Zoll-Deal zwischen der EU und den USA: In Sachen Energieproduktion ist China wichtiger als die USA
Der Zoll-Deal zwischen der EU und den USA ist unsinnig und gefährlich. Die EU muss unabhängig werden – und, um das zu schaffen, mit China kooperieren.

D ie Einigung im Zollstreit zwischen der EU und den USA ist, das kann man schon jetzt sagen, offensichtlich großer Quatsch. Kaum hatten sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump in dessen Golfresort Turnberry die Hände geschüttelt und sich auf 15 Prozent Einfuhrzölle auf EU-Produkte geeinigt, da schwirrten widersprüchliche Interpretationen über die Flure Washingtons und Brüssels: Auf Stahl und Aluminium sind weiterhin 50 Prozent Zoll fällig – oder auch nicht.
Europäische Lebensmittelstandards werden an amerikanische angepasst – oder auch nicht. Die EU lässt ihre Regeln für die US-Digitalriesen fallen – oder auch nicht. Der größte Quatsch ist, dass von der Leyen Energieimporte in Höhe von 750 Milliarden Dollar bis 2028 versprochen hat, 250 Milliarden Dollar pro Jahr. Insgesamt importiert die EU aktuell Kohle, Öl und Gas im Wert von knapp 300 Milliarden Dollar. Die Einfuhren aus den USA belaufen sich aber nur auf etwa 65 Milliarden Dollar, ein Viertel dessen, was die EU dem Deal zufolge ab 2027 ausgeben soll.
Dass sich die US-Energieimporte vervierfachen lassen und die meisten anderen EU-Handelspartner verdrängen werden, ist unrealistisch genug. Dazu kommt: Die Energieexporte der USA sind derzeit insgesamt nur 166 Milliarden Dollar wert. Um die Turnberry-Vereinbarung einhalten zu können, müssten die USA also jeden Tropfen Öl, jeden Kubikmeter Gas und jeden Brocken Kohle, den sie ins Ausland verkaufen, nach Europa verschiffen. Es ist daher nahezu ausgeschlossen, dass die EU die 750-Milliarden-Vereinbarung einhalten kann.
Von der Leyens Kommission verfügt auch nicht über die Mittel, Unternehmen anzuweisen, in den USA einzukaufen, obwohl norwegisches Gas billiger ist. Aber dass die EU überhaupt verspricht, mehr fossile Brennstoffe aus den USA zu kaufen, ist absurd: Die Nachfrage nach Gas wird bis 2030 wahrscheinlich stagnieren, teure LNG-Terminals liegen dann nutzlos Unternehmen und Steuerzahlern auf der Tasche. Der Internationale Gerichtshof hat zudem festgestellt, dass nur „größtmögliche Anstrengungen“ beim Klimaschutz mit den Menschenrechten vereinbar sind.

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Besser als Quatsch und Klimakatastrophe
Nicht nur das, jeder Import fossiler Energieträger macht Klimakatastrophen wahrscheinlicher. Die Überschwemmungen in Texas, bei denen im Juli über 100 Menschen starben, wären ohne die Erderhitzung wohl unmöglich gewesen. Die Brände in Los Angeles, angeheizt vom Klimawandel, zerstörten im Januar mehr Vermögen als alle Waldbrände des Rekordjahrs 2018 zusammen. Auch Zugunglücke wie in Riedlingen werden wahrscheinlicher. Vor Erdrutschen infolge von Starkregen warnen Klimaforscher*innen seit Jahren.
Aus panischer Angst vor doppelt so hohen Zöllen hat sich die EU Trumps Quatschwelt unterworfen – ohne jede Sicherheit, dass er nicht morgen seine Meinung ändert. Um aus ihr auszubrechen, müssen die EU-Staaten ihre Verteidigungspolitik besser koordinieren, damit sie weniger auf US-Waffen angewiesen sind. Vor allem aber müssen sie die Erneuerbaren ausbauen, Gasheizungen durch Wärmepumpen und Verbrenner durch Bahnen und E-Autos ersetzen.
Dann ist Europa nicht mehr auf Importe fossiler Brennstoffe angewiesen. Bundeskanzler Friedrich Merz und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche versuchen derzeit eifrig, die grüne Transformation aufzuhalten. Aber in einer Welt, die sich zunehmend in fossile und Elektrostaaten teilt, dürfen wir uns nicht von den USA abhängig machen. Dafür braucht die EU Partner, und in der Klima- und Energiepolitik – da müssen wir schlicht ehrlich sein – ist der wichtigste China.
Dort werden Menschenrechte verletzt und Demokrat*innen unterdrückt. Aber mit einer Wirtschaftsleistung von der Größe der EU ging in der Volksrepublik 2024 viermal so viel Leistung aus Solaranlagen und sechsmal so viel aus Windrädern ans Netz wie hier. Wollen wir bei Batterien und E-Autos aufholen, kommen wir an den Lektionen chinesischer Ingenieur*innen nicht vorbei. Während die USA fossile, unseren Wohlstand zerstörende Brennstoffe exportieren, verkauft China Solarpanels, E-Autos und Batterien, die die CO2-Emission außerhalb Chinas im vergangenen Jahr um 1 Prozent verringert haben.
Ja, es wäre schön, wenn Europa seine Marktführerschaft in grünen Technologien nicht an China verloren hätte. Aber auch eine Welt, in der die EU mit China zusammenarbeiten muss, ist besser als die Mischung aus Quatsch und Klimakatastrophe, die Donald Trump uns aufzwingen will.
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