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Zukunftskongress der SPD#AlteTanteGanzModern

Die SPD wirbt mit einem Kongress um junge Leute – das funktioniert sogar. Und Sigmar Gabriel lässt sich von Circus-HalliGalli-Moderator Klaas löchern.

Scherzen und diskutieren: Klaas Heufer-Umlauf (2.v.r.) und Sigmar Gabriel Foto: dpa

Berlin taz | Tim, 14 Jahre, blonde Haare, roter Pulli, ist ein Glücksfall für Sigmar Gabriel. Der SPD-Vorsitzende hat ihn gerade zu sich nach vorne auf die Bühne gerufen, um anschaulich zu zeigen, dass die SPD für junge Generationen tolle Politik mache. Da erzählt Tim, dass er gerade in die Jusos eingetreten sei. Riesenjubel im Willy-Brandt-Haus. „Damit es keine Verschwörungstheorien im Internet gibt“, sagt Gabriel lächelnd, „ich kenne ihn nicht. Und ich wusste auch nicht, dass er sogar in der Partei ist.“

Wenn die SPD modern sein möchte, wirkt das ja oft, als schreibe eine ältere Tante auf ihrem frisch eingerichteten Facebook-Account ihre Nichten an. Etwas altbacken, etwas unbeholfen, etwas peinlich. Aber, das zeigte die Partei am Sonntag bei einem Zukunftskongress im Willy-Brandt-Haus: Manchmal gehen solche Versuche sogar gut. Der digital groß präsentierte Tag der offenen Tür mit diversen Mitmachformaten lockte Hunderte Besucher in die Parteizentrale.

Im Foyer der Parteizentralen waren Flachbildschirme aufgebaut, über die Tweets (#openSPD) huschten. Das teils grauhaarige, teils aber auch jusojunge Publikum hockte auf rückenschädigenden weißen Sitzwürfeln. Und der Moderator Klaas Heufer-Umlauf, den Mittzwanziger aus Erfolgsformaten wie Circus HalliGalli kennen, unterhielt sich mit Gabriel. Heufer-Umlauf hatte sich sichtlich vorgenommen, nicht lustig zu sein – und stellte kluge Fragen.

Woran es liege, dass es angesichts der in Europa und der Welt erstarkenden Rechten keinen Zusammenschluss der internationalen Linken gebe? Gabriel verwies auf die Progressive Alliance, einen Zusammenschluss von 80 sozialdemokratisch-progressiven Parteien, die er selbst vor drei Jahren mitgründete. Er erwähnte natürlich nicht, dass jene Allianz seither ein unbeachtetes Dasein fristet.

Erstaunlich deutliche Selbstkritik

Mehrmals hakte Heufer-Umlauf nach, als es um Rezepte gegen AfD und Co. ging – und um die Rolle der SPD. Die Leute müssten doch denen die Türen einrennen, die anständige Politik machten, fragte er mit Blick auf die mauen Umfragewerte der SPD. Gabriel räumte ein, dass seine Partei ein Glaubwürdigkeitsproblem habe. „Die Leute schauen uns an und sagen: Stimmt das denn, was ihr erzählt?“

Auch die SPD habe Versprechen gemacht, die sie nicht eingehalten habe. Als Beispiel nannte er die Mehrwertsteuer. 2005 gelobte die SPD im Wahlkampf, die Steuer nicht zu erhöhen, während die Union für einen zweiprozentigen Aufschlag plädierte. In der Großen Koalition vereinbarten die Parteien dann plötzlich 3 Prozent.

Gabriel spielte auch darauf an, dass die SPD in der Hochphase des Neoliberalismus zu konform ging. „Wir haben lange so getan, als gehe es bei der Globalisierung ausschließlich darum, sich anzupassen.“ Die SPD, fügt er hinzu, habe aber immer von der Hoffnung gelebt, dass sich Dinge verändern ließen. Das ist eine – für Gabriels Verhältnisse – erstaunlich deutliche Selbstkritik.

Gabriel wiederholte seine These, dass die SPD auf Menschen zugehen müsse, die aus Frust mit dem Gedanken spielten, AfD zu wählen.

Er wiederholte seine These, dass die SPD auf Menschen zugehen müsse, die aus Frust mit dem Gedanken spielten, AfD zu wählen. „Es gibt Leute, die nicht die Süddeutsche lesen, nicht mal die Bild-Zeitung. Sie erfahren im Alltagsleben, dass sie sich trotz harter Arbeit nicht mehr das leisten können, was ihre Eltern hatten“, sagte Gabriel. „Diese Leute dürfen wir nicht ausgrenzen.“

Am Ende stellte Heufer-Umlauf noch eine Frage für Tim: Wie kann man in der SPD schnell Karriere machen? Gabriel riet zu einem Start in der Kommunalpolitik. „Dort trifft man die Menschen auf dem Marktplatz und kann ihnen nicht ausweichen.“ Ob das ein guter Tipp für einen 14-Jährigen ist, sei dahingestellt.

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14 Kommentare

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  • 1998 erreichet die SPD noch eine Stimmenanteil von 40% bei den Bundestagswahlen. Ab 1999 ging es dann bergab. Eingeleite wurde wurde der Prozess durch das Schröder-Blair Papier. von nun an getaltete man Politik im neoliberalem Stil. Steuerreformen zu Gunsten des Kapitals. Deregulierung des Arbeitsmarktes und Schwächung der Gewerkschaft. dazu Hartz 4 und die Schaffung eines Niedriglohnsektors.

     

    Solange die SPD nicht eine drastischen Kurswechsel vollzieht, wird sie weder glaubwürdig sein noch aus der 20-25 % Prozent Marge bei Budestagswahlen herauskommen.

  • Gabriel hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ja.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    ...und dann schickt man Inkassobüros im Auftrag der Jobcenter zu H4 Empfängern...

  • Zitat: „Gabriel räumte ein, dass seine Partei ein Glaubwürdigkeitsproblem habe. ‚Die Leute schauen uns an und sagen: Stimmt das denn, was ihr erzählt?‘“

     

    Aha, er weiß es also. Und? Ich meine – wie reagiert er? Mit einem Witz, der keiner ist: „Damit es keine Verschwörungstheorien im Internet gibt [...] ich kenne ihn nicht. Und ich wusste auch nicht, dass er sogar in der Partei ist.“

     

    Mensch Sigmar! Verschwörungstheoretikern ist es egal, was du behauptest. Die würden dir selbst dann nicht glauben, wenn du auf deine Oma schwörst, dass du jemand nicht kennst. Genau das unterscheidet sie von blonden 14-jährigen im roten Pullover, die sich gebauchpinselt fühlen, wenn sie an deiner Seite auf der Bühne stehen dürfen, und die sich stellvertretend für dich auf den Marktplätzen dieser Republik zerfetzen lassen, weil du behauptet hast, so könnte man Karriere machen unter dir.

     

    Übrigens, liebe taz: Was "ganz modern" sein soll an Gabriel und seiner SPD, müsst ihr mir bei Gelegenheit bitte erklären.

    • @mowgli:

      Ja wie? -

       

      GE BAUCH PINSELT?

      Wer jetzt Wen oder Was?!

  • "Die Leute müssten doch denen die Türen einrennen, die anständige Politik machten"

     

    Das erklärt den Schwund der SPD-Wählerschaft ganz gut.

    SPD Wählen heisst Merkel wählen.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Da erzählt Tim, dass er gerade in die Jusos eingetreten sei. Riesenjubel im Willy-Brandt-Haus."

     

    Bei den Jusos bekommt der Tim falsche Vorstellung wofür die erwachsene SPD steht.

     

    "Die SPD, fügt er hinzu, habe aber immer von der Hoffnung gelebt, dass sich Dinge verändern ließen."

     

    Sicherlich. Passiv war sie dabei auch nicht. Ihr Tun und Handeln wurde von Sätzen begleitet wie:

    "Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen" (Münte) oder "Biologen verwenden für 'Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten - leben', übereinstimmend die Bezeichnung 'Parasiten'." (Clement).

     

    Fuck you SPD.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      seid diesen menschenverachtenden Äuserungen von Clement und Münte sollte keiner mehr SPD wählen, ein paar Unbelehrbare tun dies dennoch.

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      "Biologen verwenden für 'Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten - leben', übereinstimmend die Bezeichnung 'Parasiten'."

       

      Diese Aussage erschüttert mich ja immer wieder aufs Neue. Wenn das nicht reinste Nazilogik und -rhetorik ist, dann weiß ich auch nicht.

       

      "Fuck you SPD."

      Dem ist nichts hinzuzufügen.

      • @628 (Profil gelöscht):

        Dieser Herr Unsäglich hat -

        - wie übrigens Otto I. derer v. Schily&Weleda auch -

        Bei seinen Anfällen -

        Seine Mitarbeiter mit Akten beworfen!

        Wer da an den Teppich denkt &

        Blondie - liegt da nicht falsch!

        Dess - Pascht scho!

         

        (ps - ob ich das - gern genommen - Augen auf Null & Ohren auf Durchzug - Entlassen per Kopfnicken - Soo viel anders - gar besser finden soll -

        Who knows? Aber die aktive Aggression - ist schonn ein deutlicher

        Sprung weiter - in der Schüssel!)

        (z.B. - Tante Hertha heißt die Wurst).

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Der Siggi kann hin und wieder schon mal ganz gut daherquatschen. Ich erinnere mich noch dunkel, dass er nach dem Desaster 2009 einiges sehr Kluges von sich gegeben hat. Nur: mehr als Gerede ist es halt nicht.

    Bzgl. einer Karriere in der SPD lässt man sich am besten von 'Überfliegern' wie Nahles oder Maas beraten. Öde Karrieristen ohne erkennbares Profil, die aber irgendwann in ihrer Jugend mal links und unangepasst waren, scheinen gute Chancen zu haben. Aber weil der Nahles ja immer höhere Ambitionen nachgesagt werden: Spätestens wenn die SPD mit der Frau an der Spitze in den Wahlkampf zieht, macht in der Partei niemand mehr Karriere.

  • Was für ein Euphemismus!

     

    "Gabriel räumte ein, dass seine Partei ein Glaubwürdigkeitsproblem habe."

     

    Nach der Agenda 2010 hat die SPD kein "Glaubwürdigkeitsproblem" - sie ist für ihre Stammwählerschaft unwählbar geworden.

  • Dennoch wird das nur ein weiterer wirkungsloser Versuch bleiben um aus dem Umfragetief zu kommen.

  • Dunnerwetter - " Zukunftskongress der SPD

    #AlteTanteGanzModern…" ah ja¿!

    Voll die linke Klebe - Gib mich die Kirsche!

     

    Ein Circus-Moderator - Siggi räumt

    Irgendwas ein - nix auf! & ja wie?

    Modern - War da was?

    Tantchen? - Eher Mütterchen Müh - wa!

    (ach ja - Überraschung - 14jähriger beie Jusos!

    Na ja - wo diese Enkel & hück - ja

    Urenkel - geladet sind - was sie angerichtet haben:

    Doch kann sich sehen lassen -

    1. Kriegseinsatz post WK II - verf.&völkerrechtswidrig!

    Hartz IV - Bankenderegulierung -

    Dagegen 3%MWSt.Siggi - geradezu bescheiden modern!

    Ok - nicht vergessen - "Ach sie sammeln Unterschriften

    Für etwas was sie - (hä hä ) - noch gar nicht …

    Ach ja CETA TTIP PISA - da kommt doch noch -

    Echt moderne Zeug zusammen!

    Danke Herr Ulrich Schulte -

    Daß Sie wieder so verläßlich klar&kritisch

    Ja geradezu - von schmaler Modernität - öh

    Berichtet haben. Das ploppte mal wieder -

    Vom Feinsten! - wa!

    Geradezu - Siggimäßig modern!