Wut auf EU-Parlamentspräsident Schulz: Ceta im Eilverfahren
Die EU-Abgeordneten sollten bei Ceta das letzte Wort haben, nun wird die Entscheidung durchgepeitscht. Die Ausschüsse sollen nicht mitreden.
„Ich fühle mich um meine Rechte als Abgeordneter betrogen“, klagt der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. „Wer so Politik macht, darf sich nicht wundern, wenn die Trumps und Le Pens Erfolge feiern und die Wut auf die EU wächst“, schimpft Fabio De Masi von der Linken.
Grund ihres Ärgers: Schulz hatte gemeinsam mit den Fraktionschefs die Parlaments-Agenda für die nächsten Wochen festgezurrt und dabei wichtige Vorentscheidungen getroffen. So sollen die Abgeordneten bereits Mitte Dezember abschließend über Ceta im Plenum abstimmen. Stellungnahmen aus den Fachausschüssen werden nicht eingeholt.
Am Montag legten die Parlamentsgranden – neben SPD-Mann Schulz gehört dazu auch der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber – zudem fest, dass es keine gesonderte Aussprache über den unter Ceta geplanten Investitionsgerichtshof geben soll. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ceta-Kritiker werten es als Signal, dass Schulz den Abgeordneten einen Maulkorb verpassen will.
„Keine ernsthafte Parlamentsbeteiligung“
„Die konservativ-liberale Mehrheit will nicht einmal in einer Debatte im Plenum über die erheblichen rechtlichen Zweifel diskutieren, die auch der Deutsche Richterbund bei Ceta hat“, beschwert sich De Masi. Der Richterbund hatte das Investitionsgericht kritisiert und die EU-Kompetenz angezweifelt. Linke und Grüne wollten das nun diskutieren – und sind gescheitert.
„Das ist keine ernsthafte Parlamentsbeteiligung mehr“, schimpft auch Giegold. Ihm geht es vor allem um die Wirtschafts- und Finanzmarktkapitel, die das 2.200 Seiten dicke Ceta-Abkommen enthält. Wenn der Wirtschaftsausschuss nicht beteiligt werde, könnten die Abgeordneten diese Kapitel nicht ordentlich überprüfen und keine Änderungen mehr einbringen, so Giegold.
Auch die 38 Erklärungen und das sogenannte „begleitende Instrument“ – eine Art Interpretationshilfe für das oft schwammige und schwer verständliche Abkommen – könnten nun nicht mehr vernünftig gegengecheckt werden. Dabei hatte sich Schulz auf dem Höhepunkt der Krise in Wallonien persönlich als Vermittler zwischen der EU und Kanada eingeschaltet.
Damals versprach der SPD-Politiker, dass nicht nur regionale und nationale Parlamente angehört würden. Nein, die Ceta-Kritiker aus Wallonien, Berlin oder Wien könnten auch auf das Europaparlament zählen, das wie bei jedem Handelsabkommen das letzte Wort haben werde.
Ausschüsse haben sich nicht gemeldet
Nur der vom CDU-Politiker Elmar Brok geführte Auswärtige Ausschuss soll noch gehört werden, teilte die Pressestelle des Parlaments auf Nachfrage der taz mit. So habe es das Präsidium am 18. November beschlossen. Etwas anders stellt es Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses, dar. Alle Ausschüsse seien um Stellungnahmen zu Ceta gebeten worden, doch kaum jemand habe sich gemeldet.
Dennoch werde nun, wie versprochen, die Stunde des Parlaments schlagen, so der SPD-Politiker Lange. Änderungen seien noch möglich. Es werde auch noch eine Resolution des Parlaments geben, in der die Anforderungen an Ceta festgeschrieben werden sollen.
Die Kritiker bezweifeln das – und auch, dass Ceta mit EU-Recht vereinbar ist. Sie wollen dazu ein Gutachten des obersten EU-Gerichts in Luxemburg einholen. Bei der für Mittwoch geplanten Abstimmung dürfte es dafür keine Mehrheit geben.
Die große Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten steht; Schulz und Weber haben sie organisiert. Die „Kampagne“ von Ceta-Kritikern gehe dennoch an der Realität vorbei, so Lange. Selbstverständlich werde Ceta noch einmal von den Rechtsexperten des Parlaments überprüft.
Und natürlich werde man sich auch die nötige Zeit nehmen. „Der Zeitplan ist nicht in Stein gemeißelt“, betont Lange gegenüber der taz. Das Parlament in Kanada wolle schließlich auch erst im Februar 2017 entscheiden.
„Als sturmerprobter Friese lasse ich mich nicht unter Druck setzen“, betont Lange. Allerdings hätten da ja auch noch andere mitzureden. „Am Ende ist es eine demokratische Entscheidung.“
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