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Wolf wieder einfacher abzuschießenArtenschutz ja, aber nicht vor der eigenen Tür

Kommentar von Leila van Rinsum

Das EU-Parlament beschließt, dass Wölfe in der Europäischen Union leichter abgeschossen werden können. Dabei leisten die einen Beitrag zur Natur.

Sollten sich beizeiten in Sicherheit bringen: Wölfe in Brandenburg Foto: Patrick Pleul/dpa

D as EU-Parlament im Eilverfahren beschlossen, dass Wölfe in Europa künftig leichter abgeschossen werden können. Die Parlamentarier stimmten dafür, den Status des heimischen Raubtiers von „streng geschützt“ auf „geschützt“ abzusenken. Nun müssen noch die Mitgliedstaaten im Rat zustimmen. Die hatten sich bereits zuvor für die Entscheidung ausgesprochen, ihre Zustimmung gilt also als sicher.

Die EU zeigt mit der Entscheidung, dass sie Artenschutz lieber in anderen Ländern fordert, als vor der eigenen Haustür zu praktizieren. Sie gibt Geld für Artenschutz im Globalen Süden, investiert in Nationalparks, auch wenn damit Gemeinschaften von ihrem Land vertrieben werden, wenn Elefantenherden Felder zertrampeln oder Löwen Menschen töten. Und auch, wenn militarisierte Nationalparkwächter in ihrer Mission Wilderer erschießen, was nicht selten vorkommt.

Klar, können und müssen die Regierungen in diesen Ländern diese Konflikte aushandeln, aber sie bekommen eben mehr Geld für den Schutz der Wildtiere als für den der Menschen. Artenschutz hat immer auch mit dem Konflikt zwischen Menschen und Tieren zu tun. Dabei halten europäische Politiker nicht zurück mit Kritik an der Kontrolle von Wildtierpopulationen in Afrika etwa.

Der botswanische Präsident Mokgweetsi Masisi machte vergangenes Jahr Schlagzeilen, als er symbolisch Jahr 20.000 Elefanten aus seinem Land nach Deutschland senden wollte, als Reaktion auf ein Einfuhrverbot von Jagtrophäen, das der grünen Umweltministerin Steffi Lemke vorschwebte. Botswana habe jedoch eine Überpopulation an Elefanten, belehrte der Präsident sie. Sie zertrampeln Felder und gar Dörfer und bedrohen damit die Existenz ganzer Gemeinschaften.

Wichtig für das ökologische Gleichgewicht

Dagegen leben insgesamt nur rund 20.000 Wölfe in Europa. Nach ihrer beinahe kompletten Ausrottung in Europa im 19. Jahrhundert, kehrt der Wolf allmählich zurück. Durch die starke Besiedlung mit wenigen Schutzflächen kommt es seit dem häufiger dazu, dass Wölfe Nutztiere angreifen, vor allem Schafe und Ziegen. Laut EU-Kommission wurden in Europa 2023 rund 65.500 Nutztiere von Wölfen gerissen. Mit dieser Argumentation hat die EU, das Abschießen des Wolfes in Europa nun erleichtert.

Im Zentrum stand die Sorgen der Landwirte und Viehzüchter. Denn wer Artenschutz priorisiert, könnte Experten mit der Erarbeitung umfangreicher Schutzmaßnahmen für die Nutztiere und eben den Wolf beauftragen und nicht im Eilverfahren deren Abschuss freigeben. Umweltschützer und auch Wissenschaftlerinnen jedenfalls meinen, dass eine Koexistenz zwischen Wolf und Mensch möglich ist, dass es mehr Unterstützung für bessere Zäune braucht, Herdenschutzhunde oder auch größere Schutzgebiete.

Hierzulande sind keine Menschen durch den Wolf bedroht, weder direkt noch indirekt, weil lebenswichtige Ernten wegbrechen etwa. Bauern werden für gerissene Nutztiere entschädigt. Für Artenschutz hat sich die EU und ihre Mitgliedstaaten eigentlich im UN-Artenschutzabkommen von Montreal verpflichtet. Entscheidungen wie diese zeigen, aber, dass sie das lieber nicht vor Ort machen wollen.

Dabei spielt der Wolf eine wichtige Rolle im Ökosystem, er trägt zum Gleichgewicht der Natur bei, indem er kleinere Tiere erlegt. Auch etwa Rehe und Hirsche, die ebenfalls Ernten zerstören, weil sie besonders gern junge Bäume anknabbern.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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6 Kommentare

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  • *taz: *Das EU-Parlament beschließt, dass Wölfe in der Europäischen Union leichter abgeschossen werden können. Dabei leisten die einen Beitrag zur Natur.*

    Im EU-Parlament sitzen zu einem großen Teil "Politiker", die sogar in ihren eigenen Ländern für zu dumm gehalten werden, deshalb schiebt man sie ja auch nach Brüssel ab.

    Im Schweizer Kanton Genf ist die Jagd übrigens seit 40 Jahren verboten. Noch nie war die Biodiversität dort größer und die Wildtierbestände regulieren sich von selbst. Es ist übrigens auch wahrscheinlicher durch eine verirrte Jägerkugel in Deutschland tödlich getroffen zu werden, als vom "bösen Wolf" gefressen zu werden - aber "Rotkäppchen" und konservative Politiker würden da sicherlich eine andere Geschichte erzählen.

  • Also muss jeder Öko-Schafhalter ein paar öffentlich geförderte Hütehunde halten, die er mittels billigem Fleisch aus der Massentierhaltung ernährt. Nur damit wir uns ein wildes Großraubtier leisten in einer Landschaft, in der es keinen einzigen Hektar an echter Natur mehr gibt. Um uns der Illusion hinzugeben, ein ökologisches Gleichgewicht herstellen zu können, wo es gar keine auch nur in Ansätzen ökologische Natur mehr gibt.

    Was nicht ganz stimmt. Natur gibt es schon noch bei uns. In der Kanalisation sind Populationen von Ratten heimisch geworden. Jagt die der Wolf? Was ist überhaupt mit den Ratten? Gibt es Initiativen, die sich dem Schutz der Ratten verschrieben haben?

  • Wölfe sind natürlich willkommen.



    Nur warum völlig unreguliert und nur mit vorgeschobenen Gründen.



    In Niedersachsen gibt es mittlerweile mehr Wölfe als die Population vertragen kann. Räude breitet sich aus aber noch mehr sind bestimmt besser.



    Ich vermisse hier einen ernsthaften Plan für eine Neueingliederung!



    Die viel zitierten Herdenschutzhunde sollte jeder der die fordert mal im echten Leben erleben… die vertreiben den Wolf eben nicht mit Argumenten oder Flyern, sondern schlichter Physis.



    Zäune sind auch nichts für Wanderschäfer oder alle anderen Tiere der gewöhnlich offenen Landschaft.

    • @Edzard Dralle:

      Ja, in Frankreich zu erleben.

  • Herdenschutzhunde sind höchst beeindruckende Tiere. Da sollte doch der deutsche Huskyfan eigentlich begeistert sein.

  • Danke für den guten Artikel - das Thema Ökologie scheint weder in der EU, noch in Deutschland eine Rolle zu spielen. Als Vorbild für andere Länder taugt unsere "Naturschutzpolitik", die sich fast immer darauf beschränkt, dass es keine Beeinträchtigungen der Wirtschaft durch Naturschutzgesetze gibt, nicht die Bohne. Der Wolf spielt eine Schlüsselrolle im Ökosystem, und ab- und zu sollten sich mal alle klarmachen, dass charismatische Tiere wie der ach so deutsche Rothirsch mit seiner Wehrhaftigkeit, seinem Geweih und seinen langen Beinen ein Spiegelbild der ökologischen Verhältnisse sind, die durch den Wolf geprägt wurden. Ohne Wolf keinen Rothirsch! Man findet auch bei sämtlichen anderen Wildtieren, die vor allem konservative Landbewohner gerne regulieren (= Abschuss bis auf wenige Exemplare mit musealem Restwert und ohne ökologische Funktion) ähnlich unlogische Denkmuster. Ohne funktionierende Ökologie keine funktionierende Wirtschaft! Will nur kaum jemand wissen, weil kaum jemand dieses komplexe Thema versteht.