Menschen mit eingeschränkter Mobilität: Rollt bei Google

Barrierefreiheit kommt in den Mainstream. Google sei Dank: In der Google-Maps-App gibt es jetzt auch Karten für Rollstuhlfahrer*innen.

Ein Rollstuhlfahrer rollt in einen Zug

Die Google Maps App bietet nun eigene Karten für Rollstuhlfahrer an – leider noch nicht für alle Städte Foto: dpa

Mit dem Rollstuhl den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, heißt eigentlich immer: mehr Zeit einzuplanen. Paradoxerweise kann es eine immense Zeitersparnis sein, sich per Mausklick eine längere Route anzeigen zu lassen. Dann nämlich, wenn es eine barrierefreie Route ist. Und man nicht selbst erstmal mühsam Linienfahrpläne vergleichen und sich den besten Weg selbst zusammenschustern muss.

Diesen Service bietet Google Maps nun auch in der Smartphone-App an. Die Funktion ist erst mal beschränkt auf die Metropolen London, Boston, Mexico City, Tokyo und Sydney, aber weitere Städte sollen bald folgen, In der Desktop-Version ist die Funktion schon länger auch für andere Städte verfügbar.

Falls es damit wirklich bald ein flächendeckendes Tool für die Planung barrierefreier Fortbewegung gibt, wäre das ein enormer Vorteil. Nicht zuletzt, weil die Google-Karten die Daten verschiedener Verkehrsverbände bündeln und man sich so das Zusammenbasteln aus verschiedenen Informationsquellen spart. So, wie es bisher ja auch für einen Wechsel von der U-Bahn in den ICE funktioniert.

Auch ein Aufenthalt im Ausland würde viel einfacher: Als Mensch im Rollstuhl müsste man sich nicht mehr durch Blogs von Betroffenen klicken oder sich die Webseite des jeweiligen öffentlichen Nahverkehrs von Google übersetzen lassen, um nach Informationen zur allgemeinen Barrierefreiheit des ÖPNV-Netzes suchen. Stattdessen könnte man die Routenplanung direkt in der eigenen Sprache beginnen und den Computer die Arbeit machen lassen.

Auch für Eltern mit Kinderwagen praktisch

Rollstuhlgerechte Routen sind längst nicht nur für Menschen im Rollstuhl eine Hilfe. Sie erleichtert die Fortbewegung auch für Menschen mit gesundheitlichen Problemen, für Eltern, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind oder für Leute, die viel zu schleppen haben. (Und damit sind nicht die in Berlin so gerne mit dem ÖPNV durchgeführten Umzüge gemeint. Nehmt euch doch bitte ein Mietauto.)

Doch neben allen Vorteilen im Alltag könnten diese Karten auf Google Maps noch einen viel größeren Vorteil bringen: Sie könnten die Gesellschaft inklusiver machen. Denn Inklusion bedeutet auch Sichtbarkeit von behinderten Menschen und deren Möglichkeiten, am öffentlichen Leben teilzuhaben.

Hinter jedem Standardformular, in dem man auch „Rollstuhlgerechtigkeit“ ankreuzen kann, steckt Gleichberechtigung. In der Realität muss man sich hingegen häufig mit Extraformularen oder gar Hotlines, die man umständlich kontaktieren muss, plagen – zum Beispiel, wenn man einen rollstuhlgerechten Platz in einem Konzerthaus buchen will. Google Maps ist ein Tool, dass unzählige Menschen täglich unterwegs verwenden. Und das eben diese Option nun auch behinderten Menschen bietet.

Barrierefreiheit bedeutet nicht nur Rollstuhlgerechtigkeit; Blinde und Gehörlose haben ebenso Anspruch darauf

Die Köpfe hinter gleichberechtigten Lösungen haben Menschen auf dem Schirm, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind – warum auch immer. Das trifft aber auf viele Menschen und Institutionen immer noch nicht zu. Und so macht das neue Feature von Google auch ein Problem sichtbar, das viele im Alltag übersehen: fehlende Barrierefreiheit.

Dieser widmet sich auch das Programm „Local Guides“, das ebenfalls Google ausgerufen hat. Dabei beantworten Freiwillige Fragen zur Rollstuhlgerechtigkeit an verschiedenen Orten. Wenn sie in einem Restaurant sind, werden sie gefragt: Gibt es einen rollstuhlgerechten Parkplatz? Einen stufenlosen Eingang? Ist die Bestuhlung so, dass man mit einem Rollstuhl gut durchkommt?

Zwölf Millionen Orte weltweit wurden auf diese Weise getaggt. Das ist mindestens genauso wichtig wie die Übersicht über den barrierefreien ÖPNV. Denn man möchte schließlich nicht nur stufenlos beim Restaurant ankommen, man möchte dort auch stufenlos sein Essen genießen, statt nur Barhocker und Stehtische vorzufinden oder nicht durch die Tür zu kommen.

Freiwillige einzubeziehen ist wichtig, das allein trägt schon zur Bewusstseinsbildung bei. Jeder ist mal in einer Situation, in der ihm diese Informationen helfen. Und sei es, weil die nicht mehr so fitte Oma zu Besuch kommt. Doch: Barrierefreiheit bedeutet nicht nur Rollstuhlgerechtigkeit. Blinde und gehörlose Menschen haben ebenso Anspruch darauf. Das Bewusstsein hat noch einen langen Weg vor sich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.