Wright nervenstark im Darts-WM-Finale: Zenmeisterlich am Ziel
Peter Wright gewinnt die Darts-WM, weil er seine Würfe im richtigen Moment vollbringt. Die Corona-Maßnahmen beim Turnier sind indes eine Farce.
Darts ist ein Nervenspiel, das sich vielleicht in drei Komponenten aufspalten lässt: Scoring, Checken und Timing. Scoring bedeutet, konstant hohe Punkte einzufahren. Fürs Checken braucht man die Doppel, um das Leg zuzumachen. Und Timing heißt, gerade dann die besten Darts zu werfen, wenn sich gerade ein Gelegenheitsfenster öffnet; und sei dieses Fenster im Durchmesser auch nur 12,7 mm groß.
Was die ersten beiden Punkte anbelangt, war Michael Smith Favorit: Der 31-Jährige aus England scorte das Turnier über konstant über 100 Punkte und lag mit seinen Check-Out-Quoten regelmäßig um die 45 Prozent. Obendrein hatte er das Publikum in London im Rücken: im Gegensatz zu Wright hat Smith noch keine Weltmeisterschaft gewonnen. Die Frage war nur, ob er dem Druck standhalten konnte; in der Vergangenheit war er immer wieder in wichtigen Momenten nervös geworden, sogar fahrig.
In diesem Turnier aber hatte er im Achtelfinale gegen einen exzellent aufgelegten Johnny Clayton über die volle Distanz gehen müssen und im Viertelfinale gegen den Titelverteidiger Gerwyn Price sogar zwei Matchdarts gegen sich gehabt; im Halbfinale schlug er dann seinen Angstgegner James Wade mit derart viel Wucht und Überzeugung, dass viele Expert*innen ihm die Favoritenrolle zuschoben.
Der Schotte Peter Wright hingegen war geradezu zenmeisterlich durch das Turnier geschritten; die ersten Matches hatte er eher durchwachsene Leistungen gezeigt, aber in den entscheidenden Momenten dann doch immer die Felder getroffen. Erst im Halbfinale dann traf der 51-Jährige auf einen Gary Anderson, der ihm alles abverlangte: und mirakulöserweise schaffte es „Snakebite“ Wright, immer genau dann seine besten Darts zu werfen, wenn er sie brauchte.
Duell Kopf gegen Herz
Das schafft er auch, weil er das Spiel lesen kann, wie es sonst niemandem gelingt. Immer wieder nimmt er sich Pausen vor wichtigen Darts, um sich zu sammeln. Obendrein ist er ein Frickler, der regelmäßig – auch während des Spiels – die Darts wechselt, bis er genau die Pfeile gefunden hat, die zu seinem Bewegungsablauf passen. Dieses Finale war auch ein Duell Kopf gegen Herz.
So überzeugend beide Spieler im Halbfinale gewesen waren, so holprig ging das Finale los: Im zweiten Leg des ersten Sets verwarfen beide ihre Pfeile reihenweise, 28 Würfe dauerte der Spaß. Erst ab Set drei hörten die Nerven bei beiden auf zu flattern; auch danach erreichten sie zwar nicht das Niveau der Halbfinals, aber Spannung blieb genug. Um den achten Satz herum schien Michael Smith, der wie eine Maschine eine 180 nach der nächsten warf, drauf und dran zu sein, davonzuziehen; kurz darauf aber brach er ein, während Wright in aller Seelenruhe seinen Rhythmus durchzog. Erst nach dem letzten, entscheidenden Dart zeigte er Emotionen, als er völlig erschöpft seinen Kopf gegen die Scheibe lehnte; und dann kam die Freude.
Überschattet wurde das gesamte Turnier vom Umgang mit der Pandemie. Der Veranstalter PDC hat sich einiges herausgenommen; vor 3.000 Zuschauer*innen dürfen die Matches stattfinden, alle singen und johlen stundenlang, Mindestabstand gilt höchstens für die Karren im Parkhaus. Gelüftet werden kann auch nicht, das könnte die Flugbahn der Pfeile beeinflussen. Als geeignete Maßnahme empfanden es die Veranstalter, dass die Spieler beim Walk In schlecht sitzende Stoffmasken trugen. Es war eine Farce.
Während dieser Weltmeisterschaft haben sich dann mindestens fünf Spieler angesteckt; darunter auch Michael van Gerwen, der als einer der großen Favoriten gegolten hatte und nach einem positiven Test kampflos sein Drittrundenspiel abgeben musste. Im Anschluss hatte er moniert, dass nicht nur zu wenig Maßnahmen zum Schutz der Spieler*innen getroffen worden waren, sondern diese Maßnahmen auch viel zu lax umgesetzt worden seien. Andere Spieler wie Gary Anderson und Gerwyn Price forderten den Abbruch der Weltmeisterschaft. Peter Wright sagte, dass er nicht an einer kommenden WM teilnehmen werde, wenn es keine effektiven Schutzmaßnahmen gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance