Zu wenig Gas in den Speichern: Sorge vor einem kalten Februar
Russland hat seine Gaslieferungen reduziert, dafür kommen inzwischen große Mengen per Tankschiff. Braucht Deutschland beim Erdgas eine Reserve?
Der Blick der Energiewirtschaft richtet sich derzeit vor allem auf die Temperaturen im Spätwinter. Eine Kälteperiode im Februar oder Anfang März könnte die europäischen Gasmärkte – und im Gefolge auch die Strommärkte – in weitere Turbulenzen stürzen. Denn die Gasspeicher sind nur spärlich befüllt und aus Russland kommt zugleich wenig Gas an.
In Deutschland, dem Land mit den meisten Gasspeichern innerhalb der EU, hat der Füllstand soeben die Marke von 40 Prozent unterschritten. Im Mittel der vergangenen fünf Jahre befand sich um diese Jahreszeit die Hälfte mehr an Erdgas in den 47 Untergrundspeichern. Die geringen Vorräte resultieren daraus, dass die Gaswirtschaft im letzten Sommer ihre Speicher nur zu gut 70 Prozent befüllte. In früheren Jahren waren diese zu Beginn der Heizsaison oft randvoll, doch weil diesmal schon im Sommer die Preise an den Gasmärkten stiegen, speicherten die Versorger nur zurückhaltend ein.
Das rächt sich nun, zumal derzeit aus Russland der Gasfluss in die EU reduziert ist. Das betrifft speziell die Lieferungen durch Belarus und die Ukraine, denn offenbar möchte Russland den Ländern aufgrund der politischen Spannungen die Einnahmen aus dem Transit entziehen. Selbst Polen wurde zuletzt auf dem Umweg über Deutschland versorgt, womit sich der Gasfluss am Grenzübergangspunkt Mallnow in Richtung Osten umkehrte.
Durch die Pipeline Nord Stream 1 fließt weiterhin Gas. Derzeit kommen gut 1.700 Millionen Kubikmeter pro Woche aus Russland in der EU an, gegenüber gut 3.100 Millionen zu gleicher Zeit im Vorjahr. Einen Teil des Rückgangs kann die EU durch Mehrlieferungen aus Norwegen auffangen, doch die Skandinavier sind zwischenzeitlich am Limit. Algerien liefert unverändert per Pipeline 600 bis 700 Millionen Kubikmeter pro Woche.
Anstieg beim Import von LNG
Massiv zugelegt hat seit dem Herbst der Import von LNG. Das ist verflüssigtes Erdgas, das per Tankschiff geliefert wird, zum Beispiel aus Nordamerika oder Katar. Die LNG-Importe der EU erreichten zuletzt einen historischen Höchstwert von 3.500 Millionen Kubikmeter pro Woche. Damit waren sie fast dreimal so hoch wie vor einem Jahr.
Viel Spielraum gibt es nun beim LNG nicht mehr, denn die europäischen Importkapazitäten sind auf rund 4.000 Millionen Kubikmeter begrenzt. Wie viel LNG tatsächlich in der EU ankommt – also wohin die Tankschiffe fahren –, hängt von den regionalen Gaspreisen ab. Verschiebt sich die Preisrelation zwischen Europa und Asien, kommt es regelmäßig vor, dass LNG-Tanker kurzfristig ihre Route ändern, um ihren Rohstoff dort abzuliefern, wo die Erlöse gerade am höchsten sind.
Die Gaswirtschaft diskutiert bereits Szenarien einer politischen Zuspitzung im Osten, die im Extremfall auch einen zeitweiligen Stopp der russischen Gaslieferungen in die EU bewirken könnte. Zwar halten Marktanalysten dem entgegen, dass Russland auf die Einnahmen aus dem Gasverkauf angewiesen sei, sie verwiesen aber zugleich darauf, dass ein Totalausfall russischen Erdgases sich durch LNG-Lieferungen nicht kompensieren ließe.
Die Energiewirtschaft gibt sich gleichwohl gelassen: „Wir haben keine Versorgungskrise, nur eine Preiskrise“, sagt Timm Kehler, Vorstand des Vereins Zukunft Gas. So seien auch in den kommenden Wochen „nochmals starke Preisschwankungen möglich“ – mit entsprechenden Auswirkungen auch auf die Strompreise, die in Europa stark durch die Gaspreise geprägt sind.
„Versorgug der Haushalte hätte Priorität“
Was passieren dürfte, wenn Erdgas in Deutschland zeitweise knapp und entsprechend teuer wird, beschreibt Hanns Koenig, Marktanalyst bei Aurora Energy Research. Im ersten Schritt reagiere der Markt: „Unternehmen drosseln ihre Produktion, weil sie entweder das teure Gas nicht mehr bezahlen können oder weil sie ihr langfristig eingekauftes Gas lieber zu guten Preisen am Spotmarkt verkaufen, statt es selbst zu nutzen.“
In der Stromwirtschaft steigt zugleich der Anteil der Kohle am Strommix, was schon jetzt geschieht. Erst in einer zweiten Stufe würden regulatorische Eingriffe nötig und einzelne Unternehmen müssten – gegen Entschädigung freilich – ihre Produktion einstellen: „Die Versorgung der Haushalte hätte in einer Mangelsituation oberste Priorität“, sagt Koenig.
Unterdessen kommt immer öfter die Frage auf, ob Deutschland eine strategische Gasreserve braucht oder auch Mindestfüllstände in den Gasspeichern. In der Ölwirtschaft gibt es das: Reserven für 90 Tage müssen ständig vorgehalten werden. Dieser Tage forderte auch die Geschäftsführerin des Öko-Instituts, Anke Herold, eine solche Vorratspflicht. Hingegen bevorzugt die Gaswirtschaft marktwirtschaftliche Instrumente: „Das System hat immer gut funktioniert“, sagt Branchenvertreter Kehler.
Leser*innenkommentare
Galgenstein
Speicher haben die Aufgabe Schwankungen auszugleichen. Sind die Speicher leer, geht das nicht mehr.
Warum sind sie leer? Das müßte man den Betreiber der Speicher fragen. Wer ist der Betreiber dieser Speicher? Der größte deutsche Speicher wurde an eine Gazprom-Tochter verkauft. Andere Speicher befinden sich bei Firmen, die voll auf NS 2 bauen.
Das alles ist nicht neu. Man sollte sich aber nicht wundern, dass auch die Befüllung dieser Speicher ein anderes Ziel als ehedem verfolgt. Es geht nicht mehr um Versorgungssicherheit, sondern das Gegenteil: Abhängigkeiten zu forcieren.
47202 (Profil gelöscht)
Gast
Den großen Gasspeicher unter Spandau hat man seit Jahren stillgelegt.
War vielleicht nicht so eine gute Idee.
Dietmar Rauter
Hat der EU-Abgeordnete Sonneborn Recht, wenn er behauptet, dass die Energieriesen mit Gazprom preisgesicherte Verträge bis ins Jaht 2035 abgeschlossen hat und jetzt von höheren internationalen Gaspreis dadurch PROFITieren, dass sie Gas an Polen und andere zum neuen Tarif weiterreichen und im heimischen Markt ihre Teierungen mit einer neuen Knappheit auf den Märkten verkaufen wollen ? Danke Schröder, danke Steinmeier, danke Scholz und an alle herumeiernden Northstream- Befürworter der SPD !
cmkaiser
ad 1: Das Bild zeigt keine Gasspeicher, sonder vermutlich die Klärschlammfaultürme am Hamburger Klärwerk "Köhlbrandhöft". Gasspeicher sind überwiegend unterirdisch und daher wenig fotogen.
ad 2: Die Sanierungsrate dümpelt seit Jahren auf einem viel zu niedrigen Wert vor sich hin. Jetzt wird der Preis dafür sichtbar: Entweder man braucht richtig viel Energie - oder man friert.
Andreas J
"...oder weil sie ihr langfristig eingekauftes Gas lieber zu guten Preisen am Spotmarkt verkaufen". Stromino steht unter Verdacht Kunden gekündigt zu haben, um Strom und Gas lieber zu hohen Preisen am Markt weiter zu verkaufen. Versorgungssicherheit durch Privatwirtschaft funktioniert offensichtlich nicht. Nur Profitgier.
05989 (Profil gelöscht)
Gast
Na wenigstens diese Sorge teile ich nicht... ich heize mit Holzbriketts aus Abfallholz aus dem hiesigen Sägewerk.
Ich muss ja mal irgendwo auch sorglos sein dürfen...