Wort-Debatte „Völkermord“: Erdogan kritisiert Gauck
Das türkische Außenministerium und Präsident Erdogan kritisieren Bundespräsident Gauck: Er hatte das Wort „Völkermord“ in Bezug auf die Armenier verwendet.
ANKARA afp | Die Türkei hat Bundespräsident Joachim Gauck für dessen Bezeichnung des Massakers an den Armeniern als „Völkermord“ scharf kritisiert. Gauck habe „kein Recht, die türkische Nation eines Verbrechens zu beschuldigen, das sie nicht begangen hat“, erklärte das türkische Außenministerium am Freitagabend in Ankara. Ähnliche Kritik kam am Samstag auch vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Das türkische Volk werde Gaucks Äußerungen „nicht vergessen und nicht vergeben“, hieß es aus Ankara. Gaucks Erklärung missachte die türkische Gemeinde in Deutschland. „Die Mitglieder dieser Gemeinde werden angesichts der Versuche, ihre Identität in Misskredit zu bringen, nicht schweigen“, erklärte das Ministerium.
Gauck hatte am Donnerstag im Berliner Dom eine Rede gehalten, die das Vorgehen der osmanischen Reichsregierung gegen die Armenier vor hundert Jahren klar als Völkermord bezeichnete. Die Türkei lehnt die Verwendung des Begriffs im Zusammenhang mit den Deportationen der Armenier strikt ab.
Nach dem Außenministerium verurteilte am Samstag auch Erdogan die Verwendung des Begriffes „Völkermord“ scharf. Erdogan kritisierte neben Gauck den französischen Präsidenten François Hollande und Russlands Staatschef Wladimir Putin, die ebenfalls von Völkermord sprechen. Erdogan beschuldigte Deutschland, Frankreich und Russland, sie würden „Behauptungen aufstellen, die auf armenischen Lügen basieren“. Er kritisierte zudem Hollande und Putin dafür, am Freitag an den Gedenkfeiern in Armeniens Hauptstadt Eriwan teilgenommen zu haben.
„Die letzten Länder, die von Genozid gesprochen haben, sind Deutschland, Russland und Frankreich. Was während der zwei Weltkriege passierte, die von Deutschland angezettelt wurden, ist offensichtlich. Sie sollten zunächst, jeder für sich, die Flecken in ihrer eigenen Geschichte reinigen“, sagte Erdogan in einer im Fernsehen übertragenen Rede.
Den USA warf Erdogan vor, auf der Seite der Armenier zu stehen und „Hass“ zu schüren. Zwar hatte US-Präsident Barack Obama anlässlich des Jahrestags weiter nicht von „Völkermord“ gesprochen, aber von Deportationen, Massakern und Todesmärschen.
Massaker als Völkermord anerkennen
Auch das türkische Außenministerium kritisierte Putin, Hollande und Obama. An die Adresse Moskaus hieß es, gerade Russland wisse „wahrscheinlich am besten, was ein 'Genozid' ist“. Zuletzt hatte auch Papst Franziskus den Zorn der Türkei auf sich gezogen, als er „vom ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ gesprochen hatte.
Rund 20 Länder sprechen von einem Völkermord. Nach armenischer Darstellung starben vom 24. April 1915 bis 1917 im Zuge der gezielten Vernichtung der armenischen Minderheit auf dem Gebiet der heutigen Türkei bis zu 1,5 Millionen Armenier. Die Türkei spricht dagegen von 300.000 bis 500.000 getöteten Armeniern und ebenso vielen getöteten Türken bei bürgerkriegsartigen Kämpfen und Hungersnöten.
In Armenien gedachten am Freitag hunderttausende Menschen der Opfer vor hundert Jahren. Nach einer offiziellen Feier in Eriwan im Beisein internationaler Staatsführer legten Armenier aus aller Welt Blumen vor der ewigen Flamme nieder. Armeniens Präsident Sersch Sarkissjan dankte den internationalen Gästen für ihre Verbundenheit und forderte die Türkei auf, die Massaker als Völkermord anzuerkennen. Auch weltweit gab es Gedenkfeiern.
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