Wohltätigkeit mit Ausblick: Hamburg von ganz oben

Ein Sonntagnachmittag in der Hamburger „Skybar 20up“ kann helfen, die Hansestadt besser zu verstehen.

Eine bunte Illustration: Ein Mann schaut von außen in eine Bar. An den Tischen sitzen Menschen, darunter ein Musiker

Gute Getränke erhöhen die Großzügigkeit. Abends aber gilt Dresscode in der 20up-Bar Illustration: Sebastian König

HAMBURG taz | Das gleich beim Reinkommen gereichte Eiswasser schmeckt nach … Melone? Jedenfalls ist es nicht von Viva con Agua, das klärt eine Nachfrage am kleinen Infotisch, den die (Ab-)Wasser-Hilfsorganisation aufgestellt hat an diesem Sonntagnachmittag in einem der höchsten Häuser Hamburgs, ganz oben im Empire Riverside Hotel, in der Skyline Bar 20up: ein L-förmiger Raum, sieben Meter Deckenhöhe, aber vor allem: den ebenso dimensionierten Panoramafenstern mit kaum schlagbarem Ausblick über den Hafen, die Elbe, die Stadt.

Das hohe Haus

Wenn man sie nach einem Symbol fragt für … na, vielleicht nicht gleich alles Schlechte, aber doch für vieles von dem, was falsch läuft, dann würden manche Menschen in Hamburg einfach nur auf dieses metallen schimmernde Hochhaus zeigen. Mitten im Stadtteil St. Pauli wurde 2007 das Hotel eröffnet, da, wo 140 Jahre lang das Astra-Pils gebraut wurde: deshalb das kupferne Äußere des bis zu 75 Meter hohen Turms – Kupfer, so wie einst die Sudpfannen der Bavaria-St. Pauli-Brauerei.

Für den ambitionierten Entwurf erhielt die verantwortliche Firma David Chipperfield Architects seinerzeit zwei einschlägige Preise, aber es sind auch nicht so sehr Architekturgeschmacksfragen, an die der Neubau damals rührte. Ein Symbol für den falschen Wandel im Stadtteil – und nicht nur dort – ist die gehobene Herberge in vielen Augen, die in Hamburgs Hotellandschaft allerdings bei Weitem nicht zu den teuersten oder exklusivsten zählt. Aber gehört so etwas in einen der traditionell ärmsten Stadtteile Europas?

Alle Zutaten der damaligen Diskussionen sind heute noch da, und manche sind eher brisanter geworden in Zeiten von Mietenanstieg und Immobilienblase. Armut gibt es immer noch auf St. Pauli, aber es ist andererseits eine neue Mittelschicht dort hingezogen. So manche in den 2000er-Jahren noch kaum vorstellbare Veränderung hat das Viertel überstanden, gleich daneben scheint die Zeit dann wieder stillgestanden zu sein, ist der Kiez immer noch schmuddelig auf eine Weise, die nicht restlos aufgeht in angenehm gruseliger Tourist*innenbespaßung.

Die gute Sache

Die Armut, aber auch ein bestimmter, eher nicht so exklusiver Typ Städtereisender, sie sind weit weg, sitzt man hier oben im 20. Stock. Der abends hier im 20up geltende Dresscode („sportlich elegant“) ist gelockert, Getränke und Häppchen gehen heute aufs Haus. Es ist der Auftakt einer neuen Konzertreihe, für den sich das Hotel und die Hilfsorganisation zusammengetan haben: Viva-con-Agua-Spendendosen stehen auf einigen Tischen, ein QR-Code hängt aus, der es noch leichter macht, sich großzügig zu zeigen.

Auch den Kulturschaffenden will man helfen, die von Corona doch so hart getroffen worden seien, fast wie die Hotelbranche selbst: Bei freiem Eintritt, Reservierung erbeten, spielen die Hamburgerin Anna Wydra und Mina Richman aus Bielefeld mit ihren Bands; schöne, vielleicht ein wenig zu schöne Musik, die keinen Anstoß erregt im vollen Haus. Für kommende Konzerte können sich „regionale“ Mu­si­ke­r*in­nen bewerben, mit kurzem Anschreiben und, klar: „Hörproben als Soundcloud-, Spotify- oder YouTube-Link“.

Da sitzt man also, einen bestens temperierten Weißwein vor sich oder ein alkoholfreies Alster, kann den Hafen sehen, den alten wirtschaftlichen Motor der Stadt; das Rotlichtviertel, das einst von den Seeleuten gelebt hat; da hinten: die Elbphilharmonie, auf der anderen Seite des Flusses die Musical-Theater: Triebfedern für die neueren hanseatischen Geschäftsmodelle. Das hier oben versammelte Hamburg hat Geschmack, gibt aber auch gerne, es ist durchweg weiß, eine Mutter und ihre Tochter unterhalten sich über Driving Ranges und wie viele alte Porsche da unten vorbeikommen – und ob nicht „hier irgendwo“ dieser Park sein müsse, in dem Straßenrapper Gzuz „sein Video gedreht hat“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.