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Youtube kämpft gegen Fake NewsMit Wikipedia gegen Aluhüte

YouTube will Verschwörungstheorien und Fakes mit Wikipedia-Einblendungen zu Leibe rücken. Netzaktivisten kritisieren das Vorgehen.

Gegen alle, die Kondensstreifen für giftige „Chemtrails“ halten und gern Aluhüte tragen, hat Youtube jetzt eine schlagkräftige Waffe: Wikipedia Foto: dpa

YouTube will in Zukunft Wikipedia-Texte unter Videos posten, die Verschwörungstheorien verbreiten. Das verkündete Susan Wojcicki, Vorstandsvorsitzende der Google-Tochtergesellschaft, am Dienstag. Wenn YouTube ein Video als problematisch einstufe, werde man auf Wikipedia-Artikel zu den entsprechenden Themen verweisen, die im Video möglicherweise falsch dargestellt seien.

Wie andere soziale Medien auch wird die Plattform immer wieder dafür kritisiert, Fake News und Hate Speech zu verbreiten. „Wir fühlen uns dafür verantwortlich, richtige Informationen darüber zu liefern, was sich auf der Welt ereignet“, sagte sie während einer Podiumsdiskussion. Vermutlich wird YouTube das neue Feature in ein paar Wochen einführen.

Bei Wikipedia habe man nichts von den Plänen gewusst, schrieb Wikimedia-Vorstandsmitglied Katherine Maher. Die Wikimedia Foundation steht hinter der freien Onlineenzyklopädie. Man freue sich; allerdings werde die freiwillige und unbezahlte Arbeit der Autoren monetarisiert, während die Plattform leer ausgehe. Im Tech-Blog Gizmodo zeigte Wikimedia sich erfreut darüber, dass Unternehmen den Wert der frei zugänglichen Wissensquelle schätzten. Weder Wikipedia noch Wikimedia seien aber eine geschäftliche Beziehung mit YouTube eingegangen.

Auf Wikipedia können NutzerInnen selber Artikel verfassen oder editieren. Sie prüfen auch, ob Artikel inhaltlich korrekt sind. Einerseits wird dadurch Aktualität gesichert, andererseits kann die Wissenschaftlichkeit der Artikel nicht garantiert werden. Als objektive Quelle unter falschen Videos funktioniert ­Wikipedia also nur bedingt.

Youtube erreicht mit diesem cleveren Trick, dass nicht mehr über die von ihm verbreiteten Inhalten diskutiert wird, sondern stattdessen über den Wikipedia-Artikel

Alexander Fanta, netzpolitik.org

„YouTube und Google verstecken sich damit hinter Wikipedia“, kritisiert Alexander Fanta vom Onlineblog Netzpolitik.org. „Youtube erreicht mit diesem cleveren Trick, dass nicht mehr über die von ihm verbreiteten Inhalten diskutiert wird, sondern stattdessen über den Wikipedia-Artikel.“ Damit umgehe die Video-Plattform das eigentliche Problem und könne weiterhin Fake News veröffentlichen.

Auch Sebastian Meyer, Sprecher des gemeinnützigen Vereins LobbyControl, kritisiert den Schritt: „Einerseits nimmt der Konzern viel Geld damit ein, fremde Inhalte auf seine Seite zu stellen“, sagt er. „Wenn es aber darum geht, welche Wirkung diese Inhalte auf die Meinungsbildung haben, versucht er, kostengünstig davonzukommen.“

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9 Kommentare

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  • Die allein selig machende Wikipedia wird in naher Zukunft wenn das WWW soweit zu einem fetten FB-YT-Google-Klumpen zusammengewachsen ist und alle weiteren Enzyklopädien verdrängt wurden, ihre allein selig machenden Wahrheiten von jeder Werbetafel verkünden.

  • Wer entscheidet bitteschön darüber, ob etwas zu einer Verschwörungs erklärt wird ? Wenn ich so daran denke, als Edward Snowdon uns erklärte, daß die NSA einfach alles abhöre und unsere Kanzlerin dazu sagte, daß das "gar nicht gehe" wurde aus einer VT eine Verschwörungspraxis. Also Irrtum, Fehler, falsch, modern: Fake-News. Nächstes Beispiel: Die Bargeldabschaffung. Wird meines Wissens immer noch als VT behandelt, obwohl dazu in aller Welt Indizien als auch belastbare Fakten vorliegen. Wären wir jetzt zu Gallileos Zeiten, wäre die Meinung, daß die Erde eine Kugel sein, sicher garantiert Fake-News, bzw. VT. Und zu Nazizeiten, wäre die Auffassung, daß es Tötungen in KZs gäbe, sicherlich von irgendeiner Art Nazipedia als lächerliche VT gebrandmarkt worden. Wer immer "brandmarkt", kann sich so sicher nicht sein. Und ob wir Menschen auf dem Mond gewesen sind oder nicht, nachprüfbar ist das nie und nimmer. Selbst wenn man da oben alles absuchen würde und man würde nichts finden, käme immer irgendein Schlauberger daher und würde vermuten, daß man entweder nicht richtiggesucht hätte oder die Sachen wären versteckt worden. Fazit: Die Ernsthaftigkeit, mit der irgendetwas zu einer VT erklärt wird, hat etwas mystisch Irreales an sich. Mich amüsiert´s.

    • @Thomas Schöffel:

      Galileo hat das heliozentrische Bild unseres näherem Systems gegen das der Kirche vertreten welche meinte, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums. Das die Erde eine Kugel ist, wusste schon Plinius der Ältere und etliche Naturwissenschaftler vor ihm. Da sind Sie wohl selbst den Fakenews auf den Leim gegangen. Übrigens: Solange noch keine religiösen Lebewesen außerhalb der Erde gesichtet werden, hat die Kirche sogar bis heute recht -aus geisteswissenschaftlicher Perspektive! ;)

  • Fakes mit anderen Fakes bekämpfen düfte dann zum Nebeneffekt gehören.

     

    Es gibt diverse Plattformen, die nicht den Anspruch erheben, amtliche Quellen zu sein, sondern auf denen es lediglich darum geht, daß Nutzer auf die eine oder andere Weise Ideen vorstellen, wie sich eine Sache ganz anders als in der erwünschen offiziellen Darstellung möglicherweise auch noch verhalten könnte, sinnhaltig hin oder her.

     

    So etwas gehörte schon immer zum Volksstandard, nur daß man es in früheren Zeiten mehr in Form von Stammtischdiskussionen vorfand. Auch da wurde wild drauflos spekuliert, viel Unsinn erzählt und ab und zu auch mal ziemlich zufällig entdeckt, daß auch politisch korrekte Darstellungen ebenfalls Fakes sein können.

  • Kommentar gelöscht. Bitte beachten Sie unsere Netiquette.

  • Wikipedia als neutrale Quelle zu betrachten ist doch sehr optimistisch oder besser naiv gedacht. Ich habe mich recht ausführlich mit dem Einsturz von World Trade Center 7 (WTC7) und drumrum beschäftigt und habe doch klar feststellen müssen, dass Wikipedia eben nicht neutral und objektiv ist. Ich bilde mir definitiv nicht ein, sagen können, was die Wahrheit über WTC7 ist, aber die Art und Weise wie Sachverhalte bei Wikipedia dargestellt werden und wie mit Kritik daran umgegangen wird, empfinde ich schon als bedenklich - v.a. in Anbetracht des guten Rufes von Wikipedia. Wikipedia ist hierarchisch organisiert und die "Wahrheit" muss von oben abgenickt werden. Objektivität ist eben eine Illusion - ganz sicher auch hinsichtlich Wikipedia.

    Und wenn youtube Inhalte als Verschwörungstheorien brandmarken kann, finde ich das auch sehr zweischneidig: Unzweifelhaft drehen gerade viele durch (Chemtrails usw.) und Aufklärung ist bitter nötig, aber dass Verschwörungen auch Realität sind, ist halt eben auch eine Tatsache. Und ich finde es schwierig, mir von youtube mehr oder weniger sagen zu lassen, was nun eine Aluhut- und was eine echte politische Verschwörung ist - meine Befürchtung ist, dass dabei nur noch Aluhutverschwörungen rauskommen. Youtube als neues "Ministerium für Wahrheit"? Ich wittere eine Verschwörung... ;)

  • Wäre interessant ob sich dann Google auch bei dem nächsten Wikipedia-Spendenaufruf erkenntlich zeigt.

  • Der Herr Thomas de Maizière benutzt teilweise ganze Absätze aus Wikipedia in seinen Reden, allerdings um rechtswidrige Gesetze durchzuwinken.

     

    Echt schade dass der Aluhut jegliche Diskussion über den Flugverkehr überschattet.

    Mir ist es echt schnuppe ob eine spezifische Chemikalie dem Kerosin beigemischt wird oder ob sich der Wolkenteppich aus einen natürlich physikalischen vorgang bildet.

    Ein Kondensstreifen ist immerhin noch die Abgase eines Flugzeugs und eben keine natürliche Regenwolke.

    Wer ist Wikipedia?

  • Der Artikel geht doch am Problem vorbei!

    In vielen Fällen ist Wikipedia eine Autorität, die allseits akzeptiert ist. Dort wo es aber einen Meinungsstreit gibt, hat auch Wikipedia nicht die Wahrheit gepachtet - woher auch. Einen Link auf Wikipedia anzubieten ist ok. Aber den Wikipedia-Inhalt selbst einzublenden ist problematisch. Wir wissen in solchen Streitfällen schlicht nicht, ob die Erde eine Kugel oder eine Scheibe ist. Wenn die bisherige Mehrheitsmeinung sie für eine Scheibe hält, steht das meistens so auch in Wikipedia.