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Zeitungskonzentration in DeutschlandBauer stösst

Die Ruhr Nachrichten Verlag & Co. KG übernimmt sämtliche Anteile an der Verlag J. Bauer KG, die die „Marler Zeitung“ herausgibt.

Seit Jahren schon schrumpft der Zeitungsmarkt in Deutschland Foto: Sascha Steinach/imago

W illkommen beim großen Zeitungsschach. Deutschlands Verlage spielen es seit Jahren mit Inbrunst. Mal geben sie sich matt, um dem Staat Förderkohle aus den Rippen zu leiern. Dann schlägt der Springer mal wieder um sich.

Doch bevor wie beim Brettspiel die Könige umfallen, sind jetzt erst mal die Bauern dran.

In sechster Generation führt die Verlegerfamilie Bauer die Geschäfte bei der Marler Zeitung im nördlichen Ruhrgebiet. Senior Kurt Bauer (verwandtschaftliche oder andere Beziehungen zum Hamburger Heinrich-Bauer-Verlag bestehen nicht) engagierte sich auch im Verlegerverband auf NRW- und Bundesebene. Regionalzeitung wie aus dem Lehrbuch: Familiengeführt, knorzig und unabhängig versorgt die Redaktion die Region West rund um Recklinghausen. Jetzt ist damit Schluss, und der Bauer geht vom Feld.

Eine erste miese Rochade kam allerdings schon 1976, als der Dortmunder Lensing-Verlag (Ruhr Nachrichten) Minderheitsgesellschafter bei Bauer wurde. Prompt machte Lensing seine Lokalausgaben in Datteln, Waltrop und Recklinghausen dicht, überließ das Feld Bauer und erwies der Pressevielfalt einen Bärendienst. 2006 zog sich dann auch die Essener WAZ-Gruppe, heute Funke, in Sachen Lokalpresse aus der Region zurück. Die Lokalteile der WAZ-Ausgaben in Recklinghausen und Marl kommen seitdem von Bauer. Lokale Vielfalt war dahin.

Wenig Konkurrenz im Lokalen

Man könnte meinen, es sei kaum der Rede wert, wenn Lensing nun das Medienhaus Bauer komplett übernimmt. Ist es aber. 2004 haben wir in der taz wochenlang eine Serie über sogenannte „Einzeitungskreise“ gemacht. Regionen, wo Menschen nur noch einen Anbieter lokaler Informationen haben.

Heute muss man vor allem in strukturschwachen Räumen Angst haben, dass daraus demnächst „Keine-Zeitung-Kreise“ werden. Im Drang, die Renditen hoch zu halten, werden Verlagskooperationen geschmiedet und Märkte aufgeteilt, was das Zeug hält.

Das Bundeskartellamt hat den Deal genehmigt und wie schon beim Kauf der Mitteldeutschen Zeitung aus Halle (Saale) durch die Magdeburger Volksstimme im Osten eine neue Haltung an den Tag gelegt. Weil sich Lensing und Bauer schon lange keine Konkurrenz im Lokalen mehr machen, sondern nur benachbarte Gebiete beackern, dürfen sie nun komplett zusammengehen.

Das ist übrigens dasselbe Kartellamt, das solche „Nachbarschaftsfusionen“ bislang kritisch fand. Der nächste logische Zug beim Zeitungsschach ist oft eine Zusammenlegung der restlichen Berichterstattung. Womit die Pressevielfalt endgültig schachmatt gesetzt wäre. Davor haben die Mitarbeiter*innen nun in Marl, Halle und Magdeburg Angst. Wem die beiden Titel im Osten gehören? Ach ja, dem Hamburger Bauer-Verlag.

Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Textes stand in der Unterzeile: „Die ‚Marler Zeitung‘ macht dicht.“ Das ist nicht richtig. Wie in dieser Kolumne korrekt berichtet wird, hat das Bundeskartellamt dem Ruhr Nachrichten Verlag & Co. KG (Lensing Media) gestattet, sämtliche Anteile an der Verlag J. Bauer KG zu erwerben, die die „Marler Zeitung“ herausgibt. Es gibt aber keine Pläne oder Anzeichen dafür, dass die „Marler Zeitung“ geschlossen wird. Wir bitten um Entschuldigung.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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6 Kommentare

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  • Vielleicht ist 0 hier besser als 1: Wenn in einer Gebietseinheit keine Lokalzeitung mehr zuständig ist, kann das besser sein, als einem Monopolisten ausgeliefert zu sein.



    Und um die überregionalen Printkonzerne, deren Kurven steil nach unten weisen, ist es eh nicht schade: opendatacity.github.io/zeitungssterben/

  • Die meisten Lokalzeitungen sind doch eh Mist, überwiegend unkritisch, banal, unpolitisch und langweilig. Früher hat man die Zeitung abonniert, um ab und zu mal ein bekanntes Gesicht in der Zeitung zu sehen und um mitzubekommen, wer gestorben ist. Das ist in 2020 nun mal kein Verkaufsargument mehr. Dagegen beobachte ich, dass es auf Facebook zunehmend Leute gibt, die ehrenamtlich kritisch über lokale Themen berichten. Das ist wohl eher ein Fortschritt als ein Rückschritt.

  • Das ist Pressevielfalt:

    www.youtube.com/watch?v=iUTVqY-OCUw

  • Ist das Jammern über das Zeitungssterben denn wirklich aufrichtig? Als im Zuge des Anschlusses der DDR als eine Kohlonie der BRD das Aufteilen der Bezirkszeitungen erfolgte, hat sich kein Journalist dafür interessiert. Die neuen Bundesländer werden durchweg nur durch eine Zeitung berieselt, welche selbstverständlich von Verlagen betrieben werden, die allein den wahren, freien, unabhängigen Journalismus bieten, ja mit Journalisten arbeiten, die nicht einmal wissen wie man "Mietmaul" schreibt. Ganz im Gegensatz zu den altstalinistischen Ostzonenschmierern.

    Es juckt doch gar keinen, dass die "Frankfurter Rundschau" eine Zeitarbeitsagentur für sich arbeiten lässt, dass die HNA mit ihren Lokalausgaben keine Redaktionen vorort unterhält, sondern aus der Ferne über kommunales berichtet. In den Druckereien, weden die Lokalnachrichten als Einleger zugefügt und fertig ist die Zeitung für Oma und Opa, die aus gutem Grund diese Gazetten nur noch wegen der Todesanzeigen lesen. Eine bisweilen amüsante Lektüre, besonders wenn ekelhafte Zeitgenossen, nun viel früher als man selbst ins Gras gebissen haben.

    Dass es nach der Wende, als die Mitteldeutsche Źeitung noch nicht im Besitz der "Arsch- und Tittenpresse" aus Hamburg war, auch einmal Überschneidungen gab, wo örtlich zwei verschiedene Zeitungen zu lesen waren, ist lediglich der Korrektur der alten DDR-Bezirksgrenzen zu verdanken. Allgemeinen besteht in Ostdeutschland bereits seit 30 Jahren ein Zeitungsmonopol für die Lokalpresse.

    Deshalb ist das Jammern über mangelnde Vielfalt völlig deplatziert und es ist nur logisch, dass das Zeitungswesen bedeutungslos wird. Schließlich sorgt die Anpassung der deutschen Sprache an den Wortschatz von "Watisab?" für sinkende Schreib- und Lesekenntnisse. In der gegenwärtigen Empörungskultur zählt geschriebenes doch gar nicht. Wichtig ist doch für den Hipster nicht, was wahr ist, sondern was man-stern-männIn gern glauben möchte. Das jedoch gibt es bei Youtube &Co.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Unser Zeitungspapier holzt den Regenwald ab. Papierzeitungen und auch die meisten der heutigen, überregionalen Blätter werden sukzessive aussterben, nicht nur, weil es dort inzwischen kaum mehr Meinungsvielfalt gibt und deshalb Interessierte zu anderen Medien wechseln.

    • 0G
      06955 (Profil gelöscht)
      @05838 (Profil gelöscht):

      Das ist echt Blödsinn. Schauen Sie mal in die FAZ, in der sich Feuilleton und Wirtschaft, Herausgeber und Innenpolitikchef regelmäßig streiten.