit am 9. August 2024 in Berlin.

Er war einflussreich, wollte es auch sein

Die Begegnung mit Kasper König war für viele ein lebensveränderndes Moment. Er war einflussreich und wollte es auch sein, sein profundes Wissen über Kunst und Leben wirkte ansteckend, sein Blick auf die Dinge inspirierend. Für ihn gab es nichts auf dieser Welt, was nicht gestaltet war und hinsichtlich dieser Qualität beurteilt werden konnte, von Verpackungsdesign über Straßenmode, Schaufenster und Architektur bis hin zu Pornozeitschriften. Er war direkt und darin manchmal auch verletzend, jedoch ohne Kalkül oder Bösartigkeit.

Kasper König selbst bezeichnete sich gerne als Ausstellungsmacher, auch das Wort Kunstprofessor mochte er irgendwie, und er war es ja auch: trotz fehlendem Studienabschluss unterrichtete er viele Jahre unter anderem am Nova Scotia College in Halifax, Kanada, sowie an den Akademien Düsseldorf und Frankfurt, der Städelschule in Frankfurt stand er ab 1989 für einige Jahre sogar als Rektor vor.

Er war der schillernde Vertreter einer alten Kuratorenschule, bei der Ausstellungen zuallererst gemeinsam mit den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern entwickelt und erst an zweiter oder dritter Stelle anderen Bedingungen unterworfen werden, wenn überhaupt. Falls nötig, wurde da – wie bei der Pressebegehung für die Manifesta 2014 in der Eremitage in St. Petersburg – auch schon mal eine Tür eingetreten. Und nicht nur über diese Ausstellung im bereits ziemlich restriktiven Russland, für die er trotzdem freie Nischen fand, gibt es zahlreiche Anekdoten. Das Gleiche gilt für die „Skulptur Projekte“ in Münster. 1977 hatte Kasper König sie mit dem Kurator des Westfälischen Landesmuseums, Klaus Bußmann, ins Leben gerufen.

Die eingeladenen Künstler – zu diesem Zeitpunkt alles Männer – reisten zum Teil aus Amerika mit dem Schiff an und blieben mehrere Monate, um für spezielle Orte Projekte im öffentlichen Raum zu entwickeln. Die großen Betonskulpturen, wie die Kugeln von Claes Oldenburg oder Donald Judds ineinander versetzte Ringe am Aasee, sorgten im konservativen, erzkatholischen Münster für viel Aufregung. Damals hätte man, so beschrieb es Kasper König gerne, die Redakteure der Lokalzeitungen einsparen können, so viele empörte Leserbriefe gab es.

Das Leben in der Stadt, nicht die selbstverliebte Kunst

Mit den zweiten „Skulptur Projekten“ zehn Jahre nach der ersten Ausstellung wollten Klaus Bußmann und Kasper König prüfen, ob sich das Verhältnis der Münsteraner Bürgerinnen und Bürger zur Skulptur im Außenraum geändert hatte. Die Rezeption war nach wie vor kritisch, aber einige erinnerten sich auch positiv an das Leben in der Stadt und die vielen öffentlichen Diskussionen, die die Ausstellung 1977 mit sich gebracht hatte.

So entstand der Zehnjahres-Rhythmus, der durch die dritte Auflage im Jahr 1997 endgültig besiegelt wurde und der die Ausstellung so ungewöhnlich macht. Für die Besucher*innen, die Stadt und die Künst­le­r*in­nen markieren die „Skulptur Projekte“ einen Schnitt in Raum und Zeit. Von 1977 bis 2017 war Kasper König in jede Ausgabe voll involviert.

Für die letzten „Skulptur Projekte“ arbeitete ich als Kuratorin, gemeinsam mit Marianne Wagner, Kuratorin für Gegenwartskunst am LWL – Museum für Kunst und Kultur, wie das ehemalige Landesmuseum seit 2013 heißt. Das dazugehörige Logo des LWL hängt nun wortwörtlich in einer aus zahlreichen Metallkugeln zusammengesetzten Fassadenarbeit des Künstlers Otto Piene. Kasper ­König regte diese markenbewusste Inszenierung unendlich auf. Er prägte die Wortschöpfung Logopiene – ein fiktives neues Medikament, dass langfristig gegen diese Art von Unsinn wirken sollte.

Seine Abneigung gegenüber einer selbstverliebten Kunst mit großem „K“ habe auch ich geerbt. Sein Tod hat in den sozialen Medien ein regelrechtes Beben ausgelöst. Er kommt nicht überraschend, aber trifft mit voller Wucht.

Die Autorin ist Künstlerische Leiterin von Urbane Künste Ruhr und hat als Kuratorin der „Skulptur Projekte“ 2017 in Münster eng mit Kasper König zusammengearbeitet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.