„Z“-Symbole und Morddrohung: Der Krieg am Hamburger Stadtrand

Immer häufiger tauchen in Hamburg-Bergedorf „Z“-Symbole auf. Eine Familie, die ukrainische Geflüchtete unterstützt, hat eine Morddrohung erhalten.

Auf einer dunklen Hauswand steht in weißer Farbe ein "Z". Im Hintergrund ist ein Fahrradparkplatz.

Propagandakrieg via Hauswand: eines der „Z“-Symbole im Hamburger Bezirk Bergedorf Foto: Bergedorfer Bündnis gegen Rechts

HAMBURG taz | Immer wieder taucht im Hamburger Bezirk Bergedorf das „Z“-Symbol auf. An Hauswänden, auf Autos und auch an einer Turnhalle der Gretel-Bergmann-Schule im Stadtteil Neuallermöhe. Gegen eine Familie hat es sogar eine Morddrohung gegeben – warum häufen sich die Vorfälle im Hamburger Osten?

Mit dem „Z“, erklärt das russische Verteidigungsministerium auf Instagram, meine man „Za Pobedu“ – für den Sieg. Ein anderer Deutungsversuch erklärt die Wahl ausgerechnet dieses Buchstabens, den es im kyrillischen Alphabet so gar nicht gibt, mit der Himmelsrichtung „Zapad“ – Westen. Das solle die Marschrichtung der russischen Invasion vorgeben.

Ursprünglich zur Markierung der eigenen Fahrzeuge im Krieg in der Ukraine gedacht, um Beschuss aus den eigenen Reihen zu verhindern, avancierte das Symbol zu einem Zeichen der Unterstützung des russischen Angriffskrieges. Wenige Wochen nach Kriegsbeginn kündigten erste Bundesländer an, das Zeichen strafrechtlich zu verfolgen, wenn es in eindeutiger Verbindung zum Krieg stehe.

Die Androhung juristischer Konsequenzen hält Putin-Unterstützer:innen im Hamburger Bezirk Bergedorf allerdings nicht auf, das Zeichen verbreitet sich hier schneller als in anderen Stadtteilen, so das Bergedorfer Bündnis gegen Rechts (BBgR). Auch die Zahlen der Hamburger Polizei bestätigen diesen Eindruck. Von 50 Strafanzeigen im gesamten Stadtgebiet bezüglich der Z-Symbole entfallen allein 30 auf das Polizeikommissariat 43, das den gesamten Bezirk Bergedorf abdeckt.

Ein "Z"-Symbol auf einer Mauer in einem Wohngebiet.

„Z“-Symbol in Bergedorf: Auch andere rechte Symbole finden sich in dem Hamburger Bezirk gehäuft Foto: Bergedorfer Bündnis gegen Rechts

„Es tauchen auch immer wieder neue Symbole auf“, sagt Patrick Kühl, Grünen-Politiker in der Bezirksversammlung Bergedorf und Mitorganisator des BBgR. Er selbst habe zuletzt viele Z-Symbole beobachten können, aber auch von außen seien Bür­ge­r:in­nen an das Bündnis herangetreten, um auf die Propaganda-Symbole aufmerksam zu machen.

„Ich sehe mir die Symbole meist auch genauer an, es sieht so aus, als seien es an vielen Stellen dieselben Tä­te­r:in­nen gewesen, als sei dieselbe Farbe verwendet worden“, sagt Kühl. Dass es eine signifikante Häufung in Bergedorf gebe, das könne daran liegen, dass in Neuallermöhe viele russische Spätaussiedlerinnen wohnen. Unter ihnen gebe es einige, die russische Propaganda und alternative Medien konsumierten, sich in Echokammern verlören, um sich schlussendlich mit dem Angriffskrieg zu solidarisieren.

Wichtig ist Kühl zu betonen, dass es auch aus der russischen Community Widerstand gibt, der sich gegen Putins Krieg stellt. Z-Symbole wurden teilweise übersprüht, manche mit „net voyne“ („Nein zum Krieg“) kommentiert.

„Der Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern des russischen Angriffskrieges wird jedoch nicht allein mit Farbe ausgetragen. Vor Kurzem erhielt eine Familie in Neuallermöhe einen Drohbrief, sie hatte ukrainische Geflüchtete aufgenommen. „Wenn du ein Echter Deutscher bist […] raten wir dir; deine Gäste samt der Flagge in deren Auto zusetzen und ab mit denen Richtung Osten. Gefählt dir so eine Variante nicht, raten wir dir dasselbe zu machen“, so das Zitat aus dem Drohbrief, den das Online-Nachrichtenportal „24hamburg“ veröffentlicht hat. Die Ver­fas­se­r:in­nen drohen im Nazi-Sprech, „die ‚Öfen‘ die seit 75 Jahre Außer betrieb sind wieder anfeuern“. Es gebe ja genug „Brennmaterial“.

In Folge der Drohung organisierte das Bergedorfer Bündnis gegen Rechts eine Fahrraddemo, die Polizei teilt derweil mit: „Vor dem Hintergrund andauernder Ermittlungen können zu diesem konkreten Verfahren noch keine weiteren Auskünfte erteilt werden.“

Ein Einzelfall sei das nicht, auf der Straße gebe es regelmäßig Morddrohungen aus der rechten Szene, immer wieder werden Vorfälle an das BBgR herangetragen. In einem Fall soll die Polizei das Opfer nicht ernst genommen und sogar die Aufnahme von Ermittlungen verweigert haben. Die Polizei erklärt, man gehe allen Morddrohungen intensiv nach.

Bezüglich der Z-Symbole gibt es bereits eine polizeiliche Feststellung, berichtet die Bergedorfer Zeitung. Der Täter wurde beim Sprayen eines „Z“ auf eine Mülltonne gesehen. Seitdem gebe es etwas weniger neue Symbole, meint Patrick Kühl. Er hofft, dass es sich um einen kleinen Kreis von Tä­te­r:in­nen handelt, seine Beobachtungen und die Reduktion neuer Zeichen nach dem Vorfall unterstützen diese Vermutung.

Auch viel andere rechte Symbolik

Auch an der Gretel-Bergmann-Stadtteilschule in Neuallermöhe wurde ein „Z“ auf die Turnhalle gemalt. Die Schulbehörde teilt auf taz-Anfrage mit, dass das Symbol kurzfristig entfernt wurde. Eine Anzeige sei ebenfalls erstattet worden, die Ermittlungen dauerten an. „Es ist grundsätzlich Teil der Gesellschaftsunterrichte der Schule, wie mit Propagandasymbolen Botschaften vermittelt werden sollen. Die Z-Symbole wurden behandelt“, so ein Sprecher der Behörde.

Prorussische Zeichen sind jedoch nicht die ersten Zeugnisse rechten Gedankenguts in Bergedorf. Häufiger kommt es in dem Bezirk zu Kritzeleien aus der rechten und verschwörungsideologischen Ecke. Patrick Kühl kann sich an viele Corona-leugnende Parolen auf einem Radweg in Neuallermöhe erinnern, auch Hakenkreuze seien im Bezirk immer wieder zu entdecken.

Bei der Bürgerschaftswahl 2020 hat die AfD in Neuallermöhe mit 11,8 Prozent mehr als doppelt so gut abgeschnitten wie im gesamten Hamburger Stadtgebiet. Auch das ist ein Teil der Erklärung für die Häufung rechter Symbolik in Neuallermöhe.

Doch nicht nur in Hamburg führt der Krieg zu Auseinandersetzungen. Am Ohlenstedter Quellsee in Bremen filmte eine ukrainische Geflüchtete eine Auseinandersetzung mit einem Mann, der sie auf russisch angeht und beleidigt – ihre Tochter hatte andere russisch sprechende Kinder wohl zuvor mit „Slawa Ukraini“ („Ruhm der Ukraine“) gegrüßt. Nun berichten sowohl russische wie ukrainische Medien über diesen Vorfall.

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