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ZDFneo-Serie „Nighties“Die Loser der Nacht

In „Nighties“ kämpft sich das Personal eines Hotels durch skurrile Nachtschichten. Dabei dürfen sie auch mal an den Herausforderungen scheitern.

Schlechte Kombi: Millie ist Hotelbesitzerin und kann nicht „Nein“ sagen Foto: Frank Dicks

Wenn alle anderen ins Bett gehen, dann geht die Nacht für Millie, Adriana, Charles, Franca und Rafael erst los. Um 21 Uhr beginnt die Nachtschicht im Münchener Hotel Prinzenhof, den die junge Hotelchefin Millie (Tamara Romera Ginés) von ihren Großeltern geerbt hat. Ein Luxushotel ist der Prinzenhof mitnichten, verstaubte Regale und ungesaugte Teppichböden machen das Hotel eher zur Absteige als zum Erholungserlebnis.

Im Mittelpunkt der Comedyserie von ZDFneo stehen nicht die Gäste, sondern das Quintett der Mitarbeitenden. Ginés glänzt als chronisch people-pleaserische Hotelchefin Millie, die Entscheidungen „so lange aufschiebt, bis es nicht mehr geht“, und sie dann mit „einer Mischung aus Bauchpanik und Pippi im Schlüppi“ trifft. Sie hat sogar Angst, dass ihre „Nagellady“ sie hasst, weil sie die falsche Farbe auswählt, und entscheidet sich schließlich für einen Farbton namens „Okay, Boomer“.

Kurz: Millie erfüllt jedes Klischee über die Generation Z. Millies beste Freundin und Security-Chefin des Hotels Adriana, verkörpert von Stella Goritzki, bildet das abgeklärte Komplementärstück zu Millie. Barkeeper Rafael (Ben Felipe) braucht dauernd Geld, recherchiert im Netz nach Tipps, um reich zu werden, und fragt munter in den Raum, ob ihm jemand Kryptowährung erklären könne.

Küchenchefin Franca (Mariananda Schempp) und Concierge Charles (Adnan Maral) ergänzen die Nächte durch ihre ganz eigenen Ansätze der Gäste­betreuung. Die Dialoge sind so witzig wie zeitdiagnostisch, etwa dann, wenn das Team vor lauter Langeweile „Hipster oder obdachlos“ spielt und Millie Rafael fragt, ob er Stress habe, weil wieder jemand einen entkoffeinierten Virgin Espresso Martini bestellt hat. Ne, antwortet der, das ist doch einfach ein kalter Kaffee.

Frauen dürfen auch mal scheitern

Creatorin und Headwriterin Melina Natale hat mit ihrem Debüt den schnellen, scharfzüngigen Humor der jungen Generation getroffen und ihn in Frauenfiguren eingeschrieben, die auffallen: Genug weiße heterosexuelle männliche Figuren mit Krisen habe sie bereits gesehen, daher sei ihr Anspruch gewesen, „Leading Loser Ladies“ zu erschaffen, so Natale.

Frauenfiguren also, die nicht der erfolgreichen und durchtrainierten Karrierefrau entsprechen und die trotzdem die Hosen – oder, in Millies Fall, die 60er-Jahre-Kleidchen – anhaben.

Diesen Raum füllen Ginés, Goritzki und Schempp doppelt und dreifach durch ihre Performance. Diesen Raum geben die männlichen Darsteller Maral und Felipe gleichzeitig neidlos und ergänzen nebenbei die Comedyqualität der Serie durch ihre Charaktere mit jedem Auftritt.

Ein hervorragendes Debüt

Besonders Maral, unersetzlich im deutschsprachigen Komödienrepertoire und bekannt aus „Türkisch für Anfänger“, ist eine Freude als pflichtbewusster und manchmal extravaganter Concierge.

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Fein abgestimmt ist die Figurenkonstellation der fünf Nachtloser, und so selbstverständlich die Dynamik wirkt, so bedacht und sinnvoll funktionieren die Figuren durch die Kontraste zueinander.

Dass das Kammerspiel von einigen weiteren Handlungsorten womöglich profitiert hätte, dass der Gegen­wartshumor manchmal ein wenig deutlich auf die zwölf geht – geschenkt. Natale hat ein hervorragendes Debüt als Head­autorin vorgelegt, das vor allem eines ist: eine warmherzige Ode an Nachtstunden und Nachteulen.

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