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Wohnungsmarktbericht und MietendeckelGegnern gehen die Argumente aus

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Der Wohnungsmarktbericht von Investitionsbank und Senat offenbart sinkende Mieten. Und es wird immer mehr gebaut. Das entspannt den Markt.

In Berlin werden Wohnungen gebaut – daran ändert der Mietendeckel nichts Foto: dpa/Frank May

F ür die ideologischen Geg­ne­r*in­nen des Mietendeckels wird es langsam eng, denn ihnen gehen zunehmend die Argumente aus. Einer der wenigen Strohhalme, an den sie sich jetzt noch klammern, ist ziemlich dünn. Es ist die im vergangenen Jahr leicht rückläufige Zahl an Baugenehmigungen für neue Wohnungen, die wieder runter die 20.000er Marke gerutscht ist. Schaut, rufen die Be­für­wor­te­r*in­nen des freien Marktspiels: Der Mietendeckel zerstört den Neubau.

Ihr Ruf allerdings hat an Überzeugungskraft verloren. Angesichts eines Staus von 65.000 bereits genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen wird der Neubau in absehbarer Zukunft nicht zusammenbrechen. Aktuell ist dieser wieder auf seinem Rekordhoch der 1990er Jahre angelangt, wie der diese Woche vorgestellte Wohnungsmarktbericht von Investitionsbank IBB und Senat zeigt. 19.000 neu fertiggestellte Wohnungen 2019, und die prognostizierte Hoffnung, dass die Statistik für 2020 gar 20.000 ausweisen wird. In der Stadt, in der der Neubau aufgrund des Mietendeckels zusammenbrechen sollte, ächzen die Baufirmen unter der Last der Aufträge.

Eine Kritik, die die Anti-Mietendeckel-Lobby nie formuliert, aber bleibt. Der Neubau wird immer teurer – ein Quadratmeter kostete 2020 mit 15,26 Euro 1,22 Euro mehr als im Vorjahr. Das Mietenproblem der Stadt kann dieser Neubau nicht im Ansatz lösen. Es ist daher höchste Zeit für ein vom Berliner Mieterverein gefordertes breites Bündnis für Gemeinwohl-Neubau und einer Taskforce, die „Abhilfe für diese Marktprobleme“ schaffen soll.

Rückgang der Mieten

Die entscheidende Nachricht des Wohnungsmarktberichts aber ist: Der Mietendeckel erzielt seine eigentlich beabsichtigte Wirkung. Erstmals seit Beobachtung des Marktes verzeichnet die IBB einen Rückgang der Mieten. 2020 sank der mittlere Mietpreis um 31 Cent auf 10,14 pro Quadratmeter. Ohne Angebote im Neubau lag der Mittelwert der verlangten Mieten im vierten Quartal bei 9,87 Euro und damit erstmals seit 2017 unter der 10-Euro-Grenze.

Der Mietendeckel erzielt seine ­­eigent­lich beabsichtigte Wirkung

Tatsächlich zahlen müssen die meisten Neu­mie­te­r*in­nen im Moment sogar weniger, denn die Zahlen basieren zu einem großen Teil auf Schattenmieten, die in den Inseraten angegeben werden, aber nicht entgegengenommen werden dürfen.

Diese Unsitte der Schattenmieten wird von den Mietendeckelgegnern nicht kritisiert, ebenso wenig, dass Vermieter Wohnungen lieber leerstehen lassen, als zu einem gesetzeskonformen Preis zu vermieten. „Durch den Mietendeckel gibt es kaum noch Wohnungsangebote“, rufen sie dann. Auch dieser Strohhalm ist dünn.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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7 Kommentare

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  • Wie sind den die Pläne in 4 Jahren ?



    Mal angenommen der Deckel wird nicht gekippt.



    Bestand 8,50 oder so und kaum im Angebot.



    Neubau kostet zu 1/3 6,50€ da diese Miete aber den Bau nicht finanziert müssen die anderen Quersubventionieren



    also werden die anderen Wohnungen dann bei 18-20€ liegen.



    Jedes Jahr wo der Deckel aktiv bleibt wird die Spreizung Bestand/Neubau zunehmen also doch den Neubau Deckeln?



    1/3 6,50 1/3 10(damit jemand ohne WBS überhaupt noch nee Chance hat) das Restliche 1/3 dann 30+ irgentwer muss es ja finanzieren.

    Oder kommt Berlin auf die Idee ach wir verabschieden uns vom Fixen m2 Preis.

    Alle Wohnungen werden über die Bezirksämter vergeben die für die Berliner Mischung sorgen und jeder zahlt 30% seines Einkommens.

  • Der Wohnungsmarktbericht stammt direkt aus dem Senat bzw. eine dem Senat untergeordnete öffentliche Anstalt. Daher kann man die Ergebnisse nicht ohne entsprechende kritische Würdigung lesen. Auf die Anzahl von Baugenehmigungen kann der Mietendeckel angesichts des Planungsvorlaufes keine Auswirkungen haben. Hier müsste man zwei bis drei Jahre warten.

    Über das ganz wesentliche Gegenargument gegen den Mietendeckel, die fehlende Zuständigkeit des Landes, sagt der Wohnungsmarktbericht auch nichts aus.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ein schöndes Beispiel, wie Opfer oft zu Tätern gemacht werden.

    Ich habe jedenfalls für die Enteignung unterschrieben.



    Bitte noch viel mehr Stände in den Straßen aufbauen, bei denen die Listen ausliegen.

  • Der entscheide Punkt ist doch ob das Verfassunsgericht einen Weg finden wird daa Gesetz für ungültig zu erklären.



    Da entscheidet sich die Zukunft für den Berliner Mietmarkt

  • Mit dem Verweis auf noch den Rückstau an nicht ausgeführte Baugenehmigungen, die lange vor dem Mietendeckel eingereicht wurden, Entwarnung zu geben ist hochgradig unredlich. Die einzig sinnvolle Kennzahl ist die Entwicklung der Zahl der nach dem Inkrafttreten neu eingereichten Bauanträge. Und da schweigt sich der Artikel komplett aus.

    • @TheBox:

      Seit Jahren ist die Zahl der neu genehmigten Wohnungen in Berlin rückläufig - Hinweise darauf dass aufgrund von Planungs- und Genehemigungsprozessen die Immobilienwirtschaft sehr träge auf Veränderungen reagiert, werden leider komplett ausgeblendet.

    • @TheBox:

      Yepp, ist mir auch aufgefallen. Ebenso die Frage, wie die preiswerten Wohnungen entstehen sollen, die gebraucht werden, wenn die Baukosten steigen.