piwik no script img

Zensur per Lizenzentzug„Ich sah Journalisten weinen“

Die Voice of Democracy war eines der letzten unabhängigen Medien in Kambodscha. Dauerherrscher Hun Sen hat diesem nun die Lizenz entzogen.

Protest gegen den Lizenzentzug von VOD vor dessen Büro in Phnom Penh Foto: Pring Samrang
Von Nop Vy

„Ich möchte weiter als unabhängige Journalistin arbeiten. Aber es gibt leider nur noch Jobs, bei denen ich nicht so arbeiten darf, wie ich es gelernt habe. Denn dort kann ich nicht über politisch sensible und soziale Themen schreiben“, klagt Soeung Nimol.

Bis zum 13. Februar arbeitete sie als Redakteurin bei dem unabhängigen kambodschanischen Medienhaus Voice of Democracy (VOD), das von dem nichtstaatlichen Zentrum für Unabhängige Medien (CCIM) in Phnom Penh betrieben wurde, einer Art Journalistenschule. VOD berichtete per Radio und Webseite in Khmer und Englisch über Politik und Gesellschaft und erfreute sich großer Beliebtheit und Glaubwürdigkeit.

Doch Premierminister Hun Sen regte sich über einen VOD-Artikel auf. Darin war unter Berufung auf einen Regierungssprecher berichtet worden, dass Hun Sens Sohn, Generalleutnant Hun Manet, einen Scheck über 100.000 US-Dollar an staatlichen Hilfen für Opfer des Erdbebens in der Türkei unterzeichnet hatte, weil sein Vater verhindert war.

Der Langzeitherrscher baut zurzeit seinen Sohn als Nachfolger auf. In Kambodscha wird erwartet, dass der Sohn nach den für Juli geplanten Wahlen ein Regierungsamt bekommt. Aber bisher gehörte Hun Manet eben noch nicht zur Regierung und durfte deshalb auch keine offiziellen Hilfsgelder transferieren.

Lizenzentzug mit Jobangebot

Hun Sen und sein Sohn dementierten den Bericht. Der Premier forderte von VOD für die angeblichen Fake News eine Entschuldigung innerhalb von 72 Stunden. Bald reduzierte er die Frist noch, um dann auch vor deren Ablauf per Facebook zu erklären, dass VOD sofort seine Lizenz verliere. Doch zugleich bot er bisherigen VOD-Journalisten Jobs im Staatsdienst an. 26 VOD-Mitarbeiter nahmen das Angebot an. Die meisten entschieden sich für Posten im Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei oder im Ministerium für zivile Dienste.

„Bisher wurde jede Redaktion, in der ich gearbeitet habe, zum Schweigen gebracht“, erklärte der bisherige leitende VOD-Journalist Mech Dara der britischen BBC. Er meinte damit seine beiden früheren Arbeitgeber Cambodia Daily und Phnom Penh Post.

Das investigative Blatt Cambodia Daily hatte 2017 plötzlich eine Aufforderung zur Steuernachzahlung in Millionenhöhe bekommen. Weil der Verleger das Geld nicht zahlen konnte, wurde die Zeitung geschlossen, was wohl auch das Ziel hinter dem umstrittenen Steuerbescheid war.

Der Phnom Penh Post ging es bald ähnlich. Doch in dem Fall konnte das bis dahin unabhängige Blatt noch an einen malaysischen Geschäftsmann verkauft werden. Der steht Hun Sen nah, krempelte erst mal die Redaktion um und trieb ihr kritische Berichte über die Regierung aus.

Als eines der letzten noch verbliebenen unabhängigen Medien in Kambodscha verlor dann im Februar VOD ihre Lizenz – unmittelbar vor dem Kambodschabesuch des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und nur fünf Monate vor den nächsten Wahlen.

Protest gegen „Einschüchterungstaktik“

In einer gemeinsamen Erklärung warfen am 13. Februar 98 lokale und internationale Journalistenverbände, NGOs, Gewerkschaften und lokale Organisationen der Regierung bei ihrem Vorgehen gegen VOD Rechtsbruch vor. Das sei eine „Einschüchterungstaktik gegen die schrumpfenden unabhängigen Medien des Landes“.

Kambodschas führende Menschenrechtlerin, Naly Pilorge von der Organisation Licadho in Phnom Penh, sagte der taz Panter Stiftung. „Das gleichzeitige Jobangebot an die VOD-Journalisten in der Ministerialbürokratie zeigt, dass es nicht um den Artikel selbst ging, sondern darum, VOD zum Schweigen zu bringen.“

Die junge Journalistin Soeung Nimol erlebte das erste Mal, wie ein Medium geschlossen wurde, dessen Berichte der Regierung nicht passen: „Ich habe Journalisten weinen sehen, es hat mich geschockt und wirkt sich auf meine Psyche aus“, sagt sie. „Es wird jetzt schwieriger, meine Pflicht als Journalistin zu erfüllen.“

Aus dem Englischen von Sven Hansen.

Nop Vy nahm 2018 am Südostasien-Journalisten-Workshop der taz Panter Stiftung in Berlin teil. Er war damals Chefredakteur der VOD und bildete für CCIM Journalisten aus. Heute leitet er den Journalistenverband CamboJa und dessen Redaktion CambojaNews.

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2023 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit erschienen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!